Sechs Menschen in einem hellen Büro mit großen Fenstern an einem Besprechungstisch schlagen ihre Hände zu High-Five zusammen.

So will die Regierung die Mitarbeiterkapitalbeteiligung stärken

Neue Regelungen sollen es attraktiver machen, Mitarbeitende am Firmenerfolg zu beteiligen.

Den deutschen Kapitalmarkt stärken, die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts erhöhen, (jungen) Wachstumsunternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtern: Das sind die Ziele des Zukunftsfinanzierunggesetzes (ZuFinG – hier Erläuterungen des BMF), das das Bundeskabinett Mitte August 2023 mit seinem Regierungsentwurf einen großen Schritt vorangebracht hat.

Mitarbeiterkapitalbeteiligungen steuerlich fördern

Ein für Unternehmen und ihre Beschäftigten wichtiger Teil des ZuFinG betrifft die Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die Unternehmen im Kampf um Talente als Pluspunkt nutzen können, indem sie Mitarbeitende am Erfolg des Unternehmens teilhaben lassen.

In diesem Klardenker-Beitrag stellen wir die geplanten Neuerungen im Hinblick auf das Einkommensteuergesetz (EStG) vor und erörtern, was daraus für Unternehmen und die Arbeitnehmer:innen folgt. Wir gehen auch darauf ein, welchen Einfluss die geplanten gesetzlichen Änderungen auf Trends bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungen möglicherweise haben.

Die Reform betrifft zwei Aspekte: den Freibetrag (§ 3 Nr. 39 EStG), der die steuerfreie Übertragung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen bis zu einem bestimmten Betrag ermöglicht, und den Besteuerungsaufschub (§ 19a EStG), der die sogenannte Dry-Income-Problematik insbesondere bei Start-ups reduziert.

  1. Freibetrag (§ 3 Nr. 39 EStG)

Der Freibetrag für den geldwerten Vorteil aus der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen soll von derzeit 1.440 Euro pro Jahr auf 5.000 Euro erhöht werden. Zentrale Voraussetzung für den Freibetrag bleibt weiterhin, dass das Beteiligungsangebot allen Mitarbeitenden offensteht, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe mindestens ein Jahr im Unternehmen beschäftigt sind.

Derzeit kann der Freibetrag auch durch Entgeltumwandlung in Anspruch genommen werden. Aus Sicht der Praxis ist es daher erfreulich, dass der Regierungsentwurf im Gegensatz zu einem früheren Entwurf, der die Entgeltumwandlung gänzlich ausschließen wollte, diese bis zu einem Betrag von 2.000 Euro pro Jahr weiterhin zulässt.

Um jedoch zu verhindern, dass Arbeitnehmer:innen die Beteiligung, für die der Freibetrag in Anspruch genommen wird, unmittelbar nach Erhalt wieder veräußern, soll eine Haltefrist eingeführt werden. Konkret: Wird die Beteiligung innerhalb von drei Jahren veräußert, soll der zunächst steuerfrei gebliebene geldwerte Vorteil mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent nachversteuert werden.

  1. Besteuerungsaufschub (§ 19a EStG)

Das bestehende Privileg der nachgelagerten Besteuerung (Besteuerungsaufschub) ist bislang auf Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von sogenannten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) beschränkt, die nicht älter als zwölf Jahre alt sind (KMU-Schwellenwerte: 250 Mitarbeitende sowie (kumulativ) ein maximaler Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von bis zu 43 Millionen Euro).

Die Begünstigung soll künftig auf Unternehmen ausgeweitet werden, die nicht älter als 20 Jahre sind, nicht mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigen sowie einen Jahresumsatz von nicht mehr als 100 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von nicht mehr als 86 Millionen Euro haben. Für die Prüfung, ob die Schwellenwerte nicht überschritten werden, soll künftig ein Betrachtungszeitraum sogar von sieben statt bisher zwei Jahren gelten.

Hintergrund des Besteuerungsaufschubs ist die Entschärfung des Dry-Income-Problems. Der verbilligte oder unentgeltliche Erwerb einer Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers stellt grundsätzlich – soweit der Freibetrag nicht anwendbar oder bereits ausgeschöpft ist – steuerpflichtigen Arbeitslohn (Sachbezug) dar, ohne dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Erwerbs tatsächlich liquide Mittel zufließen. Da die Besteuerung ohne Zufluss von liquiden Mitteln jedoch insbesondere bei liquiditätsschwachen Wachstumsunternehmen problematisch ist, hat der Gesetzgeber für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen an den oben definierten Unternehmen den Besteuerungsaufschub eingeführt.

