Erst große Hoffnung, dann große Enttäuschung: Das 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz (OZG) hat die Behörden in Bund, Ländern und Kommunen eigentlich bis Ende 2022 fit für die Zukunft machen sollen. Der Großteil der Dienstleistungen ist bis Ende 2022 digitalisiert, so der Plan, und die Verwaltung insgesamt effizienter und bürgerfreundlicher.
Doch das ist nicht recht gelungen. Vieles blieb Stückwerk, die Transformation der öffentlichen Hand stockt. Nun soll das Onlinezugangsänderungsgesetz (OZGÄndG) – auch bekannt als OZG 2.0 – nachbessern. Wie sind die Zielsetzungen der überarbeiteten Vorschriften einzuschätzen, auf welche Details gilt es besonders zu achten – und wie kann die erfolgreiche Umsetzung gewährleistet werden? Die relevantesten Punkte im Überblick.
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Setzt ein OZG 2.0 das richtige Signal?
Klar ist: Das OZG ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Nur ein kleiner Teil der fast 600 Verwaltungsleistungen ist tatsächlich digitalisiert worden. Insbesondere auf Ebene der Bundesländer und Kommunen, auf der ein Großteil der Leistungen, die für Bürger:innen und Unternehmen relevant sind, bereitgestellt wird, wurden eher Einzelerfolge erzielt. Nun kann man sich die Frage stellen: Wenn das Onlinezugangsgesetz nicht funktioniert hat – ist ein OZG 2.0 dann das richtige Signal?
Bezieht man sich ausschließlich auf den Gesetzestitel, der den Onlinezugang – also das Frontend für Bürger:innen – im Fokus hat, ist ein Störgefühl verständlich. Denn letztendlich ist der Zugang nur ein Teil des Gesamtprozesses. Dahinter liegt die viel umfassendere Digitalisierung aller verwaltungsinternen Abläufe. Das ist eine Mammutaufgabe, die die Behörden angesichts stetiger technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen dauerhaft beschäftigen wird. Wichtig ist somit der Blick über den Gesetzestitel hinaus und das gemeinsame Verständnis, dass ein ganzheitlicher Blick auf eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Verwaltungsprozesse gemeint und erforderlich ist.
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Gibt es beim OZG 2.0 feste Fristen?
Nein. Das führt berechtigterweise zu Kritik, denn ohne Fristen fallen Planung und Monitoring schwer. Allerdings: Das Onlinezugangsgesetz beinhaltete mit dem 31. Dezember 2022 eine Frist – und die wurde nicht eingehalten, ohne dass es spürbare Konsequenzen gibt. Sinnvoll scheinen daher statt einer einzigen finalen Frist eher Meilensteine, beispielsweise für bestimmte Umsetzungspakete, Leistungen und die Einführung technischer Basislösungen. Immerhin: Ein mit dem OZGÄndG veröffentlichtes Eckpunktepapier macht diesbezüglich einen ersten Aufschlag – 16 Fokusleistungen sollen bis Ende 2024 Ende-zu-Ende digital verfügbar sein.
Als zusätzliches Instrument wird ein Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen diskutiert. Analog zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ist hier die Frage zu beantworten: Wie wird dieser tatsächlich eingefordert und umgesetzt? Fest steht: Grundsätzlich wäre der Rechtsanspruch ein relevanter Hebel. Es droht aber zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Außerdem kann er dazu führen, dass sich die Verwaltung, falls sie im Zeitverzug ist, dann wieder lediglich auf das Frontend konzentriert, um Fristen einzuhalten. Die erforderliche Ende-zu-Ende-Digitalisierung bliebe aus.
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Wie kann eine wirksame Steuerung und Kontrolle in der Umsetzung des OZG 2.0 gelingen?
Basis sollte eine konkrete Zieldefinition sein – nicht nur über gegebenenfalls gesetzlich festgeschriebene zeitliche, sondern auch inhaltliche, qualitative Ziele. Wenn hinreichend konkrete Zielgrößen definiert sind, ist eine Messung der erreichten Ziele erforderlich. Und eine transparente Kommunikation von Fortschritten ist unerlässlich. Konkret denkbar wäre eine wirkungsorientierte Steuerung auf Basis von nutzerorientierten Kennzahlen und die quartalsweise Offenlegung der Fortschritte.
