Welche Rolle spielt der Schienengüter- und Personenverkehr für die CO₂-Effizienz und welche Maßnahmen braucht es, um mehr Personen und Güter auf die Schiene zu bringen? Darüber sprach unser Head of Energy & Natural Resources, Michael Salcher, im Rahmen unserer virtuellen Konferenz, dem KPMG Basecamp, mit Andreas Gehlhaar, Leiter Nachhaltigkeit bei der Deutschen Bahn (DB).
Michael Salcher: Lieber Herr Gehlhaar, mit Ihrer Dachstrategie „Starke Schiene“ verfolgt die Deutsche Bahn den Anspruch, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen und somit den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Wie haben Sie in Ihrer Position diese Strategie mit beeinflusst?
Andreas Gehlhaar: Wir als Deutsche Bahn haben uns in einem klar strukturierten Prozess vor vier Jahren gefragt: Für was stehen wir und wer wollen wir sein? Aus diesem Prozess haben wir den Purpose in Form von vier „fürs“ für unsere Strategie abgeleitet: Für das Klima, für die Menschen, für die Wirtschaft und für Europa.
Die Reihenfolge ist nicht zufällig entstanden, sondern war das Ergebnis einer sehr fruchtbaren Diskussion. Nachhaltigkeit ist der Kern der Strategie und Teil der DNA der Deutschen Bahn. Unser Auftrag ist es, einen Beitrag für eine nachhaltigere Welt zu leisten.
Michael Salcher: Die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens ist ja ein erster wichtiger Schritt. Spannend wird es dann aber auch bei der konkreten Umsetzung. Wie muss man sich die grüne Transformation der Deutschen Bahn in der Praxis vorstellen?
Andreas Gehlhaar: Erst einmal beschränkt sich die grüne Transformation nicht nur auf Klimaschutz, sondern ist bewusst breit gefasst. Es geht insbesondere auch um Biodiversität und den Umgang mit begrenzten Ressourcen. Denn wenn man sich mit dem Pariser Klimaabkommen und aktuellen Studien zum Klimawandel auseinandersetzt, wird eine Botschaft schnell klar: Wir können kein Cherry Picking betreiben und uns auf ein oder zwei Themen konzentrieren, wir brauchen den 360-Grad-Blick.
Unsere Strategie umfasst deshalb sowohl den Klimaschutz als auch den Naturschutz und den Ressourcenschutz. Und auch der Lärmschutz spielt eine große Rolle: Wenn wir Verlagerungen von der Straße auf die grüne Schiene wollen, dann müssen wir insbesondere auch die Menschen, die entlang von Gütertrassen wohnen, mitnehmen und Lösungen beim Lärmschutz umsetzen
Neben unserer grünen Transformation nehmen wir auch unsere soziale Verantwortung wahr. Wie nötig diese Dimension ist, zeigt beispielweise die Flut im Ahrtal im Sommer 2021 oder unser Engagement für die vielen Menschen, die aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine fliehen mussten.
Michael Salcher: Ziel ist es, mehr Personen und Güter auf die Schiene zu bekommen, dafür muss langfristig auch die Infrastruktur ausgebaut werden. Welche Konsequenzen wird diese Entwicklung für die von Ihnen angesprochenen Handlungsfelder Klimaschutz, Naturschutz, Ressourcenschutz, und Lärmschutz haben?
Andreas Gehlhaar: Es ist eine große Herausforderung, die verschiedenen Aspekte unter einen Hut zu bekommen. Wenn wir aber Teil der Lösung im Verkehrssektor sein wollen, dann führt daran kein Weg vorbei.
Deshalb haben wir beispielweise im Bereich Klimaschutz festgelegt, dass wir die Nutzung von erneuerbaren Energien in unserem Bahnstrommix bis zum Jahr 2038 auf 100 Prozent erhöhen. Bereits in acht Jahren werden wir 80 Prozent erreicht haben. Wir stehen jetzt schon bei über 62 Prozent. Auf diesem Weg steigen wir sukzessive aus den fossilen Versorgungsverträgen aus.
Da, wo wir kein elektrifiziertes Schienennetz umsetzen können, brauchen wir klimafreundliche Antriebe oder Kraftstoffe. Dafür haben wir bereits viele Pilotprojekte gestartet. Beispielsweise setzen wir beim Sylt-Shuttle so genannten Biokraftstoff der zweiten Generation ein, der rund 90 Prozent weniger Emissionen verursacht als herkömmlicher Diesel und gleichzeitig die „Tank-Teller-Problematik“ vermeidet.
Alle Güterwagen wurden mit Flüsterbremsen ausgestattet, damit haben wir die Lärmbelästigung mehr als halbiert. Auch Lärmschutzwände an den Gleisen oder Schallschutzfenster für Anwohnende helfen.
Michael Salcher: Nun der Blick durch die Frontscheibe: An was für Projekten werden Sie in Zukunft – vielleicht auch in Zusammenarbeit mit der Politik – arbeiten?
Andreas Gehlhaar: Die drängendsten Fragestellungen sind für uns aktuell: Wie können wir noch energieeffizienter werden? Welche Antriebe können wir nutzen, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren?
Wie können wir bei unseren Hauptressourcen Stahl, Beton und Schotter, die 80 Prozent unseres Ressourcenverbrauchs ausmachen, mehr recycelte Materialen einsetzen und damit unser Ziel, Zirkularität bis 2040, vorantreiben? Das ist auch ein Signal an den Markt, dass es sich lohnt, Rezyklate herzustellen, denn wir sind ein großer Abnehmer.
Michael Salcher: Vielen Dank für die spannenden Einblicke, wir werden Ihre Arbeit mit hohem Interesse weiterverfolgen.
Hier das gesamte Interview als Aufzeichnung anschauen.
Sie wollen noch mehr zur grünen Transformation der Deutschen Bahn erfahren? Dann schauen Sie sich hier die gesamte Aufzeichnung des Interviews vom KPMG Basecamp an.