ESG: Luftaufnahme eines Waldes

Asset-Management: Grün investieren, nachhaltig handeln

Bei ihren Investitionen müssen Finanzmarktteilnehmer nachhaltige Aspekte berücksichtigen

Das herkömmliche Verständnis von Nachhaltigkeit bestand in erster Linie aus dem Ersetzen der Energie aus herkömmlichen Quellen, wie zum Beispiel Kohle und Erdöl, durch umweltfreundlichere Alternativen, wie zum Beispiel Wind und Solar. In den letzten Jahren haben sich dieses Verständnis und die Erwartung an den Begriff weiterentwickelt. Heutzutage handelt es sich bei der Nachhaltigkeit um einen paradigmatischen Wandel, der alle Bereiche der Wirtschaft betrifft. Der Kapitalmarkt spielt hierbei eine zentrale Rolle, da Gelder entsprechend investiert werden müssen, um den Wandel zur Nachhaltigkeit zu finanzieren. Viele Anleger wollen ihre Geldanlage nachhaltig investieren und suchen gezielt Fonds, die etwa in erneuerbare Energien investieren.

Kapitalmarkt sollte als Bindeglied zwischen den Finanzmarktteilnehmern agieren 

Ohne die Umleitung der Kapitalströme kann keine nachhaltige Zukunft aufgebaut werden. Deshalb sollten Asset-Manager als eine Art Bindeglied zwischen der Privatwirtschaft und der Kapitalwelt agieren und so dafür sorgen, dass genügend Geld in entsprechende Projekte und nachhaltige Unternehmen investiert wird. An dieser Stelle muss man aber nicht nur direkte Investitionen in Betracht ziehen, sondern auch aktives Engagement. Durch Stimmrechtsausübung und Dialog sollten Asset-Manager die Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren, mehr Bewusstsein sowie verantwortliches Handeln fordern.

Für nachhaltige Investments sind ausführliche Erklärungen notwendig

Zahlreiche regulatorische Neuerungen im Bereich Nachhaltigkeit tragen wesentlich zur Veränderung der Kapitalflüsse bei. Seit März dieses Jahres unterliegen die Finanzmarktteilnehmer neuen Offenlegungspflichten. Die Finanzmarktteilnehmer müssen Transparenz über die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen in Investmentprozesse und über die nachhaltige Ausrichtung ihrer Finanzprodukte walten lassen.

Dazu hat die Offenlegungsverordnung zwei Produktkategorien mit unterschiedlichem Ambitionsniveau in Bezug auf die „Nachhaltigkeit“ eingeführt. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Asset-Manager ihre ESG-Produktpalette in den vergangenen zwölf Monaten wesentlich ausgeweitet haben, was auch durch Rekordzuflüssen in Assets mit nachhaltigen Merkmalen zu beobachten ist. Für diese Produkte müssen sie jetzt ausführlich über die angewendeten Methoden zur Integration der Nachhaltigkeitsfaktoren und Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts berichten.

Die Offenlegungsverordnung ist allerdings nur ein Bausteine des EU-Aktionsplans für die Finanzierung des nachhaltigen Wachstums. In den kommenden Monaten werden weitere Vorschriften in Kraft treten, wie zum Beispiel die EU-Taxonomie Verordnung – ein Klassifizierungssystem für ökologische Nachhaltigkeitsaktivitäten. Darüber hinaus müssen die Finanzmarktteilnehmer in Zukunft die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden bei der Beratung der Finanzprodukten berücksichtigen, wodurch ein weiterer Anstieg der Nachfrage der Investoren nach nachhaltigen Produkten zu erwarten ist.

Für ein nachhaltiges Investment gibt es oft unzureichend Informationen zur Nachhaltigkeit

Trotz dieser gesetzlichen Vorgaben herrscht noch eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Finanzmarktteilnehmer unterliegen Anforderungen, die Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen und ein Höchstmaß an Transparenz sicherzustellen. Dazu stehen jedoch die relevanten Informationen oft nicht in ausreichender Qualität und Quantität zur Verfügung. Ein Grund dafür ist, dass die umfassenden Berichtspflichten in Bezug auf Nachhaltigkeit für die Unternehmen aus der Realwirtschaft erst in ein paar Jahren in Kraft treten. Das heißt, den Finanzmarktteilnehmern fehlen die Informationen, die sie für ihre Prozesse und Nachhaltigkeitsberichte bereits jetzt benötigen. Das betrifft auch Aussagen zum Klimaschutz, zu sozialen Kriterien und verantwortungsvoller Unternehmensführung, damit das Investment zu einer nachhaltigen Geldanlage wird.

„Grüne Blase“ durch nachhaltige Investments verhindern

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekte bei Asset-Managern kann eine „Grüne Blase“ zur Folge haben. Es wird vornehmlich in Assets oder Unternehmen investiert, die bereits ökologisch nachhaltig sind. Durch diese boomende Nachfrage können die Marktpreise für nachhaltige Unternehmen verzerrt werden und über den eigentlich Unternehmenswert steigen. Für die Geldanlage ist das nicht förderlich und ist letztlich sogar schädlich für nachhaltige Investments und Fonds, wenn diese Überbewertungen korrigieren und die erhoffte Rendite durch nachhaltige ETFs verfehlt wird.

Darüber hinaus werden nicht nachhaltige Unternehmen zunehmend isoliert und verlieren den Zugang zum Kapitalmarkt. Hier kann ein weiterer Nebeneffekt entstehen. Die Unternehmen, die Ressourcen brauchen, um grüner zu werden, erhalten keine. Daher sollten die Asset-Manager zukunftsorientiert denken, mit den Unternehmen in Dialog treten und unter anderem Transformationsprojekte unterstützen.

Nachhaltigkeit wird zur Norm für Banken, Fonds, Anleger und institutionelle Investoren

Viele Finanzmarktteilnehmer, Banken, Fonds und institutionelle Investoren haben bereits ihre Geschäfts- und Portfoliostrategien in die Richtung der Nachhaltigkeit angepasst und werden sie weiterentwickeln. Das Thema Nachhaltigkeit betrifft jedoch nicht nur die Investmentprozesse, sondern die gesamte Organisation und Wertschöpfungskette. Nachhaltigkeitsaspekte sollten in den Vertrieb, die internen Prozesse und das Risikomanagement integriert werden. Nachhaltigkeit ist kein „nice to have“ mehr, sondern längst ein „Muss“ geworden.

Kevin Naumann