Eine zentrale Rolle in der Durchführung könnte die Föderale IT-Kooperation (FITKO) spielen – die Offenlegung könnte dann durch den IT-Planungsrat als zentrales Gremium erfolgen. Eine stärkere FITKO-Einbindung beim OZG 2.0 wird bereits von verschiedenen Stellen gefordert. Diese ist jedoch nur mit einer entsprechenden personellen Ausstattung der FITKO möglich.
Wir beobachten, dass sich bei der FITKO derzeit dynamische, agil arbeitende Teams formen und – auch mit externer Unterstützung – an einer konzeptionellen Professionalisierung im Portfolio- und Programmmanagement gearbeitet wird. Dies werten wir als positive Zeichen.
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Wie notwendig ist externe Hilfe bei der Verwaltungsdigitalisierung?
Die Verwaltungsdigitalisierung ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der auch externe Berater:innen, Jurist:innen oder Softwareentwickler:innen einen Beitrag leisten können und eine Mitverantwortung tragen. Je nach Bedarf – sei er inhaltlicher oder rein kapazitativer Natur – können so flexibler Ressourcen zum Einsatz kommen.
Unsere Praxiserfahrungen belegen, dass fachliche Unterstützung und Begleitung in den Organisationen positiv aufgenommen werden. Das gilt für IT-Dienstleister der öffentlichen Hand und die Verwaltung selbst gleichermaßen. Es ist jedoch von hoher Bedeutung, dass die öffentliche Hand die externe Hilfe zielführend steuert. Herausforderungen ergeben sich, wenn verwaltungsintern Ansprechpartner und Entscheider keine ausreichenden Kapazitäten haben und Projekte dadurch ins Stocken kommen. Das bedeutet: Es braucht eine gesunde Mischung aus internen und externen Mitarbeiter:innen, damit Projekte zum Erfolg gebracht werden. Dann kann die erfolgreiche Umsetzung des OZG 2.0 gemeinsam gelingen. Bei allem Technikbezug ist die Verwaltungsdigitalisierung doch ein sehr menschen-zentriertes Vorhaben. Das kam bereits im OZG zum Ausdruck, das„Nutzer:innen“ in den Fokus gestellt hat.
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Wer sind denn die „Nutzer:innen“ im Kontext von OZG und OZG 2.0?
Zunächst einmal sind die Nutzer:innen die Bürger:innen und Unternehmen. Das Bundesland Hessen bezeichnet sie in seiner Digitalisierungsstrategie als „Kunden“. Das trifft es gut. Die Umsetzung des OZG 2.0 hat aber insbesondere für Mitarbeitende in den Behörden und kommunalen Einrichtungen erhebliche Auswirkungen, denn sie übernehmen den wesentlichen Part bei der Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Verwaltungsprozesse.
Die Umsetzung des OZG 2.0 wird zu Veränderungen in den täglichen Arbeitsprozessen führen. Das bedeutet, dass in Behörden die Qualifizierungsmaßnahmen, das Veränderungsmanagement und die Kommunikation eine große und entscheidende Rolle spielen werden. Das OZG 2.0 ist ein immenses Transformationsprojekt – das bedarf eines professionellen Managements.
Zudem braucht es noch klarere Strukturen und mehr Transparenz, um die vorhandene Komplexität zu reduzieren. In der Praxis sehen wir beispielsweise, dass bei Verantwortungs- und Finanzierungsfragen Unklarheiten existieren. Mitunter bleiben Fragen zu Finanzierungsanträgen unbeantwortet – auch, weil es geteilte Verantwortlichkeiten gibt. Das ist bei länderinternen, aber auch bei länderübergreifenden Projekten zu beobachten.
Das alles ist keine leichte Aufgabe bei der Komplexität auch im föderalen Kontext – vor allem, da sich weitere Großvorhaben wie die Registermodernisierung anschließen und eng verknüpfen. Es darf aber auch keine unlösbare Aufgabe sein, denn die Verwaltungsdigitalisierung ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und im Interesses der Bürger:innen und Unternehmen dringend erforderlich.
Daher gilt: Die Verwaltungsdigitalisierung ist eine gemeinschaftliche Daueraufgabe, die es vor dem Hintergrund des OZG 2.0 professionell zu strukturieren und zu steuern gilt. Die Ergebnisorientierung sollte dabei in den Vordergrund gestellt werden – in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit unter Nutzung marktgängiger Standards können zügig Fortschritte erzielt werden.
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