Dekarbonisierung: Hürde und Chance für die deutsche Industrie. Zu sehen ist ein Meer mit Windrädern, das durch eine farbliche Mauer geteilt wird.

Große deutsche Firmen verfehlen ihre Klimaziele zur Dekarbonisierung

Ein Gespräch über den Status Quo der deutschen Wirtschaft auf dem Weg zu Net Zero.

Keyfacts:

  • Auf der COP29 verhandelt die Staatengemeinschaft zur Zukunft der Klimafinanzierung.
  • Die Dekarbonisierung des Industriesektors ist eine zentrale Herausforderung Deutschlands .
  • “Climate Transition Plans” sind für Unternehmen nicht nur regulatorische Pflicht, sondern können zentraler Werttreiber sein .

    Im Interview ordnen Dr. Benedikt Herles, Director, EMA Head of ESG Insights & Innovations, und Keywan Ghane, Partner, Performance & Strategy, den Status Quo auf dem Weg zu Klimaneutralität in Deutschland ein und erklären, welche Rolle dem deutschen Industriesektor dabei zukommt.  

    Steht das Thema Dekarbonisierung nach wie vor ganz oben auf der Management-Agenda?  

    Benedikt Herles: Ganz klar, das Thema Klima-Transformation erfährt aktuell Gegenwind. Das gilt sowohl für die politische Bühne – egal ob in Deutschland, der EU oder in den USA – als auch für die Wirtschaft. Das ökonomische Umfeld ist aktuell sehr herausfordernd. Unternehmen agieren in einer Gemengelage aus konjunktureller Schwäche, Fachkräftemangel, steigenden Energiekosten und geopolitischen Herausforderungen. Es wäre aber falsch vor diesem Hintergrund die Klimatransformation zu de-priorisieren. Denn die Anpassung von Betriebs- und Geschäftsmodellen auf dem Weg in Richtung Net Zero bietet viele Wertpotenziale, gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. 

    Welche Rolle fällt dabei dem Industriesektor zu?  

    Keywan Ghane: Gemessen am BIP ist Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Deutschland hat etwa 5,3 Prozent der gesamten CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verursacht. Der Industriesektor ist das Herzstück der deutschen Wirtschaft und verzeichnet nach Japan den zweitgrößten Anteil an der Fertigungsindustrie innerhalb der G7-Staaten.  

    Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der KPMG-Dekarbonisierungsstudie? 

    Benedikt Herles: Die Studie zeigt, dass der Weg zu Netto-Nullemissionen für viele Unternehmen in Deutschland eine komplexe Herausforderung darstellt. Während die meisten Führungskräfte die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Dekarbonisierung erkennen, kämpfen viele mit der Umsetzung. Wir haben für die Studie die Nachhaltigkeitsberichte der 160 größten in Deutschland gelisteten Unternehmen analysiert. Dabei kam raus, dass sich eine Mehrheit der Unternehmen Klimaziele für Scope-1 und -2-Emissionen gesetzt hat, allerdings wiederum eine Mehrheit der Firmen aktuell hinter ihren selbstgesteckten Zielen hinterherläuft. 

    Wie können Unternehmen gleichzeitig die Dekarbonisierung meistern und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten? 

    Keywan Ghane: Unternehmen müssen klare und integrierte Climate Transition Plans entwickeln, die nicht nur Dekarbonisierungsmaßnahmen umfassen, sondern auch finanzielle Schätzungen, Prozesse und Strukturen. Solche Pläne helfen, die spezifischen geschäftlichen Herausforderungen zu verstehen und die Auswirkungen der Dekarbonisierung auf das Betriebsmodell und die Finanzplanung zu bewältigen. Es ist entscheidend, dass Unternehmen ihre Emissionen genau messen und kontinuierlich verbessern. 

    Wo steht die deutsche Industrie im internationalen Vergleich beim Thema Dekarbonisierung? 

    Benedikt Herles: Deutsche Unternehmen sind allein schon aufgrund der hier geltenden regulatorischen Anforderungen gezwungen, die Klimatransformation prioritär voranzutreiben. Diese „Pole Position“ in der Transformation sollte die deutsche Wirtschaft im Sinne ihrer langfristigen Wettbewerbsposition auf den Weltmärkten nutzen. Die EU-Regulierungslandschaft schafft natürlich neue Herausforderungen für Unternehmen, aber eben auch Chancen.  

    Welche kurzfristigen Maßnahmen können Unternehmen ergreifen, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen? 

    Keywan Ghane: Ein einfacher und effektiver Hebel ist der Wechsel zu “grünen” Energiequellen, um die zugekauften indirekten Energie-Emissionen zu reduzieren. Unternehmen sollten auch sicherstellen, dass ihre Lieferanten mit ihren Dekarbonisierungszielen übereinstimmen und Innovationen durch Zusammenarbeit fördern. Es ist wichtig, jetzt zu handeln und nicht auf zukünftige technologische Durchbrüche zu warten. 

    Benedikt, Du bist selbst auf der COP29 – welche Rolle spielt dort die Wirtschaft und deutsche Unternehmen.  

    Benedikt Herles: Die COP29, genauso wie die vergangenen UN-Klimakonferenzen, sind immer auch wichtige Veranstaltungen für die Wirtschaft. Aus gutem Grund: Die physischen und transitorischen Klimarisiken für Unternehmen sind deutlich gestiegen. Die Folgen des Klimawandels bedrohen immer öfter auch Lieferketten. Der regulatorische Veränderungsdruck steigt. Gleichzeitig ist die Klima-Transformation aber eben auch eine große Opportunität für Investoren und Unternehmen, die jetzt in die Wertschöpfungsketten und Infrastruktur der Zukunft investieren. Deshalb ist es gut und wichtig, dass sich nicht nur Diplomaten, Politiker und NGOs zu diesen Themen austauschen, sondern auch Entscheidungsträger aus der Wirtschaft.   

    Was sind die nächsten Schritte für Unternehmen, die ihre Dekarbonisierungsreise beginnen möchten? 

    Keywan Ghane: Unternehmen sollten ihre Emissionen genau kennen und mit einer Emissionsinventur beginnen. Ehrgeizige, aber erreichbare Ziele unterstützen das gemeinsame Verständnis innerhalb des Unternehmens. Es ist wichtig, eine Struktur zu schaffen, die klare Klimagovernance, interne Kohlenstoffpreise und die Integration von Klimaüberlegungen in die Unternehmenskultur umfasst. Unternehmen sollten auch die Auswirkungen wichtiger Investitionen sorgfältig prüfen und schrittweise neue und innovative Wege zur Emissionsreduzierung erforschen. 

     

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