Symbolbild für Fehler im CSRD-Report: Geschäftsleute sitzen am Tisch, Modelle von Windkrafträdern stehen vor ihnen.

Fehler im CSRD-Report - diese Personen haften dafür

Die Berichterstattung ist ein Haftungsrisiko; Unternehmen sollten sich schützen.

Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder tragen eine große Verantwortung, auch in strafrechtlicher Hinsicht. Immer mal wieder steht das Top-Management tatsächlich vor Gericht. Im Raum stehen dann zum Beispiel Insolvenzdelikte, Untreuestrafbarkeiten oder die Verletzung von Bilanzvorschriften. Der große Thementreiber ESG wirft nun eine weitere Frage auf: Ist eine fehlerhafte Berichterstattung nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ein weiteres Haftungsrisiko für Deutschlands Chefetagen?

Ab dem Berichtsjahr 2024 müssen große Unternehmen nach der CSRD in ihren Lageberichten auch Nachhaltigkeitsthemen dokumentieren. Dabei sind Standards zu beachten, die die EU-Kommission auf der Basis der sogenannten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erlässt. Später wird die Berichtspflicht auch für kleinere Unternehmen gelten. Rund 49.000 Unternehmen werden EU-weit betroffen sein. Doch was sind die Folgen, wenn Fehler passieren, und welche Personen haften dafür? Sehr wahrscheinlich ist: Nicht nur das Unternehmen selbst kann Schaden nehmen. Und wahrscheinlich ist auch:  Umweltorganisationen und die Presse werden die Unternehmen genau beobachten und Verstöße oder fehlerhafte Angaben unter dem Schlagwort „Greenwashing“ publik machen. Dabei ist in diesem Zusammenhang „Greenwashing“ weit mehr als ein Kavaliersdelikt.

Von der Berichtspflicht betroffene Gesellschaften und deren Organe sollten daher wissen: Was droht bei Fehlern außer einer Rufschädigung und wer im Unternehmen muss dafür geradestehen?

Wie kann es zu Fehlern im CSRD-Report kommen?

Es gibt verschiedene Gründe für Fehler bei der Berichterstattung.

Eine der häufigsten Ursachen für Fehler wird die Überforderung der Organisation mit den neuen Prozessen sein. ​Kennzahlen erfordern Kenntnisse der Prozesse​. Rechtliche Rahmenbedingungen bilden beispielsweise einen Mindeststandard für die Kennzahlen​. Wird das Reporting als Marketinginstrument verstanden statt als harte rechtliche Pflicht, unterliegt es möglicherweise auch keinen strikten Kontrollprozessen.

Zu Fehlern oder Mängeln im Reporting kann es auch kommen, wenn die Datenlage oder die Datenqualität nicht ausreicht. Insbesondere international tätige Unternehmen müssen Daten konsolidieren und mit den unterschiedlichen lokalen Anforderungen umgehen.​ Denn Anforderungen an die Datenspeicherungen und Umfang der benötigten Daten variieren. Werden nicht ausreichend Daten erhoben, erlaubt dies keine Vergleichbarkeit.​

Eine dritte Ursache für Fehler bei der Berichterstattung ist eine unzutreffende Auslegung der CRSD und der Reportingstandards. Die Richtlinie und auch die Standards enthalten viele unklare und auslegungsbedürftige Begriffe. Außerdem müssen Unternehmen die für sie relevanten Themen definieren. Das heißt, Kennzahlen werden durch bestehende rechtliche Anforderungen beeinflusst oder gar definiert​. Fehlt es an einer klaren Übersicht über den bestehenden rechtlichen Rahmen, kann ein mangelhaftes Reporting die Folge sein.

So können sich Fehler für das Unternehmen auswirken

Ist die Berichterstattung nicht ordnungsgemäß, stellt sich zunächst die Frage nach der Auswirkung auf das Unternehmen selbst.

  • Dieses muss vor allem mit Bußgeldern rechnen. Zwar gibt es momentan für die CRSD noch kein Sanktionsregime. Es ist aber wahrscheinlich, dass – zumindest bei kapitalmarktorientierten Unternehmen – in Anlehnung an §§ 331, 334 HGB bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes oder 10 Millionen Euro fällig werden können. Für fahrlässig fehlerhafte Angaben müsste das Unternehmen nicht haften, wohl aber für Aussagen, die mit sogenanntem bedingtem Vorsatz getroffen wurden. Das sind Aussagen, bei denen man sich bewusst ist, dass sie möglicherweise nicht stimmen, also Aussagen „ins Blaue hinein“. Auch riskieren Unternehmen ein Bußgeld, wenn sie bei vermuteten Fehlern wegsehen oder eine Thematik bewusst ignorieren.
  • Unternehmen müssen bei Fehlern außerdem mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Wettbewerber könnten zum Beispiel wegen unlauterem Wettbewerb klagen.
  • Daneben könnten andere Unternehmen (Vertragspartner, Anleger, Kunden etc.) deliktische Ansprüche geltend machen, zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen Kapitalanlagebetrugs. Ansprüche aus Prospekthaftung, §§ 97, 98 WpHG kommen ebenfalls in Betracht.
  • Zusätzlich zum materiellen Schaden dürfte das Unternehmen einen nicht unwesentlichen immateriellen Schaden in Form eines Reputations- und Vertrauensverlustes erleiden. Dieser hat wiederum Auswirkung auf den Aktienkurs und auf Refinanzierungsmöglichkeiten. Ein schlechter Ruf und mangelndes Vertrauen könnten sich zudem in den Auftragsbüchern niederschlagen.

