Deutschland ist ein föderaler Staat – eine Struktur, die sich trotz aller Kritik bewährt hat und im Grunde in den vergangenen Jahrzehnten nahezu unverändert geblieben ist. Im Zeitalter der Digitalisierung und erst recht nach den Erfahrungen, die Bürger:innen und Unternehmen in der Corona-Pandemie machen mussten, ist der Weg zu einer digitalen Verwaltung und einem digitalen Staat noch verbesserungsfähig.
Der öffentliche Sektor ist in dieser Hinsicht schon besser geworden, aber in vielen Bereichen ist er noch nicht wirklich gut. Ich sehe vor allem drei Aufgaben, die dringend angegangen werden sollten, um die digitale Transformation der Verwaltung zu beschleunigen:
1. Strukturen überprüfen und das föderale System weiterentwickeln
Mit Bund, Ländern, häufig Bezirksregierungen, Landkreisen und Kommunen besitzen bis zu fünf Verwaltungsebenen Zuständigkeiten. Kritikern ist entgegenzuhalten, dass wir in Deutschland mit dieser Struktur mehr als 70 Jahre lang sehr gut gefahren sind und auch weiterhin sehr gut fahren können.
Trotzdem sollten wir prüfen, wo doppelte und konkurrierende Zuständigkeiten abgebaut und Entscheidungsketten in der Verwaltung verkürzt werden können. Denn das spart Zeit und Ressourcen und schafft eine höhere Zufriedenheit von Kund:innen, die öffentliche Dienstleistungen empfangen oder von Verwaltungsentscheidungen abhängen.
Bei der Zukunftsaufgabe Digitalisierung sind zentrale digitale Lösungen und Zuständigkeiten im Föderalismus in meinen Augen kein Widerspruch, sondern eine Chance. Denn hier kommt es vor allem darauf an, einheitliche Standards zu setzen. Die Zulassung eines Autos beispielsweise ist immer der gleiche Vorgang. Egal, ob in Flensburg, Berchtesgaden, Köln oder Berlin. Hier sollte das gleiche System, bundesweit vernetzt, zum Einsatz kommen – ein wesentliches Merkmal für einen digitalen Staat.
Eigene Standards oder Systeme werden dann nur noch dort benötigt, wo es regionale Einzigartigkeiten gibt. Das spart Kosten bei der Entwicklung, beim Hosting und dem Service und erfüllt die Forderung nach mehr Einheitlichkeit.
2. Digitale Kleinstaaterei beenden und einheitliche Standards einsetzen
Ich bin überzeugt: Zu viele Köche verderben den Brei. Bei der Digitalisierung macht jeder seines. Zu viele arbeiten an – im Ergebnis auch mit unterschiedlichen – Lösungen für die gleichen Aufgaben. Davon können sich alle überzeugen, die sich das sogenannte Wimmelbild des Normenkontrollrates anschauen: Es macht deutlich, weshalb sich zahlreiche Ansätze zur Digitalisierung in Zuständigkeiten und Abhängigkeiten bis zum Stillstand verheddern.
Bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sollte grundsätzlich gelten: Der Staat setzt den rechtlichen und planerischen Rahmen. Er ist überall dort Dienstleister, wo es wirtschaftlicher für den Nutzer oder im Sinne der Diskriminierungsfreiheit notwendig ist oder wenn es bei wichtigen Versorgungsfragen zu einem Marktversagen kommt – beispielsweise bei der Breitbandversorgung in dünn besiedelten Räumen.
Ein Beispiel für diesen Grundsatz ist das autonome Fahren. Dabei kann der Staat nicht die Aufgabe haben, die Automatisierungssysteme in den Fahrzeugen vorzugeben und sogar selbst zu produzieren. Autonomes Fahren zeigt aber, dass es um die frühzeitige Setzung eines Standards geht. Bedienen sich nämlich alle Wettbewerber dieses Standards und entwickeln darauf aufbauend ihr System, dann wird das autonome Fahren bald und vor allem sicher gelingen.
3. Schneller werden, um nicht überholt zu werden
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden, bis Ende 2022 knapp 600 Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Dieses Ziel für eine Verwaltungsmodernisierung war ambitioniert, und wird nach Einschätzung des Normenkontrollrats nicht mehr zu schaffen sein. Warum eigentlich nicht?
Das OZG ist ein wichtiger Schritt und eine Chance auf dem Weg zu einem modernen, digitalen Staat, hat sich aber schon jetzt als nicht geeignet erwiesen, die Probleme beim Digitalisieren von Verwaltungsleistungen zu lösen. Deswegen sollten schon jetzt die konkreten Schritte festgelegt werden, um die Voraussetzungen für eine umfassende Verwaltungsdigitalisierung ab 2023 zu schaffen.
Zentrale Leistungen in der öffentlichen Verwaltung sollten endlich priorisiert und der Rollout bereits entwickelter Leistungen sollte beschleunigt werden. Wenn festgestellt wird, dass 80 Prozent der Verwaltungsleistungen bereits digital zur Verfügung stehen, dann sind dies offensichtlich nicht diejenigen, die vorrangig benötigt werden. Anders ist der allgemein wahrgenommene Mangel an Digitalisierung nicht zu erklären.
Der Fokus bei der Priorisierung sollte in meinen Augen deshalb auf die Anzahl der tatsächlich erreichten Nutzerinnen und Nutzer gelegt werden. Und wenn der Staat es allein nicht schafft, zum Beispiel eine digitale ID bereitzustellen, so steht ihm die Digitalwirtschaft zur Seite. Natürlich sollte sichergestellt sein, dass der Fahrplan für einen digitalen Staat nicht nur eingehalten werden kann, sondern auch die Finanzierung gesichert ist.