Symbolbild zur EUDR; Ein Regenwald wird gerodet

EUDR: Die häufigsten Irrtümer von Unternehmen

Viele glauben zu Unrecht, dass die Entwaldungsverordnung der EU sie nicht betrifft.

Schon der Name der Verordnung ist irreführend. „Entwaldungsverordnung“ klingt eher nach einem Regelwerk für die Land- oder Forstwirtschaft. Das ist sie aber nicht, zumindest nicht nur. Tatsächlich betrifft sie Händler und produzierende Unternehmen aller Sektoren. Und zwar insbesondere diejenigen, die mit Rohstoffen und Erzeugnissen handeln, für deren Anbau in der Vergangenheit – meist außerhalb Europas – Flächen entwaldet worden sind. Um die Abholzung von Wäldern im Sinne des Klimaschutzes zu verhindern, hat die EU die Deforestation Regulation, abgekürzt EUDR, beschlossen. Sie ist im Juni 2023 in Kraft getreten und findet nach aktuellem Stand bereits ab dem 30. Dezember 2024 Anwendung. Die EUDR bestimmt: Relevante Produkte und Erzeugnisse, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht oder ausgeführt werden, müssen entwaldungsfrei sein, gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt sein, und für sie muss eine Sorgfaltserklärung vorliegen. Die Umsetzung der Verordnung kann sehr aufwändig sein. Betroffene Unternehmen sollten daher schnellstmöglich aktiv werden. Auch Hersteller und Händler, die keine direkten Verpflichtungen aus der Verordnung haben, sollten sich mit der Thematik auseinandersetzen. Denn relevante Rohstoffe oder Produkte könnten knapp werden. Dennoch handeln noch längst nicht alle. Denn es kursieren viele Irrtümer zur EUDR. Wir klären die acht häufigsten auf:

Irrtum 1: Die EUDR betrifft nur Importeure von Rohstoffen

Einige meinen, ihr Unternehmen sei nicht betroffen, weil es keine Rohstoffe importiert. Verpflichtungen aus der Entwaldungsverordnung haben jedoch alle Wirtschaftsakteure, die entweder mit den Rohstoffen Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz oder mit relevanten daraus hergestellten Erzeugnissen handeln oder diese verwenden. Welche Erzeugnisse betroffen sind, ist in Anhang I zur EU Deforestation Regulation festgelegt. Darunter fallen unter anderem viele Baustoffe aus Holz, Papier, Fleischerzeugnisse, Schokolade, Kautschukdichtungen und Reifen. Aktiv werden sollten daher insbesondere folgende Sektoren: Land- und Forstwirtschaft, Automotive, Industrial Manufacturing, Handel, Chemie, Pharma, Papier- und Druckindustrie und Bau.

Irrtum 2: Wenn man die Rohstoffe nur in geringem Umfang nutzt, ist der Aufwand gering

Ein Bauunternehmen, das nur in sehr geringem Maße Holz verbaut, oder eine Kantine, die nur ein paar Schokoriegel verkauft, könnte annehmen, dass die Umsetzung der Verordnung wenig Aufwand verursacht. Dies ist leider ein Irrtum. Denn es spielt keine Rolle, wie viele Lieferungen ein Unternehmen bezieht und wie groß diese sind. Folgende Maßnahmen muss es, je nach Rolle und Größe des Unternehmens, durchführen, wenn es die Produkte nicht komplett aus dem Sortiment nimmt: Informationen sammeln, eine Risikobewertung durchführen und – soweit nötig – Risikominimierungsmaßnahmen ergreifen. Der gesamte Risikominimierungsprozess muss nach der Verordnung in einer angemessenen Governance-Struktur verankert werden.