So haftet der Vorstand für Fehler im CSRD-Report

Der Vorstand hat grundsätzlich Organisationspflichten. Das heißt, er muss das Unternehmens so organisieren, dass die Rechtspflichten erfüllt werden können. Die Erstellung des Lageberichts einschließlich der CSRD-Berichterstattung ist sogar genuine Vorstandsaufgabe. Das bedeutet, der Vorstand ist primär für die Erstattung und die Richtigkeit des CSRD-Berichts verantwortlich.

Enthält das Reporting Fehler, haftet der Vorstand doppelt: Er kann zum einen – genau wie das Unternehmen selbst – bußgeldpflichtig werden. Sogar eine Verhängung von Freiheitsstrafen gegen Vorstandsmitglieder ist in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn bewusst Greenwashing betrieben wird. Zum anderen macht er sich seinem Unternehmen gegenüber regresspflichtig, wenn dieses mit Sanktionen belegt wurde.

Auch der Aufsichtsrat kann haften

Auch der Aufsichtsrat hat zusätzliche Aufgaben beim Thema ESG: Er überwacht den Vorstand, auch bei der Umsetzung der CSRD. Er berät den Vorstand bei der Strategie, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Den Lagebericht des Vorstands hat der Aufsichtsrat zu prüfen. Wie weit die Prüfungspflicht reicht, also wie tief der Aufsichtsrat in die Materie einsteigen muss, ist noch nicht ganz geklärt. Er muss den Bericht aber auf jeden Fall auf Plausibilität kontrollieren.

Auch gegen den Aufsichtsrat kann – genau wie gegen den Vorstand – ein Bußgeld verhängt werden, wenn der Bericht fehlerhaft ist. Ebenso ist der Aufsichtsrat gegenüber dem Unternehmen regresspflichtig, wenn er seine Kontrollpflichten verletzt. Das wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Aufsichtsrat Anhaltspunkte für Mängel des Reports hat und trotzdem nicht einschreitet.

Eine ESG-Governance schützt die Beteiligten vor Haftung

Unternehmen und Organe können einer Haftung mit einer ESG-Governance vorbeugen.

Hierfür bedarf es zunächst einer ESG-Strategie. Für diese gilt folgender Grundsatz: Die Nachhaltigkeitsziele und die Nachhaltigkeitsstrategie werden klar definiert und stehen im Einklang mit der gesamten Unternehmensstrategie. Die Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt die in der Berichterstattung nach der CSRD und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz identifizierten Themen.

Zum Management der ESG-Themen brauchen Unternehmen eine angemessene und wirksame Organisation, sowohl auf Konzernebene als auch auf Gesellschaftsebene. Aufgaben im Rahmen von ESG sollten ordnungsgemäß delegiert werden. Auf eine ausreichende Expertise der Abteilung ist dabei zu achten. Es sollte unter anderem festgelegt werden, welchen Umfang die Delegation der Aufgaben hat. Idealerweise gibt es Aufgaben- und Rollenbeschreibungen. Außerdem sollte ein Unternehmen festlegen, an wen die Abteilung berichtet und wer der Abteilung gegenüber Bericht erstattet.

Wichtig für eine wirksame Governance sind Prozesse und Richtlinien zum Umgang mit der CSRD. Diese Prozesse sollten ordnungsgemäß dokumentiert werden und sicherstellen, dass sie unabhängig von den jeweils handelnden Personen funktionieren. Empfehlenswert ist auch ein Helpdesk, an das sich Mitarbeitende bei Fragen zu CSRD oder anderen ESG-Themen wenden können.

Eine ESG-Governance entwickelt sich weiter

Die ESG-Governance sollte sich einfügen in bereits bestehende Governance-Strukturen. Prozesse, die bereits gut laufen, können auch für das Thema CSRD genutzt werden.

Die mit der CSRD befassten Mitarbeitenden sollten initial und dann weiterhin regelmäßig geschult werden. Es ist in der Regel sinnvoll, alle Mitarbeitenden des Unternehmens über die ESG-Strategie und auch die Aufgaben und Zuständigkeiten bezüglich der CSRD zu informieren. Hierzu sollte am besten ein Kommunikationskonzept erstellt werden. In jedem Fall sollten HR und die Unternehmenskommunikation bei der Erstellung und Implementierung der ESG-Governance mit an Bord sein.

Verändern sich die Gegebenheiten im Unternehmen, zum Beispiel durch Expansion oder Umstrukturierungen, sollten die Verantwortlichen auch daran denken, die Governance einschließlich aller Prozesse zu überdenken und anzupassen.

Fazit

Die Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive bringt ein ernstzunehmendes Haftungsrisiko für das Unternehmen, die Geschäftsleitungsgremien und deren Mitglieder mit sich. Umso wichtiger ist daher, dass das Unternehmen sich frühzeitig und gründlich mit der CSRD auseinandersetzt und eine ESG-Governance etabliert. Damit ist der Vorstand seiner Pflicht erst einmal nachgekommen und es ist weniger wahrscheinlich, dass Fehler passieren. Und sollte es dennoch dazu kommen, ist das Haftungsrisiko der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zumindest geringer, da ihnen Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit vermutlich nicht vorgeworfen werden kann.