In der Parallelwelt Metaverse treffen sich Menschen als Avatare, gestalten ihre Freizeit, besuchen Veranstaltungen und arbeiten an gemeinsamen Projekten. Damit schaffen sie eine neuartige Verbindung zwischen digitaler Welt und realem Leben. Längst hat die Wirtschaft ihre Chancen erkannt. Unternehmen kaufen Immobilien und sichern sich Geschäft im virtuellen Raum.
So entsteht eine neue Welt, in der vielfach nicht klar ist, was die rechtlichen Folgen des Handelns sind. Nicht jede:r macht sich Gedanken über Verantwortlichkeit. Oftmals ist gar nicht bekannt, wer hinter einem Avatar oder einer virtuellen Firma steht. Die neuen Plattformen entwickeln sich in rasendem Tempo.
Was sind die häufigsten juristischen Fragen, welche Antworten gibt es bereits darauf und wie können Unternehmen mit noch ungeklärten Punkten umgehen?
Welche Rechtsordnung gilt und welche Gerichte sind zuständig?
Eine Frage, die sich spätestens im Streitfall stellt: Welche Rechtsordnung gilt für Vorgänge im Metaverse oder auch für dort begangene Straftaten? Und bei welchem Gericht können Ansprüche geltend gemacht werden? Das Metaverse selbst hat darauf keine Antwort. Jurist:innen können sich aktuell also nur daran orientieren, was auch in der analogen Welt gilt, wenn Personen verschiedener Nationalitäten sich streiten. Nach deutschem Recht ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk beispielsweise ein Anspruchsgegner seinen Sitz hat, an welchem Ort ein schädigendes Ereignis eintritt, wer angesprochen werden soll und mit welchem Land ein wirtschaftlicher Bezug besteht. In anderen Teilen der Welt könnte das allerdings anders geregelt sein. Nutzer:innen des Metaverse müssen also damit rechnen, auch an anderen Orten verklagt zu werden oder klagen zu müssen.
Handel im Metaverse ist nicht dasselbe wie Online-Shopping
Die Studie „Metaverse: (Un)bekannte Welt?“, die KPMG mit dem Sinus-Institut durchgeführt hat, sagt dem Handel im Metaverse eine ähnliche Entwicklung wie dem Internethandel voraus. Schon jetzt platzieren Hersteller ihre Produkte in der virtuellen Welt.
Doch was ist der Unterschied zum E-Commerce? Grundsätzlich muss man zwischen zwei Arten von Produkten unterscheiden, die Kund:innen im Metaverse erwerben können. Die erste und rechtlich unkompliziertere Variante sind Waren in Form von physischen Gegenständen. Diese wählen Kund:innen im Metaverse aus und lassen sie sich nach Hause liefern. Hier ergeben sich noch keine wesentlichen Unterschiede zum herkömmlichen Online-Shopping.
Die zweite Variante allerdings ist herausfordernder für Jurist:innen: Produkte, die ausschließlich im virtuellen Raum existieren. Solche rein digitalen Produkte sind eine der Besonderheiten des Metaverse. Die Blockchain ermöglicht aufgrund ihrer dezentralen Struktur nämlich, dass digitale Produkte ausschließlich der Verfügungsgewalt der Erwerber:innen unterliegen und diese so eine eigentümerähnliche Stellung einnehmen und nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen einen konkreten Anbieter. Hierbei stellen sich natürlich viele Fragen:
Was ist „digitales Eigentum“? Welche Rechte haben Konsument:innen, wenn das Produkt nicht so ist wie erwartet? Können sie sich auf Gewährleistung berufen? Genießen sie Verbraucherschutz? In dem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass virtuelle Güter und Immobilien meistens NFTs (Non-Fungible Token) sind und der Handel damit strenggenommen oft ein Finanzgeschäft. Bedeutet das, dass eigentlich Prospekthaftung gilt, also die Haftung für Wertpapiere? Wie steht es mit anderen aufsichtsrechtlichen Pflichten?
Was den Handel im Metaverse zusätzlich erschwert: Im Gegensatz zum Internethandel weiß der Händler nichts über seinen Käufer und dessen Standort. Eine weitere Herausforderung: Wie können Händler:innen AGBs einbeziehen oder ihren Informationspflichten genügen, wenn Kund:innen einen digitalen Laden per Avatar betreten?
Und haben die Käufer:innen einen Artikel erst gekauft, stellt sich die Anschlussfrage nach der Reichweite des Eigentums. Wem ein virtueller Gegenstand gehört, ist zwar eindeutig in der Blockchain festgelegt. Was aber, wenn ein Veräußerer den Käufer:innen verbietet, über den gekauften virtuellen Gegenstand weiter zu verfügen, wie es im Metaverse schon häufiger zu beobachten war? In der analogen Welt hätte so eine Vereinbarung nach deutschem Recht keine dingliche Wirkung gegenüber Dritten. Aber gilt das auch für die virtuelle Realität?
Wie funktioniert Markenschutz im Metaverse?
Zu den Topsellern im Metaverse gehören Modeartikel. Immer mehr Unternehmen bieten ihre Markenkleidung auch in der virtuellen Version an, damit Avatare im Metaverse Botschaften transportieren oder den Geschmack ihrer Schöpfer:innen widerspiegeln können. Textilunternehmen schützen ihre Marken in der Regel international in den für sie relevanten Märkten.
