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Drei Impulse für nachhaltige Investitionen in geopolitisch unsicheren Zeiten

Was Unternehmen jetzt beachten sollten – Interview mit unserem Finanzierungsexperten.

Obwohl ESG politisch derzeit weniger im Fokus steht, bleibt das Thema im Finanzierungsprozess von zentraler Bedeutung. Vor dem Hintergrund geopolitischer Dynamiken sind Unternehmen gefordert, ihre Strategien so auszurichten, dass sie kurzfristige Stabilität sichern und zugleich langfristige Nachhaltigkeitsziele verfolgen. In diesem Interview gibt Till Karrer, Partner, Head of Funding Advisory, Einblicke in diese komplexe Balance.

Wie verändert die geopolitische Lage aktuell die Finanzierungsrealität für Unternehmen, insbesondere bei Investitionen in nachhaltige Geschäftsmodelle?

Nachhaltige Geschäftsmodelle sind aktuell so finanzierungsfähig wie selten zuvor. Förderbanken unterstützen diese Projekte gezielt – denn ihr politisches Mandat verbindet Nachhaltigkeit mit geopolitischer Strategie. Dabei geht es nicht nur um ökologische oder wirtschaftliche Aspekte, sondern auch darum, durch nachhaltige Investments regionale Stabilität und Unabhängigkeit zu sichern.

Zudem gibt es eine Tendenz, dass Unternehmen ihre Investitionen nach Europa verlagern, um von stabilen Rechts- und Standortbedingungen zu profitieren. So wird Geopolitik zunehmend zu einem entscheidenden Standortfaktor – mit direkten Auswirkungen auf die Finanzierung.

Welche Anforderungen stellen Kapitalgeber heute in Bezug auf ESG-Kriterien und geopolitische Resilienz?

ESG ist im Finanzierungsprozess nicht mehr optional. Finanzierungspartner haben mittlerweile ihren eigenen ESG-Questionnaire für ihre Kreditprozesse. Das gehört zum Standard.

Auch wenn ESG politisch aktuell etwas weniger Präsenz hat – auf der Finanzierungsseite ist das Thema sehr präsent und bleibt es auch. So wird beispielweise eine Berücksichtigung von Biodiversitätsrisiken im Zusammenhang mit Klimarisiken regulatorisch zunehmend gefordert.

Trotzdem stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, kurzfristige Resilienz gegen langfristige ESG-Ziele abzuwägen. Wie können sie Prioritäten setzen?

Klar ist: In wirtschaftlich unsicheren Zeiten dominieren die kurzfristigen Finanzierungsanliegen. Liquidität, Lieferketten, Energieversorgung – das sind ganz reale Themen. ESG-Ziele verschwinden dadurch aber nicht aus dem Blick. Der EU Green Deal bleibt eine strukturelle Entwicklung, die weiterhin auf der Agenda ist.

Ich erlebe, dass viele Unternehmen versuchen, beides zusammenzudenken – aber eben situationsabhängig priorisieren. Und das ist auch richtig so.

Gibt es ein konkretes Beispiel aus deiner Beratungspraxis, wo das gut funktioniert hat?

Ja, wir haben zum Beispiel ein Unternehmen unterstützt, das sich eine mittelfristige ESG-Agenda gegeben hat. Die Lösung bestand darin, die kurzfristige Bankenfinanzierung mit langfristigen Fördermitteln zu kombinieren, um Themen wie CO₂-Reduktion oder Investitionen in die digitale Infrastruktur voranzubringen.

Wie entwickelt sich das Zusammenspiel von ESG, Infrastruktur und Geopolitik künftig weiter?

Der Schlüssel liegt in der Messbarkeit. Sobald die ESG-Relevanz für die Bestimmung des Zinssatzes für einen Kreditgeber klar quantifizierbar ist, lassen sich auch Preise und Anreize besser zuordnen – ähnlich wie bei klassischen Kreditratings.

Die Erwartung ist, dass Unternehmen mit hoher ESG-Relevanz auf ein breiteres Finanzierungsinteresse stoßen. Eine breitere Auswahl an Finanzierungspartnern wird diesen Unternehmen dann die Möglichkeit geben, ihre Finanzierungskosten zu optimieren.

Was sind deine drei Empfehlungen für Unternehmen, die heute nachhaltig investieren wollen?

1. Flexibel bleiben

ESG und Resilienz sind keine Gegensätze. Ein gutes Unternehmen sollte in der Lage sein, Prioritäten situativ neu zu bewerten – ohne sich dogmatisch auf ein Thema zu versteifen.

2. Langfristige Trends nicht aus dem Blick verlieren

Der Klimawandel ist ein dauerhaftes Thema. Auch wenn kurzfristige Handlungsnotwendigkeiten die Aufmerksamkeit verschieben, bleibt er eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Unternehmensstrategien, die nur auf tagesaktuelle Themen reagieren, greifen zu kurz. Wer zukunftsfähig bleiben will, sollte langfristige Trends wie den Klimawandel konsequent mitdenken und in Entscheidungen berücksichtigen.

3. Saubere Vorbereitung von ESG-Finanzierungen

ESG-Finanzierungen sind anspruchsvoll. Es reicht nicht zu sagen: „Wir machen das jetzt“. Man braucht KPIs, eine klare Zielsetzung und sollte wissen, was die Finanzierungspartner erwarten.

Zum Abschluss noch ein kurzer Ausblick auf dein Panel beim Zukunftsgipfel am 25. Juni 2025. Was wird dort euer Thema sein?

Ich diskutiere mit Planet A und Sunfire – also Akteuren, die tief in der Energietransformation stecken. Im Mittelpunkt steht, wie sich diese Transformation skalierbar und effizient finanzieren lässt – insbesondere bei jungen Unternehmen in einem dynamischen, technologisch geprägten Umfeld.