Sorgfaltspflichten wirksam managen

Gewusst wie: Unternehmen können vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz profitieren.

Kinder- oder Zwangsarbeit, mangelhafte Sicherheitsstandards, nicht eingehaltener Arbeitsschutz – die Liste möglicher Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen den Umweltschutz entlang globaler Lieferketten und im eigenen Geschäftsbereich ist lang.

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG verabschiedet. Es nimmt Unternehmen in Deutschland in die Pflicht, ihrer Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz nachzukommen, und zwar sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch bei Zulieferern entlang der gesamten Lieferkette.

Die verabschiedete Fassung der neuen Sorgfaltspflichten ist im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf deutlich abgeschwächt worden und doch zeigt sich, dass sich viele betroffene Unternehmen mit der Umsetzung der Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette schwertun. Eine entsprechende Unsicherheit der Verantwortlichen über die Auswirkungen des Gesetzes ist deutlich zu spüren, die durch Verzögerungen bei den Handreichungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als zuständige Behörde noch verstärkt wird.

Die Einhaltung von Menschenrechten und umweltbezogenen Pflichten im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette ist ein Thema, mit dem sich Unternehmen zunehmend intensiver beschäftigen müssen. Sie müssen sich hierzu eine Übersicht verschaffen, ob sie wollen oder nicht. Denn durch die zukünftige Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-Taxonomie (minimum safeguards) und nicht zuletzt durch das auf EU-Ebene geplante zukünftige EU-Due-Diligence-Gesetz (Europäisches Lieferkettengesetz) gewinnt die Fragestellung immer mehr an Bedeutung, wie Unternehmen insgesamt mit menschenrechtsbezogenen Risiken und dem Thema Menschenrechte umgehen – sowohl im  eigenen Unternehmen als auch in ihren Lieferketten. Deutsche Gerichte werden in Zukunft die Einhaltung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Anforderungen und resultierende Maßnahmen des neuen Gesetzes kritisch hinterfragen.

Die Risikoanalyse als Herzstück der Sorgfaltspflichten

Durch eine Status-Quo-Analyse und die Identifizierung von bestehenden Lücken zur Einhaltung der Mindestanforderungen des LkSG wird deutlich, dass bei vielen Unternehmen vereinzelte Strukturen und Prozesse zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette auch ohne gesetzlicher Pflichten bereits vorhanden sind. Auf diesen bestehenden Teilbausteinen gilt es, aufzubauen und diese entsprechend der Sorgfaltspflichten weiterzuentwickeln und in einem Managementsystem zu verankern. Nur wenige Unternehmen haben aktuell eine Übersicht oder eine systematische Vorgehensweise zur Identifizierung von menschenrechts- und umweltbezogenen Risiken und substantiierte Kenntnis über mögliche zivilrechtliche Haftungen.

Die vom LkSG geforderte Risikoanalyse kann als Herzstück der Sorgfaltspflichten verstanden werden, denn nur, wer Risiken kennt und sich eine Übersicht verschafft, kann diese auch angemessen adressieren und seiner Pflicht nachkommen. Gleichzeitig stellt die Durchführung einer effizienten und effektiven Risikoanalyse viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Falls vorhanden, empfiehlt es sich, bei der Identifizierung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risken in der Lieferkette bereits bestehende Due-Diligence-Prozesse und -Strukturen zu nutzen. Dies erhöht zwar vermeintlich die Komplexität, ist allerdings aus Effizienzgründen empfehlenswert und wird in der Praxis auch vermehrt so umgesetzt. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass es auch Risiken im eigenen Geschäftsbereich gibt, die ebenfalls im Rahmen einer Risikoanalyse identifiziert werden sollten. Das Gesetz gibt Kriterien für die Risikoanalyse vor, und es empfiehlt sich ein frühzeitiges Auseinandersetzen mit ihrer Methodik und Maßnahmen.

Aus der Risikoanalyse der Lieferkette können dann Präventionsmaßnahmen abgeleitet werden, deren Wirksamkeit anhand nachgelagerter Assessments und Audits überprüft wird. Die gewonnenen Erkenntnisse können bei der künftigen Lieferantenauswahl berücksichtigt werden.

Das Einhalten der unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette kann dabei nicht Aufgabe einer einzelnen Abteilung sein. Die Praxis zeigt, dass insbesondere die Fragestellung der organisatorischen Verankerung bei vielen Unternehmen zu intensiven Diskussionen führt und sich wenige Abteilungen mit Maßnahmen in den Vordergrund drängen. Für die Konzeption und Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist aber die Expertise unterschiedlicher Wissensträger zwingend notwendig. Angefangen bei der Rechtsabteilung, über Compliance, der Nachhaltigkeitsabteilung, HR und dem Einkauf sind viele Wissensträger eines Unternehmens aufgefordert, ihre Expertise bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten einzubringen.

Von der schnellen Realisierung profitieren

Wer erhöhte Menschenrechts- und Umweltstandards zügig umsetzt, stärkt nicht nur das Vertrauen in das eigene Unternehmen, das Image deutscher Produkte und die Akzeptanz für unser Wirtschaftssystem, sondern er verschafft sich auch selbst Vorteile. Denn erstens wächst am Kapitalmarkt die Bedeutung dieser Sorgfaltsaspekte stetig, und auch NGOs werden zukünftig genauer hinschauen. Und zweitens sinkt durch proaktives Management von Menschenrechts- und Umweltrisiken die Wahrscheinlichkeit von Reputationsschäden, Boykotts, Lieferengpässen und Geschäftsunterbrechungen.

Und das bedeutet: Unternehmen sind – abgesehen von der regulatorischen Notwendigkeit – auch aus kommerzieller Sicht gut beraten, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in ihren globalen Lieferketten und im eigenen Geschäftsbereich so schnell wie möglich umzusetzen.

Den vollständigen Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe unseres CGO-Magazins: https://hub.kpmg.de/cgo-magazin-12