Wir leben in einer Zeit plötzlicher Umschwünge. Tweets können Börsen binnen Sekunden in Aufruhr versetzen, die Lage an den Märkten kann sich jederzeit fundamental ändern. Darum sollten Unternehmen Kapitalmarktdaten genau beobachten, um für Veränderungen vorbereitet zu sein und sich vor Verlusten zu schützen. Meine vier Thesen zu Änderungen und Trends der Weltwirtschaft zeigen, warum sich stetige Wachsamkeit lohnt:
These 1: Konjunkturelle Zyklen werden verstärkt von Einzeleffekten überlagert
Abschwung und Aufschwung: Das waren lange Zeit die beiden Pole der Weltwirtschaft. Die Konjunktur schwankte in – im Großen und Ganzen verlässlichen – Zyklen von einem Tief ins nächste Hoch und umgekehrt.
Diese eingeschränkte Erwartbarkeit von konjunkturelle Zyklen schwindet. Die wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre wurden stark von disruptiven Effekten auf bestehende Geschäftsmodelle bestimmt. Neben den hiermit verbundenen Unsicherheiten auf der mikroökonomischen Ebene traten und treten zunehmend Unsicherheiten auf der makroökonomischen Ebene auf.
Von Handelskonflikten bis zum Brexit: In Zukunft werden komplexe Einzelsachverhalte die Weltwirtschaft sehr viel stärker beeinflussen. An die Stelle des Wartens auf den nächsten Auf- oder Abschwung tritt nun stetige Wachsamkeit.
Denn Risiken treten plötzlich auf und verändern sich permanent. Daher braucht es eine fortlaufende Evaluierung von Kapitalmarktdaten wie Zinsniveau und Marktrisikoprämie.
These 2: Nach dem Aufschwung folgt nicht notwendigerweise ein Abschwung
Wir befinden uns derzeit an den Kapitalmärkten weiterhin in einer aufsteigenden Zyklusphase, die schon überdurchschnittlich lang anhält. Begonnen hat sie mit den letzten Tiefständen an den europäischen Börsen 2012. In der jüngsten Vergangenheit kam es zu Kursrückgängen.
Sind damit bereits die Korrekturen der aktuellen wirtschaftlichen Phase erfolgt, die systembedingt notwendig sind? Das wird derzeit kontrovers diskutiert.
Der Blick auf die gesamtwirtschaftlichen konjunkturellen Indikatoren zeigt keinen einheitlichen Trend. Insbesondere für den europäischen Wirtschaftsraum ist die durch die EZB beschrittene Phase des langanhaltenden niedrigen Zinsniveaus beispiellos. Das europäische und amerikanische Zinsniveau haben sich in der Folge seit längerem uneinheitlich entwickelt.
Warnende Stimmen hinsichtlich nahender Abschwung-Tendenzen und sogar Rezessionserwartungen werden lauter. Doch an den Börsen scheinen diese Warnungen derzeit weiterhin keine wesentliche Rolle zu spielen. Zahlreiche – positive wie negative – Sondereffekte bestimmen das Bild.
Die Differenzen zwischen inneren Werten von Unternehmen und ihren aktuellen Preisen – reflektiert in Kapitalkosten und Multiplikatoren – verändern sich ständig. Es ist mehr denn je unerlässlich, die Kapitalmärkte kontinuierlich zu beobachten. Denn nur so lassen sich temporäre Gelegenheiten für Transaktionen – getriggert durch Wert-/Preisdifferenzen – erkennen.
These 3: Überbewertete Unicorns signalisieren überbewertete Märkte
Im März 2000 platzte die Dotcom-Blase. Ihr vorangegangen waren unrealistisch hohe Gewinn-Erwartungen der Investoren von jungen Technologieunternehmen. Die Startups hatten eine Aufbruchsstimmung im Zusammenhang mit digitalen Geschäftsmodellen ausgelöst, die sich bald darauf als übertrieben erwies.
Auch derzeit sind die Bewertungsniveaus vieler Startups umstritten. Aktuelle Untersuchungen weisen auf Überbewertungen von bis zu 50 Prozent bei etwa der Hälfte der sogenannten Unicorns – Star-Startups mit Investoren-Bewertungen von mindestens 1 Milliarde US-Dollar – hin; diese könnten alsbald diesen Status verlieren.
Der heutigen und damaligen Marktsituation ist gemein, dass fundamentale Unternehmensdaten die hohen Bewertungen nicht rechtfertigen. Unternehmen sind deshalb gut beraten, mit detailliertem Benchmarking Fehleinschätzungen zu vermeiden. Anhand von Kapitalmarktdaten wie langfristigen Renditereihen oder Ausfallwahrscheinlichkeiten lassen sich Hypothesen zu etwaigen außergewöhnlichen Marktsituationen untermauern oder widerlegen.
These 4: Konjunktur- und Branchenentwicklung entkoppeln sich
Aktuell gibt es wohl kaum eine Branche, die sich nicht disruptiven Entwicklungen ausgesetzt sieht. Die Ursachen dafür sind vielfältig:
Der technologische Wandel führt zu einer horizontalen wie vertikalen Neujustierung von Wertschöpfungsketten. Plattformstrategien bilden beispielsweise im Handel die Basis für gänzlich neue Geschäftsmodelle. Daten könnten zum Rohstoff der Zukunft werden. Regional unterschiedliche demografische Entwicklungen – nicht nur global betrachtet, sondern auch innerhalb von führenden Industrienationen wie Deutschland – fordern ganze Sektoren heraus und verlangen nach umfassenden Transformationsprozessen.
Die Effekte dieser Veränderungen sind mittlerweile so groß, dass sie sich zeitlich von den allgemeinen konjunkturellen Zyklen entkoppeln und Einfluss auf die Entwicklungen ganzer Volkswirtschaften haben.
Unternehmen sollten konjunkturell bedingte Entwicklungen und unternehmens- bzw. branchenspezifische Entwicklungen parallel betrachten. Auf diese Weise können sie gegenseitig sich aufhebende oder verstärkende Effekte berücksichtigen.
Entscheidend: Verlässlicher Zugang zu Kapitalmarktdaten
Lokale wie globale Unsicherheiten, strukturelle Brüche und Disruptionen – mit dieser Umgebung kommen resiliente Unternehmen am besten zurecht. Was zeichnet resiliente Unternehmen aus? Resiliente Unternehmen können sich rasch an verändernde Umweltbedingungen anpassen, sind finanziell stabil, betreiben aktives Fehlermanagement und haben neue Formen der Zusammenarbeit etabliert – etwa komplementäre Partnerschaften mit anderen Unternehmen.
Mitentscheidend hierfür ist der permanente Zugang zu verlässlichen Kapitalmarktdaten zur Ableitung von Kapitalkosten – sei es zu Benchmarking-Zwecken oder zum Erkennen von Trends. Nur so können Unternehmen basierend auf einer belastbaren Datenbasis die Ruhe bewahren und ihre langfristigen Strategien umsetzen, wenn die nächste Disruption die Kurse ins Wanken bringt.