Eine Luftaufnahme zeigt ein Elektroauto auf einer Straße fahrend. Die Straße wird von einzelnen Bäumen gesäumt; ringsherum ist hellgrüne Landschaft zu sehen.

EU will mit neuer Verordnung entwaldungsfreie Lieferketten schaffen

Wen die wegweisende Regelung betrifft und welche Herausforderungen sie birgt.

Die Europäische Union (EU) hat ihre Verpflichtung zur Nachhaltigkeit im Zuge des European Green Deal nochmals unterstrichen: Mit einem neuen Gesetz, das auf den Prinzipien von Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG) basiert, setzt die EU ein Signal im Kampf gegen die Folgen von Klimawandel und Entwaldung.

Entwaldungsfreie Lieferketten: Ein Meilenstein für globale Nachhaltigkeitsbemühungen

Die kürzlich verabschiedete EU-Verordnung zur entwaldungsfreien Lieferkette (EU Deforestation-free Regulation – EUDR) markiert einen entscheidenden Fortschritt im globalen Bestreben, die negativen Auswirkungen der Entwaldung einzudämmen. Sie zielt darauf, die biologische Vielfalt in den Waldregionen zu bewahren und die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Denn Wäldern kommt bei der Eindämmung der Klimaerwärmung eine wichtige Rolle zu, da sie große Mengen an Kohlenstoff binden können.

Hierzu legt die von dem Europäischen Parlament und dem Rat angenommene Verordnung strenge Sorgfaltspflichten für Unternehmen fest, die bestimmte Rohstoffe und daraus hergestellte Produkte auf dem europäischen Markt in Verkehr bringen oder von dort ausführen. Für diese Rohstoffe werden beispielsweise in Asien und Südamerika bislang Waldflächen in Landwirtschaft umgewandelt. Sie tragen damit zur Entwaldung bei.

Um diese Produkte geht es

Zu den betroffenen Rohstoffen gehören Rinder, Kautschuk, Holz, Palmöl, Soja, Kakao, Kaffee und deren daraus hergestellten Erzeugnisse. Diese Produkte dürfen nur noch in der EU gehandelt werden, sofern sie diese Bedingungen erfüllen:

  • Entwaldungsfreiheit seit 2020
  • Einhaltung der Rechtsvorschriften des Ursprungslandes
  • Vorliegen einer Sorgfaltserklärung

Nicht nur die Lebensmittelindustrie ist in der Pflicht, sondern auch Sektoren wie Bauwesen, Kosmetik, Automobil- und Textilindustrie, Energieerzeugung und viele mehr.

EUDR erlegt Unternehmen Berichtspflichten auf

Die regulatorischen Anforderungen und Maßnahmen reichen dabei tief in die Lieferkette hinein:

  1. Informationsanforderungen: Unternehmen müssen genaue Informationen zu Herkunft, Menge, Ursprungsländern und Lieferanten der Rohstoffe liefern. Zudem sind eine Geolokalisierung der Anbaugebiete sowie Nachweise zur Entwaldungsfreiheit und Rechtskonformität erforderlich.
  2. Risikobewertung: Die EUDR fordert eine umfassende Bewertung, die Herkunftsland, Waldbestand und Komplexität der Lieferketten berücksichtigt.
  3. Risikominderung: Unternehmen müssen Strategien zur Risikominderung entwickeln und jährlich überprüfen.

Neben diesen Auflagen müssen Unternehmen auch regelmäßige Berichte über die Einhaltung der Verordnung abgeben. Die Konformitätsregeln müssen jährlich überarbeitet und aktualisiert werden. Unternehmen sind zudem dazu verpflichtet, öffentlich über ihre Maßnahmen, Risikobewertungen und getroffenen Vorkehrungen zu berichten. Zur Sorgfaltspflicht der EUDR zählt ferner, dass die Dokumentation dieser Informationen für fünf Jahre aufbewahrt und auf Anfrage den Behörden vorgelegt wird.

Die Frist zur Umsetzung der EUDR hat bereits begonnen und endet für Nicht-KMU am 30. Dezember 2024. Bei Verstößen sieht die Verordnung klare Sanktionen vor. Mehr zum Inhalt der EUDR lesen Sie in unserem Überblick.

Ein richtiger Schritt, der aber Probleme aufwirft

Ziel der Verordnung ist es, Unternehmen stärker in die Verantwortung für Lieferketten mit entwaldungsfreien Produkten zu nehmen und Transparenz zu schaffen. Damit geht die EUDR in die richtige Richtung. Dennoch birgt die Verordnung auch einige Herausforderungen.

Besonders signifikant ist die weitreichende Anwendbarkeit auf Unternehmen jeglicher Größe. Selbst kleinere Unternehmen sind von diesen Vorgaben betroffen, was eine Gratwanderung zwischen den erforderlichen Standards und ihrer operativen Umsetzbarkeit darstellt. Zudem könnte die Verordnung unbeabsichtigt potenzielle Handelsbarrieren schaffen, die diskriminierende Auswirkungen haben.

Insbesondere Brasilien, aber auch andere Mercosur-Länder haben bereits angekündigt, sich nicht an der europäischen Regulierung zu orientieren, sondern die nationale Rechtslage zum Maßstab zu machen. Dies birgt die Gefahr der Abwanderung zu Handelspartnern mit weniger regulierten Märkten.

Dies gilt auch für das Prinzip der Rückwirkung, das darauf abzielt, Entwaldung entlang der Lieferketten ab dem Jahr 2020 zu unterbinden.

EUDR könnte Großunternehmen bevorteilen

Kritiker betonen auch, dass die Verordnung dazu führen könnte, dass die Unterstützung für Kleinbauern vernachlässigt wird, und möglicherweise Großunternehmen eher begünstigt werden. Zwar weist die EU darauf hin, dass die Lage der Kleinbauern geprüft und bewertet werden soll – doch die Tatsache, dass diese Evaluierung erst fünf Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung stattfindet, wirft Bedenken auf.  Großunternehmen könnten langfristig von der Regelung profitieren und überleben, während kleinere Akteure aufgrund von Ressourcenmangel und fehlendem Zugang zum Rechtssystem leiden könnten. Hier ist erkennbar, wie in ESG-Regularien das „S“ (Sozialverantwortung) mangelhaft adressiert wird.

Die Balance zwischen verantwortungsbewusster Unternehmensführung und Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend regulierten Landschaft

Die EU-Verordnung über eine entwaldungsfreie Lieferkette stellt zweifellos einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dar. Zugleich verdeutlicht sie auch die Komplexität und die Abwägungen, die bei der Umsetzung von ESG-Regularien erforderlich sind. In einer Welt, in der immer mehr solcher Regelungen wie die EU-Taxonomie, die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) eingeführt werden, bleibt die Herausforderung bestehen, das richtige Gleichgewicht zwischen verantwortungsvoller Unternehmensführung und Wettbewerbsfähigkeit zu finden.

Um dies zu erreichen, sollten Unternehmen ihr Compliance Management auf den Stand bringen, den die aktuelle und zukünftige Regulierung erfordert. Konkret bedeutet dies, eine umfassende Analyse der aktuell verfügbaren Daten durchzuführen, um die geforderte Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der Wertschöpfungskette zu erreichen. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf die Geolokalisierung gelegt werden, da diese die Grundlage für weitreichende strategische Entscheidungen in Bezug auf die Wertschöpfungskette liefern wird. Im nächsten Schritt ist eine Risikobewertung der verschiedenen Produktkategorien durchzuführen, um Maßnahmen zur Risikominimierung einzuleiten. Dabei sollten die Unternehmen nicht isoliert vorgehen, sondern Synergien aus bereits bestehenden Prozessen aus verwandten Regelwerken (LkSG, Compliance Kodex, etc.) nutzen.