Wie gelingt der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern? Und wie kann dieser Kraftakt gelingen, angesichts unterschiedlicher Ansichten aller beteiligten Länder? Unter anderem über diese Fragen wird ab dem 30. November bei der 28. UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai debattiert und verhandelt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frage, wer für die Schäden des Klimawandels aufkommt.
Auf der Weltklimakonferenz sind 198 Vertragsparteien vertreten. Damit sind in Dubai im Grunde nahezu alle Länder der Welt vertreten. Dazu kommen nochmal 3.000 Vertreter von internationalen Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen. Insgesamt kommen bis zum 12. Dezember mehr als 70.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen.
Vor Ort ist auch unser EMA Head of ESG Insights & Innovation, Dr. Benedikt Herles. Wir sprechen mit ihm darüber, was er sich von der Konferenz erwartet und welche Beschlüsse es aus seiner Sicht braucht, damit die Umsetzung des 1,5-Grad-Ziels gelingt.
In unserem Live-Webcast am 6. Dezember 2023 diskutieren wir mit hochrangigen Experten von Zurich, KfW und Germanwatch e.V. die wichtigsten Ergebnisse der COP28. Wir werden aktuelle Entwicklungen der Konferenz live aus Dubai einordnen und interpretieren. Für Ihre individuellen Fragen ist ein Q&A eingeplant. Hier melden Sie sich an.
Welche Erwartungen hast du an die COP28?
Meine Hoffnung ist, dass die COP28 die kollektive Aufmerksamkeit wieder in Richtung Klimakrise lenkt. Politik und Wirtschaft müssen sich gerade mit zahlreichen anderen geopolitischen und makroökonomischen Herausforderungen beschäftigen: Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, Decoupling zwischen China und den USA, Inflation, globale Wachstumsschwäche und Migration. Gleichzeitig können wir es uns aber schlicht nicht erlauben, die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung zu de-priorisieren. Die Folgen der globalen Erwärmung werden schon jetzt immer offensichtlicher und die Zeit läuft uns davon.
Was sind die drängendsten Themen in diesem Jahr?
Verhandlungen und Diskussionen werden sich zum einen um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern drehen. Aktuell planen fast alle der 20 größten Förderländer, im Jahr 2030 mehr Öl, Gas und Kohle zu produzieren als heute. Falls das so kommt, wäre es kaum möglich die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Dementsprechend laut sind die Stimmen, die klare Verpflichtungen zu einem „Phase-out“ auf der Konferenz fordern.
Der Ausstieg aus fossiler Energie ist aber nur eine Seite der Medaille. Der Ausbau der Erneuerbaren ist die andere. Hier sollten wir viel schneller werden und auch hier erwarte ich spannende Ankündigungen.
Ebenfalls wichtig wird der sogenannte „Global Stocktake“ werden. Die UN hat eine Art Bestandsaufnahme zum Status der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens vorgenommen. Die Ergebnisse sollen in Dubai vorgestellt werden. Damit haben wir eine erste Zwischenbilanz zur Erreichung der Klimaziele.
Und dann wird es natürlich – wie auch schon auf der COP27 – wieder um das Thema „Loss and Damage“ gehen, also um die Frage wer für Klima-Schäden und -Verluste aufkommt.
Lass uns näher auf Deinen letzten Punkt eingehen. Auf der Klimakonferenz im vergangenen Jahr wurde ein Loss and Damage Fund für Klimaschäden und – verluste beschlossen. Was ist seitdem passiert?
Offen gestanden weniger, als sich viele erhofft hatten. Nach monatelangen und schwierigen Verhandlungen des eingesetzten UN-Komitees haben die Unterhändler jetzt Empfehlungen für den Fonds ausgearbeitet, die den Regierungen auf der COP28 zur Genehmigung vorgelegt werden. Demnach soll die Weltbank den Fonds managen. Finanzielle Beiträge sollen aber freiwillig bleiben. Wieviel Geld tatsächlich in diesem Vehikel zusammenkommt, lässt sich aktuell noch nicht sagen.
