Innovation statt Abwarten
Ein häufiger Vorwurf an die europäische Autoindustrie war, sie sei zu langsam, zu zögerlich, zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch ich beobachte inzwischen ein anderes Bild. Unternehmen öffnen sich für Partnerschaften, holen sich digitale Expertise ins Haus und denken über die Neu-Organisation von Produktion und Lieferketten nach.
Natürlich bleibt der Druck aus Asien gewaltig. Dort werden Fahrzeuge mit hohem Innovationsgrad zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt gebracht. Aber Europa verfügt über ein Pfund, das nicht zu unterschätzen ist: Markenversprechen und Vertrauen. Ein Teil davon ist auch das große Service- und Händlernetz. Für viele chinesische Anbieter bedeutet der Aufbau ähnlicher Netzwerke hohe Investitionen, die derzeit noch gescheut werden. Über Generationen hinweg haben deutsche und europäische Hersteller ein Image aufgebaut, das sich nicht so leicht kopieren lässt.
„Vertrauen ist Europas härteste Währung – und der entscheidende Vorteil im globalen Wettbewerb.“
Vertrauen in der digitalen Ära
Gerade im Übergang zur digitalen Mobilität wird dieses Vertrauen entscheidend sein. Wer ein autonomes, KI-gestütztes Fahrzeug nutzt, muss sicher sein: Das System ist zuverlässig, die Daten sind geschützt, die Marke hält, was sie verspricht. Hier haben europäische Hersteller die Chance, ihren Vorsprung im Bereich Sicherheit, Qualität und Verlässlichkeit in die Zukunft zu übertragen. Doch Vertrauen entsteht nicht durch Versprechen allein, sondern durch technologische Souveränität. Unsere internationale Befragung unter Führungskräften der Branche zeigt, dass 68 Prozent der Führungskräfte die Nutzung neuer Technologien als oberste Priorität definieren – dahinter steckt jedoch ein tieferes Anliegen: Schlüsseltechnologien wie autonomes Fahren, softwaredefinierte Fahrzeuge oder generative KI selbst zu beherrschen. Nur wer Risiken aktiv steuern und Sicherheit aus eigener Kraft gewährleisten kann, wird langfristig das Vertrauen von Kunden, Investoren und Gesellschaft aufrechterhalten können.
Mein persönlicher Eindruck: Die Branche hat gute Chancen
Bei Gesprächen mit Führungskräften am Rande der IAA in München ist mir aufgefallen, wie ernsthaft die Themen angegangen werden – und wie viel Energie in konkrete Lösungen fließt. Diese Mischung aus Realismus und Gestaltungswillen stimmt mich optimistisch. Für die deutsche Autoindustrie wird es kein einfaches Geradeaus geben. Aber die Geschwindigkeit, mit der Innovationen jetzt auf den Markt kommen, hat spürbar zugenommen. Die Branche in Europa ist noch längst nicht abgeschrieben – sie kämpft, und das mit guten Chancen.
Mit Innovation, Mut und Tempo überzeugen
Die europäische Autoindustrie steht unter massivem Druck. Doch statt in Schockstarre zu verharren, nutzt sie die Situation, um neue Kräfte freizusetzen. Die IAA in München war dafür ein eindrucksvolles Schaufenster: Mehr Innovation, mehr Mut, mehr Tempo. Ja, der Weg bleibt steinig. Aber aus meiner Sicht gilt: Europas Autoindustrie hat verstanden, worum es geht.