Irrtum 3: Unternehmen, die Rohstoffe weiterverarbeiten, bringen sie nicht in Verkehr

Viele glauben, dass sie die EUDR nicht beachten müssen, wenn sie relevante Rohstoffe oder Erzeugnisse nur weiterverarbeiten. Die EU-Verordnung umfasst jedoch sowohl das Bereitstellen auf dem Markt als auch die Ausfuhr von Waren. Auch relevante Rohstoffe und Erzeugnisse, die in der EU gewonnen oder hergestellt werden, sind betroffen. Voraussetzung ist, dass die Produkte entgeltlich oder unentgeltlich zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit erstmalig abgegeben werden. Gleiches gilt auch für in der EU hergestellte Erzeugnisse, die in Länder außerhalb der EU ausgeführt werden. Bei Einfuhrwaren gilt: Inverkehrbringer ist das Unternehmen, das die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr überführt.

Allerdings gibt es für Produzenten und Händler auch Möglichkeiten, ihr wirtschaftliches Bedürfnis zu erfüllen, ohne in den Anwendungsbereich der EUDR zu fallen. Nutzen sie zollrechtliche Verfahren wie die aktive Veredelung, das Zoll-Lagerverfahren oder die vorübergehende Verwahrung mit anschließender Wiederausfuhr, müssen sie die Waren nicht in Verkehr bringen.

Nicht unter die EUDR fällt, wer bereits in der EU in Verkehr gebrachte relevante Produkte erwirbt und diese zu Produkten weiterverarbeitet, die keine relevanten Erzeugnisse im Sinne der Verordnung sind.

Irrtum 4: Bei Verstößen gegen die EUDR riskiert man höchstens Bußgelder

Kommen Unternehmen den Sorgfaltspflichten der Entwaldungsverordnung nicht nach, riskieren sie Bußgelder von bis zu vier Prozent des unionsweiten Jahresumsatzes. Doch das ist nicht alles. Produkte, die die Anforderungen der EUDR nicht erfüllen, sind auf dem EU-Markt künftig nicht mehr verkehrsfähig. Es drohen dann die Beschlagnahme und Vernichtung betroffener Waren, die Abschöpfung von Verkaufserlösen und weitere Sanktionen.

Vielen ist nicht bewusst, dass Verstöße gegen die EUDR auch steuer- und zollrechtliche Folgen haben können. Einfuhren und Ausfuhren von Waren ohne die vorherige Abgabe der erforderlichen Sorgfaltserklärung könnten als Bannbruch im Sinne der Abgabenordnung geahndet werden. Unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben zu EUDR-relevanten Waren gegenüber den Zollbehörden stellen ein Zollvergehen da, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Überlassung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr führen. Bei wiederholten zollrechtlichen Verstößen droht Unternehmen sogar die Rücknahme einer erteilten Bewilligung als zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AEO = Authorized Economic Operator) und der daran geknüpften Vereinfachungen. Auch Unternehmen, die nicht den AEO-Status besitzen, droht bei Verstößen der Entzug notwendiger zollrechtlicher Vereinfachungen, ohne die eine Just-in-time-Fertigung nicht möglich wäre.

Irrtum 5: Alle Pflichten aus der EUDR können mit Hilfe eines Tools erfüllt werden

Leider gibt es keine digitale Anwendung, die alle Pflichten aus der Entwaldungsverordnung automatisch erfüllt. Viele Maßnahmen können nur manuell erfolgen: Es müssen die Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette ermittelt und kontaktiert werden. Herausfinden müssen Unternehmen Informationen zu Produktzusammensetzungen und zur Geolokalisierung der Grundstücke, von denen relevante Rohstoffe stammen. Außerdem muss das europäische Unternehmen überprüfen, ob die Rohstoffe im Einklang mit lokalen Gesetzen gewonnen wurden. Auch dieser Prozess wird vielfach nicht digitalisierbar sein. IT-gestützte Lösungen können zwar den Sorgfaltspflichtenprozess maßgeblich unterstützen und den Austausch und das Management großer Datenmengen in der Lieferkette erleichtern. Alle Schritte ausführen können sie in absehbarer Zeit jedoch nicht.