Bisher ist der Besteuerungsaufschub für maximal zwölf Jahre möglich. Künftig soll der geldwerte Vorteil erst nach 20 Jahren besteuert werden, sofern der/die Arbeitnehmer:in die Beteiligung nicht zuvor veräußert oder sein/ihr Dienstverhältnis beendet hat. Zusätzlich kann in den Fällen, in denen es nach 20 Jahren oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses zu einer Nachversteuerung kommen würde, die Besteuerung weiter bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung aufgeschoben werden – sofern der Arbeitgeber bereit ist, für die einzubehaltenden Lohnsteuerbeträge zu haften.

Der Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG soll sich künftig außerdem auch auf Mitarbeiterkapitalbeteiligungen erstrecken, bei denen Anteile an Konzerngesellschaften ausgegeben werden (Konzernklausel).

Implikationen des höheren Freibetrags inkl. Haltefrist für die Praxis

Die Pläne der Regierung wären ein großer Schritt, um die steuerliche Attraktivität der Mitarbeiterbeteiligung zu erhöhen.

Positiv hervorzuheben ist bei der Erhöhung des Freibetrags, dass auch die steuerfreie Entgeltumwandlung bis zu 2.000 Euro möglich bleiben soll. Unternehmen, die den bisherigen Freibetrag von 1.440 Euro durch Entgeltumwandlung nutzen, müssten ihr Beteiligungsprogramm nicht anpassen.

Die vorgesehene dreijährige Haltefrist ist vor dem Hintergrund der deutlichen Erhöhung aus unserer Sicht nachvollziehbar, um Mitnahmeeffekte von Arbeitnehmer:innen zu verhindern. Allerdings kann dies in der Praxis zu Herausforderungen führen und Anpassungen der Beteiligungsprogramme erforderlich machen.

Durch die Übertragung von sogenannten Restricted Shares mit einer dreijährigen Veräußerungsbeschränkung können Unternehmen der vorgesehenen Haltefrist wohl am besten Rechnung tragen. Sieht das Beteiligungsprogramm jedoch keine (dreijährige) Veräußerungsbeschränkung vor, sollte der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden unterstützen und sie umfassend über die Haltefrist und ihre Pflichten bei deren Nichteinhaltung (Nachversteuerung) informieren. Dies ist noch relevanter, wenn die Anteile auf ausländischen Depots gehalten werden.

Vor diesem Hintergrund könnte die geplante Neuregelung einen neuen Trend zur vermehrten Ausgabe von Restricted Shares auslösen. Umgekehrt dürften bei sogenannten All-Employee-Plänen solche Beteiligungsprogramme künftig an Attraktivität verlieren, die Erdienungszeiträume vor der Übertragung der Aktien vorsehen. Dazu zählen beispielsweise Share-Matching-Pläne. Der Grund: Die dreijährige Sperrfrist beginnt erst mit der tatsächlichen Übertragung der Aktien.

Auswirkungen des erweiterten Besteuerungsaufschubs

§ 19a EStG wird in der Praxis derzeit kaum genutzt. Dies liegt nach unserer Einschätzung zum einen an den engen Alters- und Größenkriterien, die das Arbeitgeberunternehmen erfüllen muss, und zum anderen an der bisher fehlenden Konzernklausel. Durch die Erweiterung der Alters- und Größenkriterien können nun mehr Unternehmen, insbesondere auch Scale-Ups, in den Anwendungsbereich fallen. Zudem ermöglicht die Konzernklausel die Berücksichtigung von Holdingstrukturen, was für die Praktikabilität des Besteuerungsaufschubs ein sehr wichtiger Schritt wäre.

Offen ist aktuell noch, wie die Arbeitgeber auf die Möglichkeit reagieren, die Besteuerung weiter bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile aufzuschieben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitgeber die Haftung für die Lohnsteuer übernimmt. Für Arbeitgeber stellt sich jedoch die Frage, ob dies gewollt ist.