Doch gilt der Markenschutz aus der realen Welt auch dann, wenn der Designerschuh im Metaverse als 3-D-Objekt angeboten wird? Darauf verlassen sollte man sich jedenfalls nicht. Denn während der Schuh ein realer Gegenstand ist, besteht die virtuelle Version nur aus Daten. Auf der sicheren Seite ist man nur, wenn man auch für sein virtuelles Objekt eine Marke anmeldet. Ein Lichtblick in dem Zusammenhang: Virtuelle Güter sind zum Beispiel beim europäischen Markenamt in die Liste der akzeptieren Begriffe aufgenommen worden.
Allerdings ist damit noch nicht die Reichweite des Markenschutzes geklärt. Der territoriale Schutz der Marke endet an den Grenzen des Staates, in dem sie angemeldet wurde. Wie lässt sich das auf das Metaverse übertragen?
Urheberrechte gelten grundsätzlich auch im Metaverse
Im Unterschied zum Markenschutz gelten Urheberrechte in Deutschland auch ohne Eintragung in ein Register. In manchen Ländern ist das anders: In China beispielsweise können Urheberrechte nur durchgesetzt werden, wenn sie zuvor eingetragen wurden. Somit müssen auch Urheber:innen unter Umständen damit rechnen, dass ihre Werke im Metaverse von anderen genutzt werden, wenn sie diese nicht schützen lassen, wo es erforderlich ist.
Ein klassischer Anwendungsfall ist das digitale Kunstwerk. Für Kunstwerke können NFTs erzeugt werden, um damit handeln zu können. Das Auktionshaus Christie’s machte im Jahr 2021 Schlagzeilen, als es ein digitales Werk des Künstlers Beeple für 69 Millionen Dollar versteigerte, geschützt als NFT.
Eine Frage, die sich Jurist:innen stellen: Ein NFT ist eine Besitzurkunde, soviel steht fest, aber berechtigt es gegebenenfalls auch zur Nutzung im Sinne des Urheberrechts? Hierüber wird man bei der Übertragung des NFT Vereinbarungen treffen müssen. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich der Abschluss entsprechender Verträge, die die Nutzungsrechte umfänglich regeln.
Daten müssen auch im Metaverse geschützt werden
Bei einer 20-minütigen Nutzung eines VR-Headsets werden bis zu zwei Millionen Datenpunkte erfasst. Eine der großen rechtlichen Herausforderungen ist der Schutz dieser Daten. Auch im Metaverse gilt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – zumindest, wenn die Verantwortlichen ihren Sitz in der EU haben oder wenn es um Daten von Personen geht, die sich innerhalb der EU befinden. Anders als im Internet kann man allerdings nicht alle Orte eindeutig einem bestimmten Betreiber zuordnen. Was ist zum Beispiel mit Straßen und Plätzen? Wird es hier künftig Infrastrukturanbieter geben, die für die Daten in ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich sind?
Daten, die Nutzer:innen ins Metaverse übertragen, sind dabei oft besonders schützenswert. Mit Hilfe von Extended-Reality-Devices in Form von Headsets und anderen Sensoren können User:innen Mimik, Gestik und sonstige Bewegungen auf ihren Avatar zu übertragen. Das sind biometrische Daten, die sogar auf medizinische Indikationen schließen lassen können. Über die Pupille könnten auch Rückschlüsse auf Emotionen der Nutzer:innen gezogen werden. Die Verarbeitung solcher Daten setzt nach der DSGVO eine ausdrückliche Einwilligung der Nutzer:innen voraus. Hierbei wird die große Herausforderung darin liegen, die Nutzer:innen ausreichend über die Umstände der Datenverarbeitung aufzuklären und darüber, an wen die Daten übermittelt werden sollen. Unter Einbindung der Möglichkeiten der virtuellen Realität sind hier durchaus kreative Lösungsmöglichkeiten denkbar.
Viele ungeklärte Fragen auch bei der Steuer
Viele Fragen stellen sich auch bei der Steuer. Wo und wann sind Einnahmen zu versteuern und was zählt überhaupt als Einnahme? Fällt für ein virtuelles Grundstück Grunderwerbssteuer an?
Zumindest solange es keine Sonderregeln für das Metaverse gibt, ist jedenfalls eins wahrscheinlich: Das deutsche Finanzamt wird bei Umsätzen deutscher Unternehmen im Metaverse die Hand aufhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob und wann Euros auf dem Konto eingehen. Denn die Einnahme von Kryptowährungen und wohl auch von Token zählen bereits zum zu versteuernden Gewinn.
Fazit
Das Metaverse bietet der Wirtschaft viele Chancen, bringt aber viele Herausforderungen mit sich. Wer die virtuelle Welt betritt, sollte die möglichen rechtlichen Risiken sowie die Entwicklung der Technologien und des regulatorischen Rahmens im Blick haben. Die Gerichte werden sich in nächster Zeit vermutlich immer öfter mit den Rechtsfragen des Metaverse beschäftigen und auch der Gesetzgeber wird auf die Anforderungen der neuen virtuellen Welt reagieren müssen. Wahrscheinlich werden sich nach und nach – vergleichbar zu den Anfängen des Internet und des E-Commerce – rechtliche Besonderheiten zur Beurteilung von Vorgängen mit Bezug zum Metaverse entwickeln.