Die Industrie steht unter Druck. Hohe Strompreise sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland in vielerlei Hinsicht negativ. Steigende Produktionskosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit von Branchen und Industriezweigen, die für die Umsetzung eines nachhaltigen Wandels unerlässlich sind. Ein Aspekt, der die Industrie stark betrifft, ist eine drohende Abwanderungswelle von Unternehmen. Der Aufbau erneuerbarer Energieanlagen sowie der dazugehörigen Infrastruktur für die grüne Transformation könnte dadurch ins Stocken geraten.
Um die Standortattraktivität zu erhalten und Neuansiedlungen internationaler Unternehmen zu begünstigen, hat die deutsche Politik gehandelt. Die Einführung eines staatlich subventionierten Strompreises für Industrieunternehmen wurde in der Regierung debattiert und sich nun auf eine sogenannte Strompreisbrücke geeinigt. Wie ist dieses Konstrukt einzuordnen?
Transformationsstrompreis und Strompreisbrücke im Fokus
Fest steht, dass gleich mehrere für den nachhaltigen Wandel bedeutende Branchen in Deutschland am Beginn einer Bildung ganz neuer Wertschöpfungsketten stehen. Ebenso steht fest, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien und Stromnetzen massiv und schnell erfolgen sollte, wenn die Industrie künftig im erforderlichen Umfang und zu wettbewerbsfähigen Preisen versorgt werden soll. Viele Anwendungen, die auf Gasverbrauch basieren, sollen künftig durch Strom bedient werden.
Deshalb soll nicht nur die Industrie, sondern auch das gesamte produzierende Gewerbe entlastet werden. Einerseits ist die preisgünstige Erzeugung von erneuerbarem Strom durch den sogenannten Transformationsstrompreis geplant, andererseits sollen mit der Strompreisbrücke spürbare Entlastungen für energieintensive Unternehmen und das produzierende Gewerbe geschaffen werden. Doch was bedeuten die beiden Begriffe konkret?
EU-Rat plant Reform des Strommarkts
Für die preisgünstige Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien soll langfristig ein Transformationsstrompreis eingeführt werden. Im Grundsatz soll das bisherige Förderdesign der Direktvermarktung auf ein verbindliches Modell von zweiseitig geregelten Differenzverträgen umgestellt werden. Das heißt: Energieerzeuger erhalten eine Förderung, wenn der Marktwert des Stroms unter dem festgelegten Wert aus Ausschreibungen liegt. Umgekehrt ist die Differenz zum Marktpreis dieser Anlagebetreiber zurückzuzahlen, wenn der Marktpreis über dem festgelegten Wert liegt.
Das bislang angewendete Merit-Order-Prinzip bleibt bestehen und der Strompreis wird weiterhin durch den Markt bestimmt. Hierzu hat sich der EU-Rat am 17. Oktober 2023 auf eine gemeinsame Position für eine Reform des europäischen Strommarkts geeinigt, um den Anlagenbetreibern Investitionssicherheit zu signalisieren. Die Reform gilt für neue Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie Kernenergie.
Wer ist beim Entlastungspaket im Mittelpunkt?
Bis die Maßnahmen dieser Reform wirken und energieintensive Unternehmen mit erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen dauerhaft versorgt werden können, wird es indes noch einige Jahre dauern. Zur Überbrückung dieses Zeitraumes sollen mit dem nun beschlossenen Entlastungspaket wettbewerbsfähigere Strompreise für energieintensive Unternehmen und das produzierende Gewerbe in Deutschland ermöglicht werden.
Die Strompreisbrücke bedeutet nach Auskunft der Regierung in den nächsten vier Jahren eine Entlastung von Industrie und produzierendem Gewerbe von insgesamt 28 Milliarden Euro. Die Finanzierung soll vorwiegend über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) erfolgen. Es ist geplant, die Strompreisbrücke so lange aufrecht zu erhalten, bis ausreichend grüne und kostengünstige Energie in Deutschland verfügbar ist.
Das sind die Kernpunkte der Strompreisbrücke
Das Entlastungspaket besteht aus drei wesentlichen Instrumenten:
- So soll die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes von Mittelstand bis Industrie auf den EU-Mindestwert um von 0,05 Cent/kWh (bisher 1,537 ct/kWh) sinken. Damit gibt es keine Verlängerung des Spitzenausgleichs für Unternehmen, die diese Steuervergünstigung gemäß Energie- und Stromsteuergesetz bisher erhalten haben. Von der Stromsteuersenkung profitieren dann alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes.
- Zudem soll die Strompreiskompensation für weitere fünf Jahre fortgeführt werden. Diese staatliche Beihilfe gilt aber nur für 350 energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Mit dem Instrument können die betroffenen Unternehmen einen Teil der indirekt im Strompreis enthaltenen CO2-Kosten zurückerhalten. Ergänzend hierzu sind für 90 besonders stromintensive Unternehmen die indirekten CO2-Kosten auf 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung begrenzbar.
- Als weiteres Instrument soll die Reduzierung der Netzentgelte für eine deutliche Entlastung sorgen.
Einordnung
Die Regelung ist gut und wird dringend benötigt.
Im Gegensatz zur Einführung des Industriestrompreises findet durch die neue Regelung kein Eingriff in bestehende Marktmechanismen statt. Die Strompreisbrücke wird unabhängig von der Strompreisentwicklung zu einer direkten Entlastung der betroffenen Unternehmen führen und so zur Stabilisierung des Industriestandorts beitragen. Zudem profitieren kleine und mittlere Unternehmen von diesem Entlastungspaket, so das keine Gefahr von Marktverwerfungen zu erwarten sind. Langfristig wirkende Entscheidungen in der Infrastruktur- und Versorgungswirtschaft können nicht kurzfristig revidiert oder angepasst werden. Daher braucht es Überbrückungshilfen, bis die Einführung des Transformationsstrompreises erfolgt und das Modell sich eingependelt hat.
- Kann man eine Lösung für alle Herausforderungen gleichzeitig finden? Natürlich nicht.
- Denn durch den verbilligten Strompreis fällt jedoch der Anreiz zum Sparen bei Unternehmen weg.
- Denn das Paket ist teuer, da bekanntermaßen einige Erzeugungsarten abgeschaltet wurden.
- Denn die Instrumente werden nur begrenzt greifen, wenn der Strompreis zukünftig wieder stark ansteigen würde.
Die Einführung der Strompreisbrücke wird zu einem wirksamen Hebel werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland aufrechtzuerhalten. Dann nehmen wir gleichzeitig auch in Kauf, dass nicht zwingend Einsparanreize gesetzt werden, sondern vertrauen darauf, dass der Umbau der Energiesysteme gelingt. Im Gefüge des Versuchs EU-weiter, einheitlicher Regelungen setzen wir nun Akzente.