Auf rund 49.000 große Unternehmen in der EU kommen in den kommenden Jahren erhebliche Veränderungen in ihrer Berichterstattung zu. Gestaffelt bis 2026 werden diese Unternehmen zur Anwendung der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet. Neben einer Welle an neuen Berichtsanforderungen hinsichtlich anzugebender Nachhaltigkeitsinformationen im Lagebericht, weitet sich auch die Prüfungspflicht auf diese Nachhaltigkeitsinformationen aus.
Der Fokus im Erstellungsprozess von Jahres- und Konzernabschlüssen liegt damit nicht mehr nur auf Themenkomplexen wie Umsatzerlöse, Pensionsrückstellungen, Impairment und Derivate. Informationen über völlig andere „Währungen“ wie beispielsweise Tonnen CO2-Emissionen, Arbeitsunfälle, Menschenrechtsbedingungen, Einsatz schädlicher Substanzen oder Abfalldaten müssen gesammelt im Lagebericht offengelegt werden. Die Herausforderungen an die Organisation und Governance eines Unternehmens sind weitreichend. Klar ist, die Richtlinie der EU-Kommission ändert den Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen tiefgreifend. Dem Wert Nachhaltigkeit wird nun eine deutliche größere Rolle in den Abschlussprüfungen und Berichten eingeräumt.
Reporting im Wandel – CSRD-Richtlinien bedeuten großen Einschnitt
Die Einführung der International Financial Reporting Standards (IFRS) hatte Anfang der 2000er-Jahre umfangreiche Auswirkungen für betroffene Unternehmen. Ich erinnere mich an große Implementierungsprojekte und die Folgen in Accounting-Abteilungen der Unternehmen und in der Abschlussprüfung. In meinen Augen ist der Einschnitt durch die CSRD noch tiefer. Durch die Richtlinie der EU-Kommission verändert sich der Prüfungsgegenstand. Sowohl Unternehmen als auch wir als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sind gefordert, mit sich schnell wandelnden regulatorischen Vorgaben der EU umzugehen, diese umzusetzen, einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbericht zu gewährleisten und Vertrauen in die Informationen sicherzustellen.
Umfang der Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen
Informationen zu Nachhaltigkeit werden zukünftig denselben Stellenwert wie Finanzinformationen haben. Investoren werden Entscheidungen auf Grundlage der integrierten Berichterstattung beider Informationskategorien fällen. Nachhaltige Geschäftsmodelle sollen bei Kapitalströmen bevorzugt und Greenwashing verhindert werden. Die Prüfungspflicht spielt dabei eine große Rolle und schafft Vertrauen.
Derzeit ist die Prüfung von nicht-finanziellen Informationen in der EU freiwillig, auch der Umfang der freiwilligen Prüfung kann frei gewählt werden. Unternehmen können alle berichteten ESG-Kennzahlen prüfen lassen oder sich auf Einzelne beschränken und die Prüfungssicherheit individuell bestimmen. Mit Anwendung der CSRD ist mindestens eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit für alle anzugebenden Nachhaltigkeitsinformationen vorgeschrieben.
Angesichts der eben beschriebenen Wahrnehmung von Nachhaltigkeitsinformationen kann aber davon ausgegangen werden, dass einige insbesondere große Unternehmen – wie bereits jetzt schon – freiwillig die höhere Prüfungssicherheit wählen werden.
Unternehmen, die bis heute noch keinerlei Berührungspunkte mit Nachhaltigkeitsinformationen in der Berichterstattung hatten und als große Kapitalgesellschaft oder mittelgroße bzw. kleine Public Interest Entity (PIE) 2025 bzw. 2026 unter die CSRD fallen, sollten sich jetzt bereits Gedanken machen und die Auswirkungen nicht unterschätzen.
Auswirkungen auf die Abschlussprüfung: Integrierte Prüfung
In den ersten Anwenderjahren benötigen Wirtschaftsprüfungsunternehmen ESG-Experten, die die Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen unterstützen und übernehmen, so wie es mit anderen Spezialthemen wie Steuern, Derivate oder Unternehmensbewertungen bereits der Fall ist. Perspektivisch wird die Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen wie einst das Know-how zu IFRS allen Prüfungsmitarbeitenden in Fleisch und Blut übergehen. In meinen Augen ist es entscheidend, dass die Prüfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen integriert erfolgt. Unternehmensverständnis, Risikoeinschätzung sowie Prozess- und Systemverständnis sind gleichermaßen unerlässlich und die Basis des risiko-orientierten Prüfungsansatzes. Im Rahmen des Prüfungsprozesses bestehen Abhängigkeiten. Datenanalysen sowie Künstliche-Intelligenz-Technologie können außerdem synergetisch genutzt werden.
Spezialistenwissen ist gefragt
Genauso wie sich Unternehmen damit beschäftigen müssen, wie gemäß der CSRD definierte Kennzahlen als Daten generiert werden und in ein Reporting einfließen, beschäftigen wir uns als Abschlussprüfer mit der Prüfung dieser Daten und Kennzahlen. Hierbei geht es nicht mehr rein um Zahlen, sondern in Teilen um sehr spezifisches Wissen. Nehmen wir Kennzahlen zu Tonnen CO2 oder Biodiversität, so wird uns schnell bewusst, dass reine Accounting-Erfahrung nicht ausreicht. Naturwissenschaftliche Expertise ist gefragt und daher wird sich die Zusammensetzung eines Prüfungsteams verändern.
Die Auswirkungen der CSRD sind somit in vielerlei Hinsicht groß: Kreis der betroffenen Unternehmen, Anzahl der Berichtsanforderungen, Veränderungen im Abschlusserstellungsprozess, Umfang der zusätzlichen Prüfungsleistung. Eine gute Vorbereitung mit ausreichender Vorbereitungszeit ist damit unerlässlich.