Tiefbau Arbeiter, unscharf, in einem Tunnel

Flaschenhals: Tiefbau-Ressourcen

Wie die Branche neue Wege gehen und Kapazitäten dauerhaft sichern kann

Gebaut wird immer – das war auch während der Corona-Krise nicht anders. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen haben Unternehmen aus dem gesamten Bausektor (Hochbau und Tiefbau) die Krise kaum zu spüren bekommen und sind seit Jahren extrem gut ausgelastet. Selbst Absagen oder Verschiebungen von Projekten sorgten nicht für eine Entspannung. Diese Situation führt dazu, dass für Infrastruktur-Unternehmen die Sicherung ausreichender Ressourcen, insbesondere Tiefbauressourcen, ein absolutes Fokusthema ist und bleiben wird.

Die Infrastruktur-Firmen stehen an einem Scheidepunkt: Die tradierten Wege führen dazu, dass Kosten bei Tiefbauleistungen immens steigen, bis hin zu Baustopps mangels Ressourcen. Nur wer jetzt die Zukunft gestaltet und sein Unternehmen entsprechend ausrichtet, wird in den kommenden Jahrzehnten die geplanten und notwendigen infrastrukturellen Projekte umsetzen können. Es gilt bereits heute Ressourcen zu sichern und dabei neue Wege zu gehen.

Fehlende Nachfolge und Nachwuchsmangel bei den bestehenden Tiefbauunternehmen werden zu weiterer Angebotsverknappung führen und Reaktionen wie Insourcing, Internationalisierung sowie Entbündelung von Gewerken auf Nachfrageseite forcieren. Hinzu kommen Fragestellungen rund um das Thema Umwelt und ESG.

Was sind die Treiber für diese Entwicklung? 

In der Tiefbaubranche sind die Auftragsbücher mit Projekten gut gefüllt, zum Beispiel aus kommunalem Tiefbau bzw. kommunaler Infrastruktur. Etliche Glasfaserkabel wollen verlegt, Energienetze erneuert und private wie industrielle Neubaugebiete an die Infrastruktur von Kommunen angebunden werden.

Will Deutschland Industrie-, Forschungs- und Bildungsstandort erster Wahl bleiben, so gilt es jetzt Strukturvorteile zu erhalten. Zudem forciert die Energiewende den Umbau der Verteilnetze. Die Erzeugungsschwerpunkte verlagern sich in Richtung Norden und ziehen den Bedarf neuer Nord-Süd-Stromautobahnen sowie den Bau und die Anbindung neuer Speicherstationen nach sich. Auch im Straßenbau, im Bereich der Straßen und Brücken, besteht in Deutschland erheblicher Sanierungsbedarf.

In den sieben Jahren vor Corona (2012 bis 2019) stiegen die Umsätze im Tiefbau jährlich um durchschnittlich 9,3 Prozent. Dabei liegen große Teile der notwendigen Infrastruktur-Investitionen noch vor uns. Einfach gesagt, in Deutschland gibt es für die nächsten Dekaden tiefbauseitig mehr als genug zu tun, z. B. in der Erneuerung von Straßen.

Bei den Bauunternehmen hingegen besteht Nachwuchsmangel. Bau- und hier speziell Tief- und Straßenbauunternehmen sind als Arbeitgeber bei jungen Menschen in Deutschland nicht gerade erste Wahl.

Wie gelingt der Umschwung? 

Kritisch wird die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen werden, denn schon heute konkurrieren unterschiedliche Infrastrukturunternehmen um die lokal begrenzten Ressourcen der mittelständisch geprägten Tiefbaubranche.

Auftraggeber beschaffen gerne vor Ort und Tiefbauer arbeiten gerne in direkter Nähe zu ihrem Standort. Tiefbaufirmen scheuen meist den Aufwand (und auch die Kosten), ihre Baumaschinen zu transportieren und sie mehrere Wochen an einem anderen Standort unterzubringen. Wer Tiefbauarbeiten anfragt, sorgt im Gegenzug oft nicht für ideale Bedingungen und bietet zum Beispiel nicht genügend Standflächen für Baumaschinen an. Das ist auch ein Grund, warum viele Anbieter überregionales Engagement scheuen.

Um im Sinne der Ressourceneffizienz Engpässe zu beseitigen, sollten sowohl Abnehmer als auch Anbieter von Tiefbauleistungen anfangen, überregional zu denken. Dazu gehört auch, Märkte im europäischen Ausland zu analysieren. Eine gute Möglichkeit ist das Anwerben ausländischer Fachkräfte oder auch die Kooperation mit Partnerfirmen im Ausland.

Tiefbauunternehmen aus Märkten mit höherem Angebot und geringerer Nachfrage sind dabei von besonderem Interesse (zum Beispiel Portugal, Frankreich oder Griechenland). Unternehmen aus diesen Ländern kann so der Zugang zum deutschen Markt erleichtert werden. Neben der sprachlichen Barriere gilt es für diese Firmen, Zulassungshürden zu überwinden sowie rechtliche und steuerrechtliche Aspekte einer Internationalisierung zu gestalten. Eine Alternative, die sich insbesondere für mittelständische Unternehmen mit Tiefbaubedarfen anbietet, stellt das Insourcing der Tiefbauleistung dar, zum Beispiel durch die Übernahme von Tiefbauern, bei denen keine Unternehmensnachfolge in Sicht ist.

Alte Muster aufbrechen

Neben den unternehmerischen Hürden gilt es, bürokratische zu überwinden. Lokale bzw. nationale Qualifikationsanforderungen sollten abgebaut oder durch europäische Standards ersetzt und deutschsprachige Ausschreibungsdokumente sollten durch mehrsprachige ersetzt werden. Solche und andere Eintrittsbarrieren stammen aus Zeiten, als Tiefbau noch ein Nachfragemarkt war. Heute bergen diese Barrieren die Gefahr, gänzlich ohne Angebote des Marktes dazustehen.

Zusammenfassend: Wer als Leistungsabnehmer langfristig bestehen will, sollte internationaler denken und alte Muster aufbrechen. Neben Kooperationen mit Partnern im Ausland kann auch die Beteiligung an Tiefbauunternehmen, das Insourcing von Leistungen oder der Blick auf projektbezogene Synergien mit anderen Tiefbauabnehmern helfen, Ressourcen rechtzeitig zu sichern. Tiefbauunternehmen als Anbieter stehen in Bezug auf Ressourcen vor vergleichbaren Herausforderungen. Auch hier gilt, wer von der hohen Nachfrage profitieren will, wird Ressourcen durch Übernahmen, Kooperationen oder Personalanwerbung im Ausland gewinnen müssen.

Klar ist, dass diejenigen, die es schaffen, die tradierten Wege zu verlassen, den Veränderungen gelassener entgegenblicken und sogar davon profitieren werden.