Mann sitzt am Schreibtisch mit Kopfhörern.

Hinweisgeberschutzgesetz: Drei Tipps für die Umsetzung

So kann das Whistleblowing-System ein Erfolgskonzept werden.

Deutschland hat nach langem Warten endlich ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Dieses soll kurzfristig, voraussichtlich Mitte Juni 2023, in Kraft treten. Eigentlich hätte Deutschland die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblower:innen bis Dezember 2021 in nationales Recht umsetzen müssen. Nachdem sich Bundestag und Bundesrat mehr als ein Jahr später noch immer nicht auf ein Gesetz hatten einigen können und die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, wurde schließlich ein Vermittlungsausschuss eingesetzt. Dieser arbeitete einen Kompromiss aus, der Anklang fand: Am 11.05.2023 stimmte der Bundestag und am 12.05.2023 der Bundesrat dem Gesetzentwurf zu.

Viele Unternehmen haben allerdings nicht gewartet, bis das Gesetz kommt, sondern haben schon vorher Whistleblowing-Hotlines etabliert. Interne Meldekanäle sind in großen Unternehmen längst Teil des Compliance-Management-Systems. Der Grund: Für Unternehmen ist es unerlässlich, von internen Rechtsverstößen zu erfahren, um diese abstellen zu können. Doch auch Unternehmen, die schon Meldestellen haben, müssen die Vorgaben des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes beachten und vorhandene Systeme gegebenenfalls anpassen.

Das sind die Eckpunkte des neuen Gesetzes und die Erfolgsfaktoren für die Umsetzung:

Das regelt das Hinweisgeberschutzgesetz

Alle Beschäftigungsgeber mit 50 oder mehr Beschäftigten müssen eine interne Meldestelle einrichten. Bei dieser können Beschäftigte Verstöße gegen EU-Recht sowie Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten und andere im Gesetz genannte Rechtsverstöße melden. Die Meldestellen müssen Hinweise in mündlicher oder in Textform entgegennehmen sowie persönliche Treffen zulassen. Geht ein Hinweis ein, überprüft die Meldestelle ihn auf Stichhaltigkeit und leitet Folgemaßnahmen ein. Das sind in der Regel zunächst interne Untersuchungen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht außerdem eine externe Meldestelle, unter anderem beim Bundesamt für Justiz, vor, an die sich Whistleblower alternativ wenden können. Die bestehenden Meldestellen bei der Bafin und beim Bundeskartellamt sollen weitergeführt werden.

Der Kern des Gesetzes ist der Schutz der Whistleblower:innen vor Repressalien. Sie dürfen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Kommt es trotzdem dazu, können Hinweisgeber:innen Schadensersatz fordern.

Erfolgsfaktor 1: Vertrauen schaffen, Betriebsrat beteiligen

Unternehmen sollten über Gesetzesverstöße in den eigenen Reihen Bescheid wissen, damit sie diese schnellstmöglich abstellen können. Es ist im Interesse eines Arbeitgebers beziehungsweise Dienstherrn, für Hinweise zu rechtswidrigem Verhalten erste Anlaufstelle zu sein. Nicht wünschenswert ist es hingegen, dass Beschäftigte sich direkt an externe Meldestellen oder gar an die Presse wenden.

Daher ist es wichtig, dass Mitarbeitende Vertrauen in die interne Meldestelle haben. Der Arbeitgeber sollte aus diesem Grund umfassend über die Meldestelle informieren, insbesondere über die vertrauliche Behandlung der eingegangenen Hinweise und den Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien. Dass die mit den Aufgaben der Meldestelle beauftragten Personen unabhängig und weisungsfrei sein müssen, schreibt das HinSchG vor. Dies sollte der Belegschaft jedoch auch kommuniziert werden.

Auch an den Betriebsrat sollte gedacht werden. Ob die Ausgestaltung des Meldesystems nach Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, hängt von der technischen Umsetzung ab. Je nach individueller Regelung des Hinweisgeberschutzes kommt auch eine Mitbestimmungspflicht nach Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Frage. Aber auch wenn ein Mitbestimmungsrecht im Einzelfall nicht besteht, kann es sinnvoll sein, den Betriebsrat bei der Gestaltung der Meldekanäle zu beteiligen, um das Vertrauen der Beschäftigten zu erhöhen. Wichtig ist ebenfalls, dass das Management das Hinweisgeberschutzgesetz kennt und insbesondere mit dem Benachteiligungsverbot vertraut ist. Denn als Repressalie kann jede nachteilhafte Maßnahme zu interpretieren sein. Dahinter steht in den meisten Fällen vermutlich die Entscheidung einer Führungskraft.

