Entwicklung unserer Infrastruktur – das wird wichtig

Geopolitische Konflikte und der Klimawandel nehmen großen Einfluss auf neue Projekte.

2023 könnte ein Jahr der Entscheidungen für unsere Gesellschaft und die Zukunft zahlreicher Unternehmen sein, die noch lange nachwirken und auf die spätere Generationen mit Bewunderung oder im negativen Fall Geringschätzung zurückzuschauen.

Besonders wichtige Entscheidungen warten auf uns im Bereich der Infrastruktur. Wie muss ein Land, ein Unternehmen ausgestattet sein, damit die Wirtschaft reibungslos und zuverlässig funktioniert? Mit dieser Frage, auf die es sehr umfangreiche und umfassende Antworten gibt, beschäftigen wir uns bei KPMG schon sehr lange. Die Ergebnisse fassen wir jährlich in der englischsprachigen Studie „Emerging Trends in Infrastructure“ zusammen. Die aktuelle Ausgabe lesen Sie hier.

Bei der Frage, wie sich Unternehmen in den USA, aber auch in Europa und Asien fit für die Zukunft machen und wie die wichtigsten Trends im Bereich Infrastruktur aussehen, stechen für mich vor allem drei Punkte heraus.

  1. Decoupling mit Flexibilität begegnen

Die aktuellen Entwicklungen zeigen es deutlich: Die Bande, die die geopolitische Welt einst verbunden haben, werden schwächer. In den vergangenen drei Jahrzehnten war die Wirtschaft in Europa, Asien und den USA von einer immer stärkeren globalen Vernetzung der Wirtschaftsaktivitäten geprägt. Auf nationaler und regionaler Ebene ist die Abkehr vom globalen und geopolitischen Konsens klar zu erkennen. Es entstehen gleich mehrere Bruchstellen auf handelspolitischer Ebene, aber auch wenn es um Nachhaltigkeitsfragen oder regulatorische Richtlinien geht. Vor allem zwischen den Wirtschaftsmächten China und den USA sind diese Entkopplungstendenzen zu beobachten. Sie schwächen die Grundlagen der Globalisierung. Wenn wir nicht vorsichtig sind, riskieren wir viel von dem zu verlieren, was die internationale Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht und aufgebaut hat.

Doch es gibt Hoffnung: Denn die Infrastruktur ist einer der wenigen Bereiche, bei dem global Einigkeit darüber besteht, dass neue und bessere Technologien, Straßen, Schienen und Stromleitungen und so weiter wichtig sind. Eine gute Ausstattung kann zudem das Vertrauen der Menschen in ihre Regierungen stärken. Denn Verbesserungen in der Infrastruktur sind sofort stark spür- und sichtbar für die Menschen.

Aktuell scheint es wegen der Decoupling-Tendenzen aber schwieriger denn je, Infrastrukturen nachhaltig zu verbessern. Traditionelle Lieferrouten und Lieferketten zum Beispiel können wegen des Kriegs in der Ukraine nicht oder nur teilweise genutzt werden. Handelskonflikte lassen die Kosten explodieren, hinzu kommen fragmentierte und zahlreiche Gesetzesgrundlagen in den Ländern.

Ein großes Risiko besteht darin, dass die komplexen Herausforderungen das Tempo der Entscheidungsfindung in Unternehmen verlangsamen. Genau jetzt ist jedoch Handeln angesagt. Die Bevölkerungen brauchen mehr Infrastruktur und klare Führung. Neue geopolitische und sicherheitsrelevante Herausforderungen sollten beim Planen von neuen Infrastrukturprojekten mitbedacht und im Auge behalten werden. In einer Welt, die instabiler und unübersichtlicher wird, sind Bewusstsein und Flexibilität der Schlüssel zu ganzheitlich gedachten Infrastrukturprojekten.

  1. Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung

Überschwemmungen, Wirbelstürme, Hitzeperioden – natürlich müssen wir 2023 auch über die Folgen des Klimawandels sprechen und vor allem darüber, wie wir die Erderwärmung verlangsamen können. Unternehmen aus dem Energiesektor und Infrastruktur-Akteuren kommt dabei aktuell und in Zukunft eine große Bedeutung zu. Die Kunst wird darin bestehen, Ansätze zu finden, die dazu beitragen, das Trilemma von Sicherheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit zu lösen. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren global viele Unternehmen stark in die Forschung für sauberere Kraftstoffe, Kohlenstoffreduzierung und Energieeffizienz investieren werden.

Die Verantwortlichen sollten alte Denkweisen hinter sich lassen und dem Thema Nachhaltigkeit bei Entscheidungsfindungen eine große Bedeutung zukommen lassen. In diesem Jahr wird das Thema Nachhaltigkeit stärker formalisiert und reguliert und zur Grundvoraussetzung für neue Infrastrukturprojekte. Jetzt, wo die Gesellschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit in die Enge getrieben ist, sollten die Menschen anfangen, anders zu denken.

  1. Investitionen in „freundliche“ Märkte

In diesem Jahr werden voraussichtlich viele Unternehmen damit beginnen, ihre Lieferketten grundlegend umzustrukturieren. Wenn sie es nicht schon längst getan haben. Gründe dafür gibt es einige. Die von mir bereits beschriebenen Decoupling-Tendenzen, den Krieg in der Ukraine oder die zahlreichen unterschiedlichen rechtlichen Vorschriften in Europa, den USA und Asien.

Nun scheinen Investitionen in „freundliche“ Märkte und Lieferanten plötzlich eine kluge Idee zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung der Lieferketten. Es geht auch um die Sicherung der Infrastruktur. Man will sich sicher sein, mit wem man es zu tun hat, wer die gleichen Werte teilt, wer nach gewissen Standards handelt, und so Unsicherheiten weitestgehend vermeiden. Regierungen erkennen zunehmend, dass ihre Vermögenswerte durch eine unsichere Versorgung gefährdet sein könnten. Und sie unterstützen die Infrastruktureigentümer bei der Entscheidung, woher sie wichtige Ausrüstungsgegenstände beziehen und mit wem sie zusammenarbeiten können.

Wie die meisten Lieferketten-Manager wissen, kostet es viel Zeit, Mühe und Investitionen, die Lieferketten zu überarbeiten, neue Lieferanten und sichere Routen zu finden. Die Entscheidung so wie einst von den Kosten abhängig zu machen, war ziemlich einfach. Die Lieferketten nun aber so zu strukturieren, dass man mit „freundlichen“ Märkten und Partnern zusammenarbeitet, ist wesentlich anspruchsvoller. Aber eben auch krisenfester. Und nebenbei steht man auch für einen bestimmten Wertekompass ein, der Stakeholdern zeigt, welchen Wertekanon man sich auferlegt.