Keyfacts:
- Fehlende Auslaufsteuerung kostet Milliarden, da Obsoletbestände Kapital binden und die Flexibilität schwächen, besonders in der Chemie- und Kosmetikindustrie.
- Sales & Operations Planning (S&OP) schafft die Grundlage, um Transparenz und Handlungsfähigkeit im Planungsprozess zu sichern.
- Drei Hebel machen den Unterschied: Prozesse verankern, datenbasierte Systeme nutzen und Auslaufsteuerung zur Chefsache machen.
Unter Auslaufsteuerung versteht man die zielgerichtete und planvolle Einstellung bzw. Phase-out von Produkten am Ende des Produktlebenszyklus (Degenerationsphase). In vielen Unternehmen spielt die Auslaufsteuerung von Produkten noch immer eine untergeordnete Rolle. Oft wird das Thema erst dann aufgerufen, wenn Lager überquellen und Kapital gebunden ist. Aus Angst, Kunden nicht rechtzeitig beliefern zu können, produzieren Unternehmen lieber zu viel und riskieren damit ein hohes obsoletes Inventar. Was als Sicherheitsmaßnahme gedacht ist, wird so schnell zum Kostenfaktor.
Hohe Risiken, hohe Bestände: Warum die Chemieindustrie besonders betroffen ist
Gerade in der Chemieindustrie verstärken sich die Risiken am Ende des Produktlebenszyklus: Lange Vorlaufzeiten, komplexe regulatorische Vorgaben und volatile Märkte machen die Steuerung besonders anspruchsvoll. Kein Wunder also, dass der Anteil obsoleter Bestände in der Chemie- und Kosmetikbranche regelmäßig zwischen 15 und 30 Prozent der gesamten Lagerbestände liegt, ein Wert, der nicht nur Kapital bindet, sondern auch die operative Flexibilität spürbar einschränkt und im schlimmsten Fall die Lieferfähigkeit gefährdet.
Drei Maßnahmen für bessere Auslaufsteuerung
Die Lösung liegt in einer vorausschauenden Auslaufsteuerung, die fest im Sales & Operations Planning (S&OP) verankert ist, einem integrierten Planungsprozess also, der Vertrieb, Marketing, Produktion und Finanzen zusammenführt. So lassen sich Prognosen und Bestandssteuerung intelligent verbinden, Transparenz schaffen und Fehlentscheidungen vermeiden. Entscheidend ist dabei, den Produktauslauf nicht als nachgelagertes Problem zu behandeln, sondern als integralen Bestandteil des gesamten Planungsprozesses.
Besonders wichtig ist: Keiner der relevanten Erfolgsfaktoren entfaltet allein seine volle Wirkung. Erst wenn alle im Einklang stehen und zielgerichtet orchestriert werden, lassen sich die Potenziale wirklich heben. Genau hier setzen wir mit diesen Schritten an:
1. Prozessuale Verankerung im S&OP
Nur wenn Auslaufentscheidungen funktionsübergreifend abgestimmt werden, greifen operative, strategische und finanzielle Planung ineinander. Ein isoliertes Vorgehen einzelner Abteilungen führt fast zwangsläufig zu Fehlentscheidungen und unnötigen Kosten.
2. Datenintelligenz und Systemunterstützung
Softwaregestützte Szenarienplanung ist heute kein Luxus, sondern Pflicht. Wer weiterhin auf Excel-Tabellen setzt, verpasst die Möglichkeit, Bestände dynamisch zu optimieren und Risiken frühzeitig zu erkennen. Die Auswertung historischer Abverkäufe, Prognosen und Restbedarfe liefert die Basis für faktenbasierte Entscheidungen, wie unsere jahrelange Zusammenarbeit mit Anbietern wie Anaplan eindrucksvoll zeigt.
3. Organisatorischer Fokus
Prozesse und Tools allein reichen nicht. Führungskräfte sollten Auslaufsteuerung zur Chefsache machen und Mitarbeitende befähigen, neue Methoden konsequent anzuwenden. Ohne diesen Kulturwandel bleibt das Thema im Tagesgeschäft unterpriorisiert – mit teuren Folgen für Lieferfähigkeit und Kapitalbindung.
Ein Praxisbeispiel
Wie sieht das in der Realität aus? In einem strukturierten S&OP-Prozess werden Produkte systematisch nach Lebenszyklusphasen bewertet. Potenzielle Auslaufkandidaten werden frühzeitig identifiziert. Ein cross-funktionales Gremium, etwa ein „Auslaufboard“, entscheidet dann über Szenarien: Soll noch einmal produziert werden, wird der Restbestand abverkauft oder verlagert?
Durch unsere Arbeit mit zahlreichen Chemie- und Kosmetikunternehmen wissen wir, dass sich durch entsprechende Maßnahmen 25 bis 30 Prozent der Restbestandskosten initial reduzieren ließen.
Performance-Check: Wie zukunftsfähig ist Ihre Auslaufsteuerung?
Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern wollen, sollten sich jetzt einige zentrale Fragen stellen.
– Steht die Auslaufsteuerung bereits auf der Agenda der Unternehmensführung? Oder wird sie noch als operatives Detailthema behandelt?
– Gibt es ein belastbares Lebenszyklus-Frühwarnsystem mit klaren KPIs, das potenzielle Auslaufkandidaten rechtzeitig sichtbar macht?
– Erfolgt die Szenarienplanung weiterhin in Excel-Tabellen oder wird sie schon durch softwaregestützte Tools mit datenbasierter Transparenz unterstützt?
– Und schließlich: Ist ein cross-funktionales Auslaufboard etabliert, das Entscheidungen strukturiert vorbereitet und Governance sicherstellt?
Wer diese Punkte für sich klärt, erhöht seine Performance deutlich. Und zwar schon bevor volle Lager und leere Auftragsbücher die Antworten erzwingen.