Michael Münzberg, Experte für agiles Arbeiten in Behörden
Was verstehen Sie unter Agilität und welche Vorteile sehen Sie im Einsatz agiler Methoden besonders in der öffentlichen Verwaltung?
In meinen Augen ist es wichtig, den gesamten agilen Managementbaukasten nutzen zu können. Wenn die Menschen in den Projekten über das entsprechende agile Mindset und die entsprechende Methodenkompetenz verfügen, dann können sie je nach Projekt und Aufgaben immer die passenden Methoden oder Elemente für ihr Projekt nutzen. So wird es möglich, dass die öffentliche Verwaltung sich mit verschiedenen agilen Methoden ein hybrides System schaffen kann, welches zu ihren Strukturen passt, aber gleichzeitig flexible Projektarbeit ermöglicht.
Trotz der Einführung agiler Methoden sind weiterhin große Lücken erkennbar und der öffentlichen Verwaltung scheint es schwer zu fallen, ein agiles Mindset in die Behördenkultur zu integrieren. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und wie können diese überwunden werden?
Die größte Herausforderung liegt meines Erachtens im Aufbrechen alter Herangehensweisen und zum Teil auch in der Gleichsetzung der Begriffe Agilität und Spontanität. Agile Projektarbeit gelingt dann, wenn in einer Behörde ein einheitliches Verständnis darüber herrscht, was unter Agilität zu verstehen ist und die Governance für agile Projektarbeit in den Strukturen verankert ist und von der Leitungsebene gewollt und unterstützt wird. Der Nutzen von Agilität muss auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung erkannt werden und von allen Beteiligten mitgetragen werden. Es geht um nicht weniger als einen Kulturwandel.
Was braucht es, um von einem Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung zu sprechen?
Kulturveränderung ist immer ein langer Prozess. Für eine umfassende Transformation spielt auch die Aus- und Weiterbildung eine große Rolle. Neue Strukturen und Offenheit gegenüber neuen oder fremden Methoden werden zwar von jüngeren Generationen mitgebracht, lassen sich aber nicht von allein in alle Bereiche integrieren. Der Mehrwert agiler Methoden und das Nutzen solcher muss geschult und zielführend in den Arbeitsalltag aller Kolleg:innen der öffentlichen Verwaltung integriert werden. Dazu bedarf es Geduld. Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind.
Die Bundesregierung hat angekündigt, interaktive, agile und digitale Zusammenarbeit voranzutreiben. Helfen Ihnen die neuen Initiativen wie der „Zukunftskongress“ und „Digitaler Staat“, mehr Akzeptanz für agile Projektmanagement-Methoden zu schaffen?
Aufgrund der politischen Neuerungen, aber auch, weil erkannt wurde, wie notwendig eine konsequente digitale Transformation ist, spüre ich in der öffentlichen Verwaltung einen deutlichen Fortschritt in Richtung agiles Mindset. Es gibt zahlreiche Initiativen, welche speziell großen und positiven Einfluss auf die moderne Arbeit der öffentlichen Hand haben.
An wen kann man sich wenden, wenn man Unterstützung oder Ideen benötigt?
Als erstes zunächst immer an die Stellen in der eigenen Behörde, die sich mit der Projekt-Governance beschäftigen. Hier gibt es oft schon gute Vernetzungen. So haben wir im ITZBund zum Beispiel eine Arbeitsgruppe, die das agile Mindset über die eigenen Behördengrenzen hinaus fördert. Eine ähnliche Initiative ist das Digital Innovation Team des BMI (DIT) und auch die Fachgruppe „Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung“ der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. kann eine gute Anlaufstelle sein.
Vielen Dank für diese spannenden Einblicke in die Welt des agilen Projektmanagements und der öffentlichen Verwaltung.
Unsere Artikelreihe „Transformation meistern“
- Zeit für die nachhaltige Rathaussoftware: Unser Experte Ronald Koß erläutert im Gespräch mit IT-Spezialist Jacob Friedrich, wie Behörden mit Blockchain Verwaltungsakte klimaschonend digitalisieren können.
- Weniger Fahrstuhl fahren für mehr Nachhaltigkeit: Wie können öffentliche Gebäude ökologischer betrieben werden? Darüber tauscht sich Ronald Koß im Podcast mit Immobilienexpertin Susanne Bonfig aus.