ESG: Ansicht einer nachhaltigen grünen Büro- und Wohnanlage

Real Estate und ESG: Kontrolle ist gut, Prognose ist besser

Diese Rolle spielt die ESG-Konformität im Rahmen der Immobilien-Due-Diligence.

Spätestens seit der Preisexplosion auf dem Energiemarkt infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ist klar: Der ESG-Trend der letzten Jahre ist endgültig zu einem Schlüssel für die Zukunft der Immobilienmärkte in Europa geworden. Die ESG-Konformität von Immobilien ist nicht länger bloß ein Nice-to-Have für Unternehmen aus dem Bereich Real Estate, sondern sie entscheidet maßgeblich über die Sinnhaftigkeit der Investition in eine Immobilie oder Projektentwicklung.

Neben Kostenfaktoren wie Gas, Strom und Wasser sind dabei auch das S und das G aus dem Akronym ESG nicht zu vernachlässigen. Dies gilt, weil unter die Buchstaben S (wie Social) und G (wie Governance) viele weitere Aspekte fallen, die ebenso elementare Interessen der Investoren und Nutzer:innen berühren, beispielsweise die sorgfältige Auswahl von Lieferanten, Baumaterialien und Technologien, die Ordnungsmäßigkeit des Baugenehmigungsprozesses oder die Freiheit von Altlasten und sonstigen Gesundheitsrisiken.

ESG-Due-Diligence wird in der Immobilienwirtschaft immer wichtiger

Bereits in den vergangenen Jahren ist bei Immobilienentwicklungen und -ankäufen eine umfassende ESG-Due-Diligence in den Vordergrund gerückt. Dies geschah bislang jedoch vorrangig, um die Nachhaltigkeitsrisiken eines Immobilien-Investments möglichst umfassend adressieren zu können – denn Nachhaltigkeits-Performance wird nicht nur heute und in Zukunft im Fokus von Investoren stehen, sondern gleichzeitig Gegenstand öffentlichen Interesses sein. Damit gehen auch Reputationsrisiken einher, zum Beispiel wenn der Primärenergieverbrauch einer neu errichteten Immobilie hinter den Marktstandard zurückfallen sollte.

Doch die Anforderungen, die das Thema ESG an die Immobilien-Due-Diligence stellt, sind weitaus größer: Das öffentliche Interesse an der Erhebung einer Grunderwerbsteuer auch bei sogenannten Share Deals mag belegen, dass Aspekte guter Unternehmensführung bei einem Immobilienerwerb ebenfalls mit in den Blick zu nehmen sind, wenn man ohne Schaden für das Ansehen des eigenen Unternehmens ein Projekt oder Objekt in sein Portfolio integrieren möchte.

Nachhaltigkeit: Risiken und Chancen über die gesamte Laufzeit der Investition identifizieren

Deshalb kommt es bei der Vorbereitung jeder Immobilientransaktion darauf an, aus der Vielzahl an Prüfmöglichkeiten diejenigen auszuwählen, die am geeignetsten sind, um eventuelle Risiken und Schwächen, aber auch Stärken und Chancen eines Immobilienprojekts im Hinblick auf ESG-Anforderungen schnell zu identifizieren und adäquat abzubilden – und das möglichst über die gesamte Laufzeit des Investments, denn so viel scheint sicher: Die gegenwärtig geltende Regulatorik wird in Zukunft verschärft und erweitert werden.

Bei ESG-Due-Diligence auch absehbare gesetzliche Regelungen berücksichtigen

Prüfumfang und Prüftiefe der Immobilien-Due-Diligence werden maßgeblich durch die Art und den Reifegrad des Projekts, das Immobiliensegment sowie die Anlagekriterien und Berichtspflichten des Investors als Auftraggeber bestimmt. Die Prüfung eines Neubau- oder Bestandsobjekts auf ESG-Konformität ist dabei mehr als nur die Kontrolle von Zertifizierungs- und Scoring-Kriterien oder die Beurteilung von Green-Lease-Verpflichtungen.

Um sogenannte Stranded Assets oder schwerwiegende Probleme des Investors in der zukünftigen Vermietung, Verwaltung oder der eigenen Unternehmensberichterstattung zu vermeiden, sind nicht nur die gegenwärtigen, sondern auch die absehbar zu erwartenden gesetzlichen Regelungen zu ESG-Aspekten in die Prüfung einzubeziehen. Dazu zählen künftige Auswirkungen durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz, das CO2-Kostenaufteilungsgesetz, das Gebäudeenergiegesetz etc. ebenso wie neue Berichtsanforderungen für das Unternehmen des Investors im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ihrem weiten Anwendungsbereich.

Für niemanden dürfte vollends absehbar sein, welche künftigen Entwicklungen die Regulatorik hinsichtlich Nachhaltigkeit bzw. ESG nehmen wird. Dennoch wäre es eine vertane Chance, nicht bereits jetzt jeweils den Blick in die Zukunft zu wagen und eventuelle Neuregelungen im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung zu antizipieren. Dabei können Informationssysteme, die Rechtsentwicklungen auf dem Gebiet von ESG frühzeitig aufzeigen, die Immobilien-Due-Diligence sinnvoll unterstützen. Auch in der Immobilienwirtschaft gilt: Kontrolle ist gut, Prognose ist besser.