Corporate Governance: Ein Mann im Anzug  kreuzt Finger hinter dem Rücken.

Ethisches Verhalten: Vorsicht vor der „Egal-wie-Kultur“

Wie Mitarbeitende zu unethischem Verhalten motiviert werden – und wie man das verhindert.

In einem US-Unternehmen sollte ein Anreizsystem dazu führen, dass unter anderem mehr Fahrzeugbremsen verkauft werden. So sollte seine finanzielle Schieflage beendet werden. Das Unternehmen senkte also den Stundenlohn für die Vertriebsmitarbeiter:innen; im Gegenzug bekamen sie für den Verkauf einer bestimmten Mindestanzahl von Bremsen eine Bonuszahlung.

Wie die Mitarbeitenden die hohen Performance-Ziele erfüllen sollten, wurde indes nicht kommuniziert. Viele fürchteten gar Kündigungen, falls sie die Mindestverkaufsmenge nicht erreichten. Die Folge: Es wurden unnötige Bremsen sowie Reparaturen verkauft, überdies wurden nicht erbrachte Reparaturleistungen in Rechnung gestellt.

US-Behörden ermittelten und stellten wirtschaftskriminelle Handlungen in 34 von 38 Einzelfällen fest. Das Unternehmen musste Strafzahlungen in Höhe von 60 Millionen Dollar leisten. Hinzu kamen schwerwiegende Reputationsschäden und ein Vertrauensverlust aller Stakeholder.

Solche Fälle einer „Egal-wie-Kultur“ begegnen uns immer wieder. Damit ist eine Haltung gemeint, in der lediglich das Ergebnis zählt, nicht aber der Weg dorthin. Diese Unternehmenskultur entsteht häufig aus falschen Anreizmechanismen und kann dem Erfolg langfristig schaden.

Warum sind Anreize wichtig?

Ohne einen Anreiz entwickeln wir Menschen keine Absichten oder setzen Absichten nicht in Handlungen um. Wir lernen in der Schule, um gute Noten zu bekommen. Wir arbeiten, um soziale Anerkennung zu erfahren. Auch die Spende an eine bedürftige Person unterliegt dem Anreiz des Glücksgefühls, das wir durch eine gute Tat erfahren.

Im Berufsalltag werden verbotene Handlungen nur deswegen begangen, weil das Unternehmen dem Mitarbeiter bzw. der Mitarbeiterin einen entsprechenden Anreiz bietet: nämlich, dass der durch die Handlung erzielte (kurzfristige) Gewinn größer ist als der Gewinn durch integres Handeln. Dahinter steckt ein einfaches Prinzip: Die Mitarbeitenden erkennen durch Belohnungen, was das Management am meisten schätzt und anerkennt. Sie sehen, wer einen Bonus bekommt, wer befördert wird und wer davon ausgenommen bleibt.

Selbst wenn den Beschäftigten mitgeteilt wird, dass moralische Normen am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle einnehmen, so wissen sie doch aus Erfahrung, dass ihre Vertragsverlängerung und Beförderung ausschließlich von der Profit-Performance abhängen. Auf diese Weise etabliert sich im Unternehmen eine „Egal-wie-Kultur“. Die Mitarbeiter:innen entscheiden sich im Zweifel für den illegalen, aber finanziell profitableren Weg und schieben interne Richtlinien sowie gesetzliche Vorgaben kognitiv beiseite.

Wie lässt sich eine „Egal-wie-Kultur“ verhindern?

Unternehmen können im Vorfeld eine Integritätskultur aufbauen, die nicht nur auf die Ergebnisse aus einer Handlung ausgerichtet ist, sondern auch auf den Weg zur Erreichung dieser. Die meisten kommen leider erst zu dieser Erkenntnis, wenn sie Opfer unethischer Handlungen geworden sind. Die Schäden – Reputationsverlust, Strafzahlungen, Beratungskosten, Haftstrafen etc. – führen nicht selten zu Unternehmensinsolvenzen und zu persönlichen Komplikationen.

Ist eine „Egal-wie-Kultur“ einmal etabliert, sind Umstrukturierungen meist nur mit Rationalisierungsmaßnahmen zu bewältigen. Im Falle unseres Beispiels wurden später tausende Filialen geschlossen.

Günstiger und nachhaltiger ist es, frühzeitig Warnhinweise zu identifizieren, die auf solche Verhaltensweisen hindeuten, und dann gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden. Mitarbeitende können hier wertvolle Hinweise und Hilfestellung leisten, wenn sie in die Entscheidung integriert und gehört werden. Auch elektronisch gestützte Befragungen von Mitarbeitenden zu Prozessen und Kontrollen können helfen, Risiken zu erkennen. Darauf basierend können dann maßgeschneiderte Integritätstrainings und Anreizsysteme implementiert werden. Zu beiden Themen haben wir die passenden Lösungen.

Wie setzt man die richtigen Anreize für integres Verhalten?

Mitarbeitende dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie für integres Verhalten bestraft werden. Entscheidend ist, ihnen zu vermitteln, dass Integrität anerkannt und honoriert wird. Belohnungen in Form von Anerkennung sind ein effizienter Mechanismus, um kulturelle Werte in Unternehmen zu transportieren. Vorgesetzte können in Zielvereinbarungs- und Beurteilungsgesprächen als Beförderungskriterien zum Beispiel die regelmäßige und pünktliche Teilnahme an Integritätstrainings oder den Appell an einen Code of Conduct heranziehen.

Wichtig ist allerdings auch ein klares Bekenntnis der Unternehmensführung zu Integrität. Um die Bedeutung integren Verhaltens zu steigern, könnte sie außerdem einen unternehmensinternen Integritäts- oder Ethics-Courage-Award verleihen oder einen Preis für einen Artikel in der Unternehmenszeitung, z.B. über ethisches Verhalten in einer Abteilung, ausloben.

Darüber hinaus sollte das Unternehmen über geeignete Kontrollen verfügen, Verstöße rechtzeitig zu erkennen. So lässt sich mit den richtigen Instrumenten eine langfristig stabile und wertorientierte Unternehmenskultur aufbauen, in der der Weg zum Erfolg nicht „egal wie“ ist.