Hand schiebt Briefumschlag über den Tisch; andere Hand wehrt ab.

Hohes Korruptionsrisiko: globale Lieferketten

Korruption ist oft Ursache für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung.

Am 9. Dezember ist der internationale Antikorruptionstag. Er wurde von den Vereinten Nationen bereits im Jahr 2003 ins Leben gerufen. 18 Jahre später ist das Thema Korruption immer noch allgegenwärtig – in Deutschland, der EU und weltweit, wie aktuelle Vorkommnisse zeigen.

Das Bundeslagebild 2020 des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigt, dass Korruptionsstraftaten in Deutschland weiter zugenommen haben. Das BKA beziffert den Wert der dabei erlangten Vorteile auf fast eine halbe Milliarde Euro. Der Schaden für Dritte belief sich 2020 auf 81,2 Millionen Euro und ist damit um rund 72 Prozent höher als im Vorjahr. Es wurden beispielsweise im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Vorwürfe der Bestechlichkeit und des Amtsmissbrauchs durch Verantwortung tragende Abgeordnete bei der Beschaffung von Masken geäußert. In der KPMG-Studie zur Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2020 schätzen 45 Prozent der befragten Unternehmen das Risiko, zukünftig von einem Korruptionsfall betroffen zu sein und dafür die Verantwortung tragen zu müssen, als hoch oder sehr hoch ein.

Die Bedeutung der Korruptionsprävention in globalen Lieferketten

In diesem Zusammenhang sollten deutsche Unternehmen auch ihre globalen Lieferketten kritisch betrachten. Schätzungen des Vereinte Nationen Global Compact zufolge werden für circa 80 Prozent der Produktion und des weltweiten Handels internationale Produktionsstandorte und Lieferanten genutzt.

Mit zunehmender Komplexität des Lieferkettennetzwerks wächst die Forderung vom deutschen und EU-Gesetzgeber und auch von den Verbrauchern an die Wirtschaft nach mehr Transparenz – insbesondere großen Unternehmen gegenüber. Sie verlangen Aufschluss über die Herkunft von Waren, deren Produktionsbedingungen und welche Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen getroffen wurden. Von 2023 an sind deutsche Unternehmen durch das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten („Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“) insbesondere zur Einhaltung von Menschenrechten und zum Schutz der Umwelt entlang der gesamten Lieferkette verpflichtet. Große Unternehmen machen dabei den Anfang. Zeitnah soll darüber hinaus ein EU-weites Lieferkettengesetz entworfen und verabschiedet werden, mit dem Ziel, das EU-Unternehmen verstärkt Verantwortung gegen Menschenrechtsverletzungen und zum nachhaltigen Schutz der Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen. EU-Kommission und europäisches Parlament diskutieren noch über die Ausgestaltung der EU-Richtlinie.

Doch welchen Nutzen hat die Ausweitung sozialer und ökologischer Standards auf die gesamte Lieferkette, die Forderungen nach Umweltschutz und die Ächtung von Menschenrechtsverletzungen, wenn die Umsetzung und die Einhaltung durch Bestechung be- oder gar verhindert werden? Insbesondere durch Bestechung im Zusammenhang mit dem Ausstellen von gefälschten Umweltzertifikaten? Und wie glaubwürdig ist eine verantwortungsvolle Lieferkette, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, die korrupte Handlungen vermeiden und aufdecken?

Korruption ist ein wesentlicher Faktor, durch den Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermöglicht und verschleiert werden. Als trauriges Beispiel kann insbesondere der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch, die Kleidung für den Export an Modefirmen in die EU produzierte, angeführt werden. Bei dem Unglück im Jahr 2013 verloren mehr als 1000 Menschen ihr Leben, mehr als 2000 Menschen wurden verletzt. Durch Bestechung hatten die Eigentümer widerrechtlich Baugenehmigungen für das Gebäude bekommen, die von der ursprünglichen Planung wesentlich abwichen: Statt eines sechsstöckigen Einkaufszentrums wurde eine zehnstöckige Fabrik mit schweren Maschinen errichtet.

Korruptionsprävention als wesentliche Governance-Pflicht

Der Prävention und Aufdeckung von Korruption in der gesamten Lieferkette kommt daher eine entscheidende Schlüsselfunktion zu. Wirksame Maßnahmen müssen getroffen werden. Deren Erfüllung ist schon allein aus ethischen Gründen geboten, dient zusätzlich aber auch der Vermeidung von Reputationsschäden, Bußgeldern, Geld- und Freiheitsstrafen für die Verantwortung tragenden Personen sowie dem Ausschluss von Vergabeverfahren.

Orientierung für angemessene Maßnahmen zur Korruptionsprävention bieten beispielsweise die Grundsätze für die Implementierung von Antikorruptionsmaßnahmen von Transparency International oder auch die Anforderungen des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) oder des UK Bribery Acts. Hierdurch schaffen Unternehmen einen echten, nachhaltigen Mehrwert – für sich selbst und für die globale Gesellschaft als Ganzes. Sie tragen aktiv zur Ächtung von Menschenrechtsverletzungen bei, zum Schutz der Umwelt und kommen auch ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht angemessen nach.

Barbara Scheben