Keyfacts:
- Hohe Energiekosten, Bürokratie und fehlende Planungssicherheit behindern nachhaltige Investitionen in Kreislaufwirtschaft.
- Dabei sind die Vorteile nachhaltiger Lösungen erheblich: Unternehmen können langfristig Kosten sparen und unabhängiger von fossilen Rohstoffen werden.
- Empfehlenswert sind mehr Forschung, neue Geschäftsmodelle und Partnerschaften – sowie ein zukunftsorientiertes und entschlossenes Handeln.
Die Kreislaufwirtschaft gewinnt zunehmend an strategischer Bedeutung für die Chemieindustrie – umso erfreulicher ist es, dass auch die Politik darauf reagiert. Der Koalitionsvertrag zeigt, dass die neue Bundesregierung das Thema Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus rücken will. Ein Eckpunktepapier mit kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen ist angekündigt, das chemische Recycling soll in die bestehende Abfallhierarchie integriert werden. Parallel planen die regierenden Parteien Reformen im Verpackungsgesetz, Anpassungen an die EU-Vorgaben und neue Vorgaben zur Abfallvermeidung, insbesondere im Textilbereich.
Kreislaufwirtschaft als strategischer Hebel
Für die Chemieindustrie könnten diese Vorhaben ein Schritt in die richtige Richtung sein – vorausgesetzt, sie schaffen die notwendigen Voraussetzungen für Investitionen. Denn die Kreislaufwirtschaft wird nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu einem zentralen Faktor.
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Was ist Kreislaufwirtschaft?
Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) bezeichnet ein Wirtschaftsmodell, das darauf abzielt, Ressourcen so lange wie möglich im Umlauf zu halten. Im Gegensatz zum linearen Prinzip „Take – Make – Waste“ wird in der Kreislaufwirtschaft versucht, Produkte, Materialien und Rohstoffe möglichst lange zu nutzen, wiederzuverwenden, aufzuarbeiten oder zu recyceln.
Ziel ist es, Abfall zu vermeiden, Ressourceneffizienz zu steigern und den Einsatz fossiler Rohstoffe zu reduzieren. Dabei geht es nicht nur um Recycling, sondern um ein umfassendes Umdenken entlang des gesamten Produktlebenszyklus – von Design und Produktion bis zur Wiederverwendung oder Umnutzung.
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Zirkuläre Technologien eröffnen der Branche neue Perspektiven: Sie ermöglichen effizientere Prozesse, stärken die Rohstoffunabhängigkeit und verbessern die Klimabilanz. Besonders das chemische Recycling gilt als Zukunftstechnologie, um Abfallstoffe in hochwertige Rohstoffe umzuwandeln. Doch gerade diese Verfahren sind energieintensiv – und damit anfällig für hohe Energiepreise.
Zudem sind viele Produktionsanlagen noch nicht auf Kreislaufführung ausgelegt. Bürokratische Hürden, steuerliche Belastungen und ein allgemein investitionsfeindliches Klima erschweren die notwendige Transformation. Das Risiko: Unternehmen vertagen ihre Investitionen – und verlieren im globalen Wettbewerb an Boden.
Wettbewerbsvorteile durch globale Präsenz und Innovation
Trotz dieser Herausforderungen hat die deutsche Chemieindustrie gute Voraussetzungen, eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft einzunehmen. Die Branche ist international stark vernetzt, erzielt rund die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland und kann auf eine leistungsfähige Forschungslandschaft im Inland zurückgreifen. Kooperationen mit globalen Partnern und die gezielte Nutzung internationaler Standorte schaffen zusätzliche Spielräume.
Hierfür bedarf es eines neuen Mindsets: Kurzfristiger Kostendruck darf nicht mehr als Begründung dafür gelten, dass auf langfristige Investitionen verzichtet wird. Auch für regulatorische Entwicklungen gilt: Abwarten ist keine gute Idee. Die Chemieindustrie sollte sich frühzeitig anpassen, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Entscheidend ist, Kreislaufwirtschaft nicht nur als Recycling zu verstehen. Es geht um die strategische Integration kreislauffähiger Prinzipien entlang des gesamten Produktlebenszyklus – vom Design bis zur Wiederverwertung. Das sogenannte 10R-Modell zeigt, wie vielfältig diese Ansätze sein können: von Reduktion und Reparatur über Wiederaufbereitung bis hin zur Rückgewinnung von Wertstoffen.

Kreislaufwirtschaft jetzt als Wettbewerbsvorteil nutzen
Die Kreislaufwirtschaft ist kein Nebenschauplatz – sie wird zum strategischen Eckpfeiler der Industrie. Die politischen Signale sind erkennbar, doch entscheidend ist die Umsetzung. Unternehmen sollten jetzt den Mut aufbringen, trotz herausfordernder Rahmenbedingungen in Forschung und zirkuläre Technologien zu investieren. Denn wer heute handelt, sichert sich nicht nur technologische Vorteile – sondern auch eine stabile Position im globalen Wettbewerb.
Daraus ergeben sich konkrete Maßnahmen für die Unternehmensstrategie:
- Verstärkte Investition in Forschung und Entwicklung: Fokussierung auf innovative Technologien, welche die Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsprinzipien, die Nutzung alternativer Rohstoffe sowie die Entwicklung kreislauffähiger Produkte und Prozesse ermöglichen.
- Entwicklung neuer Geschäftsmodelle: Positionierung als Schlüsselpartner in Materialkreisläufen durch Förderung von chemischem Recycling und Bereitstellung kreislauffähiger Rohstoffe.
- Förderung gezielter Partnerschaften: Bildung strategischer Allianzen zur Bündelung von Know-how sowie Prüfung, ob Ausgründungen im Bereich Kreislaufwirtschaft den notwendigen Wandel beschleunigen können.
- Analyse internationaler Expansionsmöglichkeiten: Berücksichtigung neuer Standorte mit vorteilhaften Rahmenbedingungen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen.
Das Fazit: Die deutsche Chemieindustrie steht an einem Wendepunkt. Deutschland hat das Know-how für eine führende Rolle in der Kreislaufwirtschaft – nun braucht es Entschlossenheit, um diesen Vorsprung zu halten und auszubauen.
Zwar ist auch die Politik aufgefordert, hier für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, allerdings sollten und können sich Unternehmen darauf nicht verlassen.
Doch der vielleicht wichtigste Aspekt: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind keine Gegensätze: Wer Kreislaufwirtschaft strategisch klug einsetzt, sichert seine Marktposition und stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland.