Die ägyptische Stadt Sharm El-Sheikh

COP 27 in Ägypten: Diese Themen werden wichtig

Was wir von der Klimakonferenz in diesem Jahr erwarten können – eine Einschätzung.

Am Sonntag, den 6. November 2022, beginnt die 27. UN-Klimakonferenz (COP 27) im ägyptischen Sharm El-Sheikh. Alle Vertragsstaaten sind aufgerufen, bis zur Konferenz ihre nationalen Klimaziele zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Zudem sollen sie bis dahin langfristige Strategien formuliert haben, um in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten das Netto-Null-Ziel zu erreichen.

Vor Ort ist auch unser EMA Head of ESG Insights & Innovation, Dr. Benedikt Herles. Wir sprechen mit ihm darüber, was er sich von der Konferenz erwartet, wie Klimaschutz und -anpassung nachhaltig finanziert werden können und welche Bedeutung das Event für den Austragungskontinent Afrika hat.

Welche Erwartungen hast du an die COP 27?

Diese COP wird auch als „Implementation COP“ bezeichnet. Im Zentrum der Verhandlungen werden weniger neue Klimaschutzziele als mehr Maßnahmen zur Realisierung existierender Ambitionen stehen. Aktuell offenbart sich eine eklatante Diskrepanz zwischen dem Übereinkommen von Paris und den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen auf nationaler Ebene. Ein Erfolg wäre es, wenn diese Klimakonferenz signifikant dazu beiträgt, diese Lücke zu schließen.

Daneben hoffe ich auf Fortschritte bei anderen brennenden Themen, zum Beispiel bei der Frage nach einer gerechten globalen Finanzierung von Klimaschutz und -anpassung, sowie bei der Haftung für Schäden und Verluste, die durch den Klimawandel verursacht werden.

Gibt es deiner Meinung nach durch solche Events Fortschritte mit Blick auf den Klimaschutz?

Der Klimawandel und seine Folgen sind planetare Probleme und können auch nur global adressiert werden. An internationalen klimapolitischen Verhandlungen führt deshalb kein Weg vorbei. Die Einigung auf ein 1,5 Grad-Ziel war ein Durchbruch auf der COP 21 in Paris. Seitdem haben wir beim Klimaschutz große Fortschritte gemacht. Aber natürlich stehen wir längst nicht dort, wo wir stehen müssten. Das zeigt nicht zuletzt der jüngste Report der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC).

Mit den aktuellen nationalen Klimaschutz-Maßnahmen aller Länder bewegen wir uns momentan in einem 2,5 Grad Erderwärmungsszenario bis zum Ende des Jahrhunderts. Hier gilt es jetzt nachzulegen und die Konferenz in Sharm el-Sheikh kann dazu einen Beitrag leisten.

Die COP 27 findet in einer Zeit intensiver geopolitischer und makroökonomischer Unsicherheiten und Krisen statt. Wie können wir sicherstellen, dass Klimaschutz und -anpassung trotzdem hoch priorisiert werden – sowohl im politischen als auch im unternehmerischen Bereich?

Das ist tatsächlich in der kurzen Frist herausfordernd. Ein Beispiel: Auf der COP 26 in Glasgow vergangenes Jahr hat sich die Staatengemeinschaft nach schwierigen Verhandlungen auf ein Auslaufen der Kohle als Energiequelle verständigt. Ein echter Meilenstein. Aber seitdem hat sich die Weltlage verändert. Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise in Europa haben dazu geführt, dass Kohle sogar intensiver genutzt wird als je zuvor. Kohlekraftwerke sind wieder ans Netz gegangen, 2022 bringt nun eine globale Rekordnachfrage nach Kohle. Ein Dilemma, denn verständlicherweise ist Politiker:innen kurzfristige Energiesicherheit wichtiger als der Kampf gegen den Klimawandel.

Klar sollte aber auch sein, dass Klimaschutz und -anpassung keine Schönwetter-Themen sein können. Sowohl auf staatlicher Ebene als auch im privaten Sektor sind entschlossene Klimastrategien elementar für langfristige Sicherheit und Resilienz. Perspektivisch bin ich mir sicher, dass die aktuelle Krise die Energiewende sogar beschleunigt. Die Versorgung mit erneuerbaren Energien bringt geostrategische Unabhängigkeit. Auch vor diesem Hintergrund wird die nötige Transformation gerade in Europa mit noch mehr Nachdruck vorangetrieben werden müssen.

Wie können Klimaschutz und -anpassung nachhaltig finanziert werden?

Ein heißes Thema, auch wieder auf der diesjährigen Klimakonferenz. Problematisch ist vor allem die Finanzierung der Klimaanpassung. Auf der COP 26 in Glasgow hatten sich die Industrieländer dazu verpflichtet, ab dem Jahr 2025 jährlich 40 Milliarden Dollar für den globalen Süden zu mobilisieren – „Adaption Finance“ lautet das große Schlagwort. Nach aktuellen Studien scheint dies nicht zu erreichen. Dabei benötigen Schwellen- und Entwicklungsländer tatsächlich deutlich mehr Mittel um in neue Infrastruktur – wie zum Beispiel Hochwasserschutz – zu investieren.

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) prognostiziert die tatsächlichen Kosten für Klimaanpassung in Entwicklungsländern deutlich höher – auf 295 Milliarden Dollar jährlich im Jahr 2050. Die Mobilisierung von Kapital, also sowohl öffentliche als auch private Gelder, wird eine der zentralen Säulen der Verhandlungen auf der COP 27 sein.

Die COP 27 findet in Afrika statt. Welche Bedeutung hat Deiner Meinung nach die Ausrichtung dieser wichtigen Nachhaltigkeitskonferenz für den Kontinent?

Eine große – zumindest symbolisch. Dies ist erst die fünfte COP auf afrikanischem Boden. Viele Beobachter:innen nennen diese Klimakonferenz „Afrikas COP“. Der Kontinent ist verantwortlich für nur rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen, leidet aber massiv unter den Folgen der Erderwärmung. Man denke nur an die nun schon seit Jahren andauernde Dürre im Osten Afrikas. Die Forderung nach substanzieller finanzieller Unterstützung aus dem globalen Norden ist deshalb mehr als gerechtfertigt. Afrikanische Länder brauchen Wirtschaftswachstum, um Armut bekämpfen zu können. Gleichzeitig müssen auch sie perspektivisch einen Weg heraus aus den fossilen Energieträgern finden. Eine gigantische Herausforderung dieses Kontinents.

Vielen Dank für das Gespräch.

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