Keyfacts:
- Nicht die Technologie, sondern Überregulierung, komplexe Förderstrukturen und Investitionsanforderungen verhindern derzeit die Skalierung von Wasserstoffprojekten.
- Die Fertigstellung des Wasserstoff-Kernnetzes in Deutschland und der Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur sind zentrale Voraussetzungen für die Entwicklung eines funktionierenden Wasserstoffmarkts.
- Beim Import von grünem Wasserstoff zählen verlässliche Partnerschaften. Für Unternehmen empfiehlt es sich, schon jetzt gezielt diverse Lieferketten aufzubauen.
Die Bundesregierung sieht in grünem Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Doch auch wenn im Koalitionsvertrag einige Ziele genannt sind, fehlt es aktuell noch an Verbindlichkeit und Tempo. Aus unserer Sicht ist die Technologie selbst dabei nicht das Problem. Viel eher sind es zu komplexe Rahmenbedingungen, schwierige Förderzugänge, fehlende Planbarkeit und herausfordernde Finanzierungsanforderungen, die viele Projekte ausbremsen. Trotz funktionierender Elektrolyseure und Leitungen, die vielfach umrüstbar sind, stockt der Hochlauf.
Bürokratie bremst den Hochlauf
Förderprogramme für Projekte oder Initiativen rund um grünen Wasserstoff wie die IPCEI-Initiative (Important Projects of Common European Interest) oder H2Global existieren zwar, doch sind diese für viele Unternehmen schwer zugänglich. Die Beantragung oder Teilnahme an Ausschreibungen ist komplex und die Berichtspflichten aufwendig. Mittelständische Betriebe verfügen häufig nicht über die personellen Ressourcen, um solche Programme überhaupt zu nutzen, da in der Regel erheblicher personeller Aufwand für das Fördermittelmanagement entsteht.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Wirtschaftlichkeit, denn aktuell liegt der Preis für grünen Wasserstoff um ein Vielfaches über dem Preis von Erdgas. Selbst wenn Unternehmen also die Mittel haben, um Förderung zu beantragen, müssen Projekte bei diesen Voraussetzungen sehr effizient sein, um am Ende attraktiv zu sein. Bei den Importen von Wasserstoff sieht es ähnlich aus, Kostennachteile würden den Aufbau der jungen Wasserstoffwirtschaft bremsen. Hier gleicht zum Beispiel für Importe die H2Global Stiftung die Differenz zwischen Einkaufs- und Abnahmepreisen aus, um Kostennachteile des derzeit wenig liquiden Wasserstoffmarktes zu kompensieren.
Technische Realisierbarkeit ist vollends gegeben
Ein weiteres Hindernis stellt der komplexe regulatorische Rahmen dar, was als grüner Wasserstoff gilt. Besonders das sogenannte „Additionalitätsprinzip“, das den Bezug von Grünstrom für Elektrolyseure nur aus zusätzlichen Wind- und Photovoltaikanlagen zulässt, sorgt für Unmut. In Regionen wie Norddeutschland, wo der Anteil erneuerbarer Energien bereits über 90 Prozent liegt, blockiert diese Vorgabe den Hochlauf. Unserer Meinung nach sind diese Anforderungen zu eng und führen dazu, dass Projekte trotz vorhandenen Bedarfs nicht umgesetzt werden.
Klar gesagt sei zudem, dass es keine technologischen Hürden gibt, die den Hochlauf derzeit blockieren. Die Nutzung bestehender Gasnetze ist vielerorts möglich, weil diese sich in der Regel mit vertretbarem Aufwand umrüsten lassen. Auch der sogenannte Hochdruck-Backbone – das geplante Wasserstoff-Kernnetz – ist technisch realisierbar.
Unsicherheitsfaktor: Preis
Ein weiterer Grund des noch stockenden Hochlaufs liegt auf der Abnehmerseite. Auch dort herrscht Zurückhaltung, denn wer nicht mit zuverlässigen Preisen kalkulieren kann, trifft eher eine Entscheidung gegen eine Investition oder Nutzung von Wasserstoff. Auch wenn Studien eine sinkende Kostenkurve prognostizieren: In der Praxis reicht das nicht aus. Von unseren Kunden hören wir, dass jetzt politisch zugesicherte Maßnahmen für eine bessere Planbarkeit nötig sind und keine Modellrechnungen.
Erfolgreiche Projekte: Was heute schon möglich ist
Trotz der genannten Hürden werden schon heute Projekte erfolgreich umgesetzt, die die Zukunftsfähigkeit von grünem Wasserstoff demonstrieren. In Lingen hat ein führender deutscher Energiekonzern beispielsweise einen Elektrolyseur in direkter Nachbarschaft zu der Raffinerie eines internationalen Mineralölunternehmens errichtet. Der erzeugte Wasserstoff wird über einen langfristigen Abnahmevertrag geliefert, was die bereits angesprochene Planungssicherheit schafft. Solche Projekte funktionieren, weil sie klar strukturiert sind. Standort, Abnehmer, Infrastruktur – alles liegt nahe beieinander. Schwieriger wird es dort, wo größere Distanzen, internationale Lieferketten oder komplexe Netzanschlüsse hinzukommen.
Drei Empfehlungen für Entscheider:innen
Folgende drei Empfehlungen lassen sich schon heute für Entscheider:innen ableiten, die grünen Wasserstoff als Wettbewerbsvorteil nutzen wollen. Für weiterführende Informationen lesen Sie auch das Whitepaper „Wasserstoff: ein Schlüssel zur Energiewende?“.
Erstens: Analysieren Sie jetzt Ihre Rolle in der Wasserstoffwirtschaft – ob als Produzent, Nutzer oder Dienstleister. Je klarer Ihr Zielbild ist, desto schneller können Investitionen rentabel werden.
Zweitens: Sichern Sie sich einen strategischen Zugang zur Infrastruktur. Ohne Anbindung an Netze, Speicher oder Transportlogistik wird Wasserstoff zum Papiertiger.
Drittens: Denken Sie Förderungen mit. Wer sich frühzeitig auf komplexe Ausschreibungen vorbereitet und regulatorische Anforderungen durchdringt, kann sich einen signifikanten Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Der Wasserstoffmarkt steht nicht mehr am Anfang, sondern an einem Scheideweg. Die Technologie ist reif, die Bedarfe sind real, können aber nur bedient werden, wenn in Infrastruktur investiert und bürokratische Hürden abgebaut werden.