Irrtum 6: Es ist ausreichend, die direkten Lieferanten zu überprüfen

Unternehmen müssen nach der EU Deforestation Regulation die gesamte Lieferkette überprüfen – bis hin zu den Erzeugern der Rohstoffe.

Insbesondere wenn Rohstoffe nach dem Abbau direkt vermischt werden, kann die Rückverfolgung einer Lieferung auf bestimmte Anbaubetriebe sehr schwierig sein. Eine rein buchhalterische Trennung von EUDR-konformen und nicht-konformen Rohstoffen ist nicht zulässig, ebenso wenig wie Masse-Bilanz-Systeme. In diesen Fällen müssen Rohstoffe physisch getrennt ihre Reise durch die Lieferkette antreten. Dass sich der Sorgfaltspflichtenprozess bis zu den Erzeugern der Rohstoffe erstreckt, bedeutet allerdings nicht, dass ein EU-Unternehmen alle Glieder der Lieferkette im Detail überwachen muss. Die Anforderungen der EUDR sollten stattdessen kaskadenförmig über die Lieferkette heruntergebrochen und relevante Informationen in der Lieferkette zurück bis zum Händler oder verarbeitenden Betrieb geteilt werden. Hierfür muss das Unternehmen Informationen, Nachweise und Zertifikate einholen.

Irrtum 7: Die Vorlage von Sorgfaltserklärungen von Lieferanten ist ausreichend

Entgegen der Annahme vieler Unternehmen ist es nicht ausreichend, Sorgfaltserklärungen der Lieferanten vorzulegen. Vielmehr ist ein kompletter Risikominimierungsprozess zu etablieren. Dieser muss in einer angemessenen Governance-Struktur verankert werden. Betroffene Unternehmen müssen selbst prüfen, ob vorgelagerte Marktteilnehmer und Händler die Sorgfaltspflichten einhalten. Wenn nötig, müssen sie weitere Informationen, Daten und Unterlagen einholen, um nachzuweisen, dass das Produkt den Vorgaben der Verordnung entspricht und alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Irrtum 8: Es bleibt ausreichend Zeit für die Umsetzung, da der Start der EUDR verschoben wird 

Die EU-Kommission hat am 2. Oktober 2024 vorgeschlagen, die Anwendung der EUDR um ein Jahr zu verschieben. Damit hat sie der zunehmenden Kritik aus Politik und Wirtschaft sowie der Rückmeldung internationaler Partner Rechnung getragen. Die Kommission möchte so den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Vorbereitung verschaffen. Sofern das EU-Parlament und der Rat der Verschiebung zustimmen, würde die Verordnung ab dem 30. Dezember 2025 für Großunternehmen und ab dem 30. Juni 2026 für Kleinst- und Kleinunternehmen anzuwenden sein. Auch wenn die EUDR erst ein Jahr später in Kraft tritt, sollten betroffene Unternehmen schnellstmöglich einen Sorgfaltspflichtenprozess etablieren. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Unternehmen die zusätzlich eingeräumte Zeit für die Umsetzung auch benötigen werden.

Fazit: Der Aufwand für die Wirtschaft ist deutlich höher als vielfach angenommen

Nicht nur die Zahl der verpflichteten Unternehmen ist deutlich höher als viele annehmen. Auch der Umfang der zu erledigenden Maßnahmen ist unter Umständen größer als gedacht. Handeln sollten nicht nur die direkt von der Verordnung betroffenen Unternehmen. Auch Wirtschaftsakteure der nachgelagerten Lieferkette, deren Erzeugnisse nicht erfasst sind, die aber auf die Lieferung der relevanten Rohstoffe oder Erzeugnisse angewiesen sind, sollten Maßnahmen ergreifen. Auch sie sollten sich bei ihren Lieferanten informieren, ob die Produkte die Anforderungen der EUDR erfüllen. Ansonsten könnten auch bei ihnen bald die Produktionsbänder stillstehen.