Erfolgsfaktor 2: Das Hinweisgebersystem so attraktiv wie möglich machen

Um Kenntnis von möglichst allen Missständen und Verstößen zu bekommen, sollten Arbeitgeber die Meldekanäle so attraktiv und einfach wie möglich gestalten und auf die Vorlieben ihrer Beschäftigten ausrichten. Dafür ist es ideal, wenn es mehrere Wege gibt, Hinweise abzugeben: eine Hotline, ein elektronisches Postfach, ein Büro, das man persönlich aufsuchen kann, oder auch ein IT-Tool. Welcher Kanal dann als die Meldestelle im Sinne des HinSchG definiert werden soll, ist eine nicht zu unterschätzende Frage.

Je nach Unternehmen kann es günstig und je nach Sachverhalt sogar verpflichtend sein, wenn Hinweise auch in anderen Sprachen als Deutsch entgegengenommen werden. Informationen über die Meldekanäle sollten Mitarbeiter:innen einfach finden können.

In Konzernen ist grundsätzlich jede Konzerngesellschaft verpflichtet, eine Meldestelle zu etablieren. Gemäß dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip kann laut Gesetzesbegründung aber auch bei einer anderen Konzerngesellschaft eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ im Sinne von Artikel 8 Abs. 5 HinSch-RL eingerichtet werden. Die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, verbleibt allerdings immer bei dem jeweils betroffenen Konzernunternehmen.

Von welcher Möglichkeit ein Unternehmen Gebrauch machen sollte, hängt davon ab, wie eng die einzelnen Gesellschaften miteinander verbunden sind. Wird der Konzern von den Beschäftigten eher als einheitliches Unternehmen wahrgenommen und bestehen bereits viele Berührungspunkte, kann eine gemeinsame Meldestelle sinnvoll sein. Arbeiten die einzelnen Gesellschaften hingegen eher unabhängig voneinander und besteht zwischen den Mitarbeitenden kaum oder gar kein Kontakt, könnte für diese das Kontaktieren einer Meldestelle in einem anderen Unternehmen eine zu große Hemmschwelle sein. Es spricht allerdings nichts dagegen, eine zentrale Meldestelle zusätzlich zu dezentralen Stellen einzurichten, sofern das für die Mitarbeitenden nicht unübersichtlich wird.

Erfolgsfaktor 3: Sinnvolle Verknüpfung zum Hinweisgebersystem nach dem Lieferkettengesetz

 Für Unternehmen beziehungsweise Konzerne mit mindestens 3000 Mitarbeitenden gilt seit dem 01.01.2023 außerdem das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Auch dieses sieht in Paragraf 8 einen Beschwerdemechanismus vor. Im Unterschied zum Hinweisgeberschutzgesetz können im Rahmen des LkSG allerdings auch Mitarbeitende außerhalb des Unternehmens Meldungen machen. Auch die Beschwerdegegenstände decken sich nur teilweise.

Dennoch kann es sinnvoll sein, für beide Arten von Hinweisen gemeinsame Meldekanäle einzurichten. Denn beide Meldestellen sollen mit unabhängigen, also weisungsfreien, Beschäftigten besetzt werden.

Werden beide Beschwerdemechanismen in ein IT-gestütztes Tool integriert, ist allerdings auf die unterschiedlichen Löschfristen zu achten: Während Hinweise nach dem HinSchG im Grundsatz nach drei Jahren zu löschen sind, müssen sie nach dem LkSG sieben Jahre aufbewahrt werden. Hinweise sollten demnach immer eindeutig einem Gesetz zugeordnet werden.

Ein weiterer Unterschied: Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz müssen Beschäftigungsgeber ihre Mitarbeitenden darüber informieren, dass sie statt der internen eine externe Meldestelle in Anspruch nehmen können. Auf einen Vorrang der internen Meldestelle konnten sich Bundestag und Bundesrat leider nicht einigen. Dieser Aspekt ist lediglich als Soll-Vorschrift ins Gesetz eingeflossen. Nach dem Lieferkettengesetz hingegen ist ein Hinweis auf externe Meldekanäle nicht erforderlich.

Fazit: Hinweisgebersysteme bieten viele Vorteile, wenn sie richtig implementiert werden

Deutschland ist einer der letzten EU-Mitgliedsstaaten, der die Richtlