Bagger von oben, baggert Rohstoff ab

EU-Rohstoffgesetz: Was ist davon zu halten?

Kobalt, seltene Erden, Silizium: Bei vielen Rohstoffen hängt Europa von Importen ab.

Der internationale Wettlauf um Rohstoffe und Energie hat schon lange vor der aktuellen Energiekrisensituation begonnen. In Deutschland und Europa ist nunmehr aber unmittelbar klar geworden, dass erheblicher Handlungsbedarf besteht, um bei der Rohstoffversorgung nicht abgehängt zu werden. Rohstoffe sind für das Gelingen einer grünen und digitalen Transformation einer Industriegesellschaft essenziell. Nicht zuletzt hängen wichtige Innovationen davon ab. Werden in Europa Computerchips oder Batterien für E-Autos hergestellt, steckt auch immer ein bisschen China, Südafrika oder ein anderer Produzent kritischer Rohstoffe im europäischen Produkt. Somit wird die Liefersituation zu einer strategischen Grundlage für ganze Geschäftszweige.

Das EU-Rohstoffgesetz ist längst überfällig

Mit Zunahme der geopolitischen Krisen und Decoupling-Entwicklungen ist es für Europa unerlässlich, Strategien gegen Rohstoffabhängigkeiten zu entwickeln. Mit einer Gesetzesinitiative beabsichtigt die EU-Kommission nun also eine langfristige Grundlage zu schaffen, eine strategische Unabhängigkeit der EU von Importen kritischer Rohstoffe aus Drittstaaten zu erreichen.

Das sogenannte EU-Rohstoffgesetz, der Critical Raw Materials Act (CRMA), ist längst überfällig und notwendig. Die Auflistung kritischer und strategischer Rohstoffe wird fortlaufend aktualisiert. Durch das Monitoring wird es möglich sein, frühzeitig Entwicklungen und Risiken zu erkennen und entsprechende Anpassungsmaßnahmen einzuleiten.

In der Grafik sehen Sie die Länder, auf die der größte Anteil des weltweiten Angebots an seltenen Erden entfällt.

Diese Ziele will die EU durch das Gesetz bis 2030 erreichen:

  • Eigengewinnung: mindestens zehn Prozent des Jahresverbrauchs der EU
  • (Weiter-)Verarbeitung: mindestens 40 Prozent des Jahresverbrauchs in der EU
  • Recycling: mindestens 15 Prozent des Jahresverbrauchs soll aus der der europäischen Kreislaufwirtschaft kommen
  • Diversifizierung: Nicht mehr als 65 Prozent des Jahresverbrauchs der EU an jedem strategischen Rohstoff soll aus einem einzigen Drittland stammen. Das heißt, die EU soll von keinem Drittland zu mehr als 65 Prozent abhängig sein.

Die Alternativen zu Ländern, die Unternehmen der EU und deren Mitgliedsstaaten mit kritischen Rohstoffen beliefern, sind überschaubar. Ein Hauptziel des CRMA ist deswegen die Diversifizierung und Eigengewinnung. Als Ansatz für die weitere Diversifizierung steht die Gründung eines „Club für Critical Raw Materials“, den die EU gemeinsam mit interessierten Ländern aufbauen möchte, zur Diskussion. Der Verbund kann zum Beispiel Unternehmen dabei unterstützen, Zulassungs- und Genehmigungsverfahren zu verkürzen und die Finanzierung der Projekte zu sichern.

Zerfaserte Finanzierung kann zu Wettbewerb unter den Ländern führen

Aber: Auf EU-Ebene sieht das Rohstoff-Gesetz keine direkte finanzielle Unterstützung für strategische Rohstoffprojekte vor, etwa Subventionen. Die Umsetzung hierfür gibt die EU an ihre Mitgliedsstaaten weiter. Unseres Erachtens sollten – angesichts des benötigten Investitionsbedarfs – aber über die Finanzierung strategischer Projekte aus EU-Mitteln erwogen werden. Denn aus den Erfahrungen der Energiekrise und dem unabgestimmten Einkauf von Rohstoffen innerhalb der EU besteht das Risiko, das die Finanzierung und Umsetzung strategischer Projekte zu einem Wettbewerb unter den einzelnen Mitgliedstaaten führt. Ein Wettbewerb an einer Stelle, die eher das Bündeln vorhandener Kräfte, Geschlossenheit und gemeinsames Handeln braucht.

Einen Schwerpunkt legt das Gesetz auf das Thema Recycling und die Kreislaufwirtschaft. Klar ist, dass durch Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Ressourceneffizienz erhebliche Potenziale gehoben werden können. Das Gesetz sieht daher eine Erhöhung des Recyclingziels für alle kritischen Rohstoffe vor. So sollen mindestens 15 Prozent des Jahresverbrauchs der EU- Mitgliedsstaaten aus dem Recycling stammen. Einige Mitgliedsstaaten sprechen sich sogar für eine höhere Recyclingquote aus. Wie aber so eine erhöhte Quote erreicht werden kann, ist noch völlig unklar. Das Know-how, die finanziellen Mittel und vor allem die Technologien sind für so eine kreislauforientierte Wirtschaft in Europa teilweise noch nicht vorhanden. Hier gilt es anzusetzen. Aus unserer Sicht ist eine Kreislaufwirtschaft in diesem Bereich einer der wichtigsten Hebel, um sich bei Rohstoffversorgung unabhängiger zu machen, den Bedarf an kritischen Rohstoffen zu verringern und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Ein gutes Beispiel, wie Recycling eines Rohstoffs gelingen kann, ist grünes Glas. Hier liegt die Recyclingquote bereits bei rund 80 Prozent.

Die Grafik zeigt die aktuelle Liste der europäischen Union mit 34 kritischen und strategischen Rohstoffen.

Einige Rohstoff-Lieferanten haben bei der Lieferung der Rohstoffe eine Monopolstellung. China zum Beispiel ist 100 Prozent-Lieferant für schwere seltene Erden und zu 85 Prozent für leichte seltene Erden. Für einige Sektoren und Branchen, etwa für Erneuerbare Energien und die digitale Industrie, die Luft- und Raumfahrt, die Verteidigung und das Gesundheitswesen sind kritische Rohstoffe unverzichtbar. Und genau wie bei den Autobauern auch, wird die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen in den kommenden Jahren drastisch steigen. In Anbetracht dieser Entwicklung und der zunehmenden geopolitischen Instabilität sind verstärkte Anstrengungen erforderlich, um den Zugang und die Versorgung der Wirtschaft dauerhaft zu sichern. Daher liegt es in der Verantwortung der Europäischen Union, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen nicht nur zu sichern, sondern erheblich zu steigern und zu diversifizieren.

Europas Weg zum Vorreiter in Sachen Klimaneutralität

Das Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um sich unabhängiger von Rohstoff-Lieferungen aus China und anderen Ländern zu machen. Und es trägt dazu bei, Europa den Weg zum Vorreiter in Sachen Klimaneutralität zu sichern. Unternehmen können bereits jetzt zur Sicherung ihrer Lieferketten für kritische Rohstoffe die Zusammenarbeit mit anderen Ländern intensivieren, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Konkret können sich die Firmen zum Beispiel zu Förderkriterien für gemeinsame Investitionen in strategische Projekte zusammenfinden.

Was ist nun davon zu halten? Viel!