Der KPMG Zukunftsgipfel ist unser digitales Event zu den wichtigen Wirtschaftsthemen unserer Zeit. Am 30. November diskutieren wir mit hochkarätigen Expertinnen und Experten, wie sich die nachhaltige Transformation umsetzen lässt und wie Gewinnstreben und Klimaschutz unter einen Hut zu bringen sind. Benedikt Herles wird live von der COP zugeschaltet. Hier erfahren Sie mehr zum Zukunftsgipfel – melden Sie sich jetzt an.
Welche Beschlüsse braucht es deiner Meinung nach bei der Konferenz, damit die Umsetzung des 1,5-Grad-Ziels gelingt?
Das Motto der KPMG-Delegation auf der COP28 lautet: „Breaking down the social-, technology-, capital- and policy barriers to climate action.” Das trifft es auf den Punkt. Wir brauchen Wandel in allen Dimensionen, um Klimaschutz und -anpassung auf das nötige Tempo zu beschleunigen. Nehmen wir nur einmal den Ausbau der erneuerbaren Energien. Bestehende Kapazitäten müssen sich bis 2030 – das ist in sieben Jahren – verdreifachen, um das 1,5 Grad Ziel am Leben zu halten. Ich hoffe, dass wir in Dubai Beschlüsse sehen werden, die uns diesem Ziel ein Stück näherbringen.
Welchen Einfluss können konkrete Beschlüsse der Konferenz auf Unternehmen haben?
Zu unterscheiden sind die großen Beschlüsse der UN-Konferenz selbst, und die vielen kleineren Ankündigungen im Rahmen der COP28. Die Klimakonferenzen werden von einzelnen Regierungen gerne genutzt, um neue Regulierungen oder Maßnahmen anzukündigen. Oft haben diese nationalen Initiativen mehr Auswirkungen auf Unternehmen als das, was auf der großen Bühne der UN passiert. Ein Beispiel: Vergangenes Jahr hat eine durch die britische Regierung eingesetzte Taskforce auf der COP27 den Entwurf für ein Rahmenwerk für die Veröffentlichung von Climate Transition Plans von Unternehmen veröffentlicht. Das hatte Signalwirkung für alle großen Unternehmen – nicht nur in Großbritannien.
Du hast es eingangs erwähnt: Die COP28 findet in einer Zeit intensiver geopolitischer und makroökonomischer Unsicherheiten und Krisen statt. Wie können wir sicherstellen, dass Klimaschutz und -anpassung trotzdem hoch priorisiert werden – sowohl im politischen als auch im unternehmerischen Bereich?
Wir sollten verstehen, dass es schlicht nicht möglich ist, das Thema Klima zu vernachlässigen. Viele der aktuellen Herausforderungen hängen mit dem Klimawandel bzw. dem Klimaschutz zusammen. Ein Beispiel aus dem politischen Feld: Die Erderwärmung bekämpfen bedeutet auch eine entscheidende Fluchtursache in Afrika und damit Migrationsbewegungen zu adressieren. Ein Beispiel aus Unternehmen: Die Umstellung auf eine Versorgung mit erneuerbaren Energien bringt in Krisenzeiten Resilienz gegenüber steigenden Öl- und Gaspreisen. Wirtschaft und Politik sollten in einem Umfeld multipler Krisen also ganzheitlich denken.
Die COP28 wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgerichtet. Welche Bedeutung hat die Ausrichtung dieser wichtigen Nachhaltigkeitskonferenz für den Staat?
Der Austragungsort der Konferenz ist bekanntlich Gegenstand kontroverser Diskussionen. Das ist nachvollziehbar. Wohlstand und Einfluss der Golfstaaten basieren auf der Förderung fossiler Energie. Ich persönlich bin jedoch der festen Überzeugung, dass wir die globale Energiewende nur zusammen mit der Öl- und Gasindustrie und nicht ohne sie schaffen werden – das gilt auch für den Nahen Osten.
Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate haben längst verstanden, dass sie ihre Wirtschaft diversifizieren müssen. Das Emirat Dubai ist seit vielen Jahren ein Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Ich war selbst erst vor einigen Wochen in der Region und habe in meinen Gesprächen eine große Offenheit und Begeisterung für Investitionen in erneuerbare Energien erlebt. Ich würde mir wünschen, dass die COP28 das Momentum der Transformation der Region weiter verstärkt.