Die Cloud-Nutzung ist in deutschen Unternehmen mittlerweile nicht nur Standard. Die meisten Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden setzen sogar auf eine Cloud-First-Strategie. Das ist eine bemerkenswerte Erkenntnis aus der repräsentativen Umfrage zum KPMG Cloud-Monitor 2023.
Das Management von Cloud-Infrastrukturen ist allerdings komplex. Es zeigt sich: Als besonders herausfordernd kann sich das Kostenmanagement erweisen, kurz: FinOps. Doch welche Lösungsansätze sind pragmatisch, finanziell sinnvoll und effizient?
Antworten gibt Gernot Gutjahr, als Partner und Head of CIO Advisory mitverantwortlich für die Studie. Im Interview ordnet er die relevantesten FinOps-Ergebnisse des Cloud-Monitors ein. Außerdem legt er dar, was für die besten FinOps-Teams in Unternehmen essenziell ist.
Herr Gutjahr, ob Public Cloud, Private Cloud oder Hybrid-Version: Alle drei Optionen ermöglichen laut der Umfrage hohe bis sehr hohe Einsparungen bei IT-Kosten. Doch die Grafik zeigt deutliche Abstufungen. Welche Erklärungen gibt es dafür – und welche Schlussfolgerungen sollten Unternehmen ziehen?
Gernot Gutjahr: Klar ist: Der sogenannte On-Premise-Betrieb von IT-Anwendungen und Infrastruktur, also der lokale Betrieb direkt im Unternehmen, ist ineffizient. Das ist systemimmanent und liegt daran, dass teure Technologien überwiegend manuell betrieben und mit weniger als der vollen Kapazität genutzt werden. Durch Cloud-Service-Anbieter ist dagegen eine nahezu hundertprozentige Automatisierung des Betriebs möglich. Aber: Sogenannte „Lift-und-Shift-Migrationen“, das reine Verschieben der Anwendungen vom Vor-Ort-Betrieb in die Cloud, führen nur eingeschränkt zu mehr Agilität, Simplifizierung und Standardisierung. Sie sollten daher nur als ein erster Schritt zu langfristigen Kosteneinsparungen verstanden werden. Um die Cloud nachhaltig nutzen zu können, ist es für Unternehmen häufig sinnvoll, Anwendungen „nachzurüsten“, damit sie in der Cloud effizient laufen.
Auffällig ist indes auch, dass laut den Umfrageteilnehmenden nicht nur Kosteneinsparungen, sondern teils auch erhebliche Kostensteigerungen möglich sind. Wie ist dieser Kontrast zu erklären?
Gernot Gutjahr: In den vergangenen Jahren haben Anbieter von Cloud Services durch eigene Skalierungseffekte und einen hohen Automatisierungsgrad profitiert. Moore’s Law spielte für die Anbieter ebenfalls eine gewichtige Rolle: Moores Law besagt, dass sich die Effizienz von Prozessoren alle zwei Jahre verdoppelt. Wenn Rechenzentren also die neueste Server- und Prozessorgeneration haben, verdoppelt sich demnach ihre Effizienz. Und da Cloud-Rechenzentren im Schnitt neuer als On-Premise-Rechenzentren in Unternehmen sind, sind sie effizienter. Davon profitieren die Kunden. Die Preisentwicklungen und Preismodelle verfolgen wir allerdings aktuell genau. Es zeigt sich, dass beides aus Sicht vieler Unternehmen noch zu komplex ist. Daher ist der Beratungsbedarf hinsichtlich Cloud-Strategien, Cloud Business Cases und Cloud-Lizenzmodellen hoch.
In der Studie wurden auch die drei wichtigsten Herausforderungen im Cloud-Kostenmanagement ermittelt. Was waren die Antworten? Und welcher Aspekt hat Sie womöglich überrascht?
Gernot Gutjahr: Den Teilnehmenden zufolge werden Führungskräfte zunächst einmal in vielen Fällen noch nicht rechtzeitig in die Cloud- und Kapazitätsplanung einbezogen. Taktische Aktivitäten in Unternehmen, beispielsweise die Migration einzelner Anwendungen oder Services, werden zudem gegenüber strategisch-ganzheitlich wichtigeren Initiativen bevorzugt. Überdies fehlt es FinOps-Teams oft an Fähigkeiten für das effiziente Management von Cloud-Infrastrukturen. Erstaunlich war für uns vor allem, dass das Verständnis bezüglich des Zustandekommens von Kostenhebeln bei Cloud-Anbietern – und damit der Cloud-Stückkosten – noch immer begrenzt ist.
Sie sagen, dass Unternehmen auf dem Weg in die Cloud immer wieder auf „kostspielige Hindernisse“ stoßen. Die Gründe für „Rückschläge“ seien oft vielfältig. Was meinen Sie genau?
Gernot Gutjahr: Während viele CxOs die Fähigkeiten und das Potenzial der Cloud feiern, neigen die meisten immer noch dazu, sie als ein „IT-Projekt“ unter vielen zu betrachten. In diesen Projekten bleiben CIOs häufig an der Spitze von Cloud-Programmen ohne angemessene Unterstützung, etwa von CFOs im Umfeld von ERP-Transformationen, von CTOs im Umfeld von IT und Operational Technology sowie von Leiterinnen und Leitern von Geschäftseinheiten. Das ist leider nach wie vor ein Grund, weswegen die Cloud mitunter auf halbem Weg stecken bleibt.
Kompetente FinOps-Teams sind demnach ein essenzieller Erfolgsfaktor. Aus welchen Unternehmensbereichen kommen die Expert:innen laut dem Cloud-Monitor derzeit – und gibt es bei FinOps-Teams eine Idealbesetzung?
Gernot Gutjahr: Traditionell setzten sich FinOps-Teams hauptsächlich aus Cloud-Architektinnen und -Architekten sowie IT-Controllerinnen und -Controllern zusammen. Deren Fähigkeiten sind eine wichtige Grundlage, aber damit FinOps dem Unternehmen ganzheitlichere Werte liefern können, sollten Teams ein breiteres Spektrum an Kenntnissen besitzen. Für effektive FinOps-Teams ist Predictive-Analytics-Expertise erforderlich, um zukünftige Nachfrage zu verstehen, das Monitoring von Verhaltensveränderungen vorzunehmen, die Wirtschaftlichkeit der Cloud-Nutzung einzuschätzen und den Ressourcenverbrauch zu optimieren.
Wenn Sie Unternehmen hinsichtlich des Cloud-Controllings abschließend kompakt und direkt drei grundsätzliche Ratschläge in drei Sätzen geben müssten – welche wären das?
Gernot Gutjahr: Erstens: Garantieren Sie von Anfang an die Unterstützung der CXOs für Cloud-Management und FinOps. Zweitens: Garantieren Sie die frühzeitige Einführung von FinOps-Funktionen in der Cloud – bestenfalls schon vor der Cloud-Implementierung. Und drittens: Garantieren Sie, dass die FinOps-Teams über die notwendige Bandbreite an Predictive-Analytics-Knowhow verfügen, damit Entwicklungen und Trends frühzeitig erkannt werden können.
Vielen Dank für das Gespräch.
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