Funkmast vor Himmel

Deutschland muss mehr in die digitale Infrastruktur investieren

Der Wettbewerb in der Telekommunikations- und Medienbranche wird schärfer.

In der Telekommunikations- und Medienbranche wird hart um jedes Prozent Marktanteil gekämpft. Was bedeutet das für die Unternehmen in Deutschland? Und ist unser Land ausreichend auf die fortschreitende Digitalisierung vorbereitet? Wo sollten von staatlicher Seite Maßnahmen ergriffen werden? Hierzu haben wir mit Dr. Markus Kreher gesprochen, dem Head of Technology, Media & Telecommunications (TMT) von KPMG in Deutschland.

Herr Dr. Kreher, die Telekommunikations- und Medienbranche scheint sich weltweit immer stärker zu konzentrieren. Können die deutschen Unternehmen da noch mithalten?

In Deutschland haben wir zum Glück kein Markt beherrschendes Medienunternehmen, das die öffentliche Meinungsbildung dominiert. Wir haben noch immer eine sehr vielfältige Verlagsbranche, die Qualitätsjournalismus liefert. Zudem spielen die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender eine wichtige Rolle und auch die privaten Kanäle sind ausreichend divers aufgestellt. Allen ist gemein, dass sie sich immer stärker digitalisieren – was sie auch müssen. Aufgrund der enormen Konkurrenz durch die internationalen Streaming-Portale ist dies eine absolute Notwendigkeit, um insbesondere jüngere Zuschauer:innen anzusprechen.

Bei den Telekommunikationsunternehmen ist die Deutsche Telekom mit ihrem ausgeprägten US-Geschäft durchaus ein Global Player. Andere hierzulande aktive Telekommunikationsunternehmen sind ebenfalls international aufgestellt. Alle stehen vor der Herausforderung, dass die Grenzen zwischen Infrastruktur- und Medienanbietern immer stärker verschwimmen. Nur Infrastrukturleistungen anzubieten, rechnet sich immer weniger. Wer zukünftig wirtschaftlich erfolgreich sein will, braucht auch ein Angebot an Inhalten. Wie sich das auf die deutsche Medienlandschaft auswirken wird, ist offen, aber es eröffnet natürlich neue Vertriebschancen für Content-Produzenten und sorgt für weitere Konkurrenz bei den Distributionsplattformen.

Hat Deutschland eine ausreichende Infrastruktur für die fortschreitende Digitalisierung?

Unsere digitale Infrastruktur ist europäisches Mittelmaß – zwar im vorderen Drittel, aber eben nur Mittelmaß. Unsere Gesellschaft sollte sich die Frage stellen, ob das für die größte Volkswirtschaft Europas ausreicht. Wenn wir bei diesem Thema im Mittelmaß stecken bleiben, besteht die Gefahr, dass uns auch in anderen Wirtschaftsfeldern der Abstieg droht. Ohne Netze, die einen Hochleistungsdatenverkehr ermöglichen, können wir zum Beispiel unsere Industrie nicht so umfassend digitalisieren, wie es nötig ist, damit sie der internationalen Konkurrenz ausreichend Paroli bieten kann.

Alle modernen Strukturen sind in der ein oder anderen Weise auf einen funktionierenden Datenverkehr angewiesen – sei es im B2C- oder B2B-Bereich. Schaut man zum Beispiel auf Zukunftsanwendungen wie das autonome Fahren, sieht man, dass die Datenmengen, die hierfür übertragen werden müssen, immens sind. Ebenso verhält es sich beim Datenvolumen, das für eine vollautomatisierte Produktion oder für andere industrielle Anwendungen notwendig ist.

Die Investitionen, die in die digitale Infrastruktur fließen, sind bereits enorm…

Natürlich sind die notwendigen Investitionssummen sehr groß. Von Seiten der Telekommunikationsunternehmen werden diese auch getätigt – wenn es sich lohnt. In den meisten deutschen Ballungsräumen stehen inzwischen gute Daten- und Kommunikationsnetze zur Verfügung. Im ländlichen Raum sieht es jedoch oft noch anders aus. Wobei man fairnesshalber sagen muss, dass sich auch hier einiges tut, es aber einfach mehr sein müsste. Aus rein wirtschaftlicher Sicht lohnen sich Investitionen auf dem Land vielfach nicht. Aber der Staat hat ja auch Verpflichtungen im Rahmen der Daseinsfürsorge, und dazu muss auch die digitale Versorgung zählen. Es käme ja auch niemand auf den Gedanken, Dörfern einen Straßenanschluss zu verweigern, mit dem Argument, das lohne sich bei der geringen Anzahl von Bewohnern nicht.

Die Notwendigkeit der digitalen Daseinsfürsorge wird noch steigen, wenn zukünftig Angebote wie Telemedizin oder Onlinebildung zunehmen werden. Diese sind im ländlichen Raum noch viel relevanter als in der Stadt, wo es keinen Hausarztmangel gibt und Ausbildungsstätten mit dem öffentlichen Nahverkehr erreicht werden können. Andere Länder sind hier schon weiter, wir können von den Niederlanden oder dem Baltikum einiges lernen. In der Fläche wird sich das alles aber nur mit staatlichen Subventionen realisieren lassen.

Liegt es nur am fehlenden Geld?

So wie man den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen will, so sollte dies auch bei digitalen Infrastrukturprojekten geschehen. Mancherorts wird ja jeder Funkmast hartnäckig bekämpft. Hier sollte mehr Informationsarbeit geleistet werden, damit verstanden wird, was eine gute digitale Infrastruktur leisten kann – auch zum Beispiel bei Naturkatastrophen oder anderen Notfällen. Insgesamt sollten Planungsvorhaben schlanker werden und Genehmigungsverfahren einfacher und schneller zum Ziel führen. In der Politik ist dies leider noch nicht überall angekommen, viele Entscheidungsträger:innen fremdeln mit dem Thema. Oftmals werden Bedenken schwerer gewichtet als absehbare Chancen.

Ist das alles nachhaltig?

Das Thema ESG wird in der Telekommunikationsbranche sehr ernst genommen. Wenn man betrachtet, was ein Rechenzentrum an Energie verbraucht, stellen sich natürlich auch die Fragen, wo diese herkommt und wie der Verbrauch gesenkt oder die Abwärme genutzt werden kann.

Bei technischen Komponenten und Geräten für Endverbraucher sollte Klarheit darüber herrschen, wo und wie sie produziert wurden, bei Verlagen zum Beispiel auch, woher die Papiere für den Druck stammen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist hier ein großer Schritt nach vorne, aber für die Unternehmen auch eine große Herausforderung.

Wie wird die deutsche Medienlandschaft in einigen Jahren aussehen?

Es kommt sehr auf das Mediensegment an. Film und Musik funktionieren sehr gut international, entsprechend international ist auch das Angebot, dominiert von den USA. Bei Zeitungen und Zeitschriften verhält sich das anders. Hier ist der Markt wenig globalisiert und wird es so schnell auch nicht werden.

Zudem gibt es im Medien- und Pressebereich in Deutschland eine funktionierende Regulatorik, die verhindert, dass Unternehmen einfach aufgekauft werden können und die Meinung des neuen Eigners widerspiegeln müssen. Für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft ist die Freiheit der Presse noch immer eine Grundvoraussetzung.

Allerdings herrscht in der Telekommunikations- und Medienbranche auch ein immenser Wettbewerbsdruck, der sich weiter verschärfen wird. Zudem sind es ja auch nicht nur technische Möglichkeiten, die zu Umbrüchen in unserer Medienlandschaft führen, auch unsere Gesellschaft wandelt sich. Lässt sich ein steuerähnlicher Rundfunkbeitrag für das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch rechtfertigen, wenn die Zuschauer:innen verstärkt zu Streaming-Plattformen abwandern? Können auch privatwirtschaftlich organisierte Medien ausreichend divers informieren? Die Meinungsbildung hierzu ist in Deutschland noch im vollen Gange.

 

Wie schätzen die Telekommunikations- und Medienunternehmen in Deutschland ihre eigene Zukunftsfähigkeit ein? Lesen Sie im aktuellen Future Readiness Index zur Telekommunikations- und Medienbranche, wie die Unternehmen ihre Zukunftsfähigkeit einschätzen, den aktuellen geopolitischen Spannungen begegnen und wo sie ihre Investitionsschwerpunkte setzen wollen.