Kraftwerksstrategie

Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung kann noch nicht final sein

Es bedarf mehr flexibler Kraftwerke, Investorenanreize und einer europäischen Perspektive.

Es geht um eine Schlüsselfrage für den Standort Deutschland: Die Bundesregierung plant mit ihrer neuen Kraftwerksstrategie die Dekarbonisierung des deutschen Stromsystems bei gleichzeitigem Erhalt der Versorgungssicherheit.

Dazu sieht sie die Förderung innovativer Technologien wie Elektrolyseure oder Kernfusion sowie den Bau weiterer H2-ready-Gaskraftwerke vor. Diese können zunächst mit Gas konventionell betrieben werden und sind gleichzeitig jederzeit bereit, auf C02-neutralen Wasserstoff umzusteigen. Ein weiterer Vorteil: Unzuverlässige Energielieferungen von Wind und Sonne können durch die Gaskraftwerke ausgeglichen werden, denn sie lassen sich innerhalb weniger Minuten hoch- oder herunterfahren – im Gegensatz zu Kern- und Kohlekraftwerken. Damit bilden Gaskraftwerke eine zentrale Komponente in der Übergangsphase hin zu einem System, das vollständig auf erneuerbaren Energien basiert.

Versorgungslücke droht

Der Plan der Bundesregierung, weitere H2-ready-Gaskraftwerke auszuschreiben, ist also sinnvoll, greift aber zu kurz. Angedacht sind momentan 10 GW an Kapazität. Gebraucht werden – laut mehrerer Studien – aber mindestens bis zu 30 GW mehr. Ursächlich hierfür sind mehrere Faktoren, insbesondere die Bedarfsabschätzung und die benötigte Backup-Kapazität in Dunkelflauten. Hier entsteht also eine Versorgungslücke.

Dies ist der Bundesregierung offenbar bewusst. Denn bereits im vergangenen Jahr verständigten sich das Wirtschaftsministerium und die Europäische Kommission auf einen Regulierungsrahmen, der einen Ausbau von immerhin fast 24 GW vorsah. Offenbar ist dieser weitere Ausbau nun in die Zukunft verschoben. Das könnte zum Problem werden. Denn die Zeit drängt. Laut führender Energiekonzerne dauert der Bau eines Gaskraftwerks vier bis sieben Jahre.

Zwar könnte zusätzlich benötigter Strom importiert werden. Allerdings haben auch unsere Nachbarn die Energiewende zu bewältigen. Auch dort könnten also Engpässe auftreten.

Klar ist, der Handlungsbedarf geht über die Pläne der aktuellen Kraftwerksstrategie hinaus, sollen künftig sowohl Klimaziele und Netzstabilität erreicht, der Bedarf gedeckt – und die Kosten überschaubar bleiben. Im schlimmsten Fall könnte es sogar notwendig werden, den Verbrauch zu regulieren.

Was gilt es also zu tun?

Erstens: Es bedarf mehr Ausschreibungen für H2-ready-Kraftwerke als bislang in der Strategie vorgesehen, um den Strombedarf flexibel zu decken. Sobald grüner Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht, dienen dann ja auch diese vollumfänglich den Zielen der Dekarbonisierung.

Zweitens: Die Energiewende ist nicht nur eine nationale Frage. Ganz Europa sieht sich mit den Herausforderungen schwankender Wind- und Sonnenergie konfrontiert. Zwar sind Stromimporte und -exporte schon heute an der Tagesordnung. Dennoch sollten die Knotenpunkte zu den Nachbarländern deutlich ausgebaut werden, damit Energie über Ländergrenzen hinweg – je nach Aufkommen und Bedarf – noch besser wechselseitig transportiert werden kann.

Drittens: Die Einführung eines Kapazitätsmarktes könnte eine Schlüsselrolle spielen. Konkret würde dies bedeuten, Bau und Betrieb flexibler Kraftwerke für private Investoren attraktiver zu machen, und zwar durch finanzielle Anreize. Dazu könnte gehören, auch bereitgestellte Reservekapazitäten zu vergüten. Zwar sieht die aktuelle Kraftwerksstrategie die Entwicklung eines „marktlichen, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus“ bis 2028 vor. Die Einigung innerhalb der Bundesregierung steht hierzu allerdings noch aus.

Das ist schade. Denn uns fehlt – mit Blick auf die langen Bauphasen der Kraftwerke, den fortschreitenden Klimawandel sowie die anhaltende Energiekrise – schlichtweg die Zeit.

Autor:innen: Michael Salcher, Johannes Richter, Leila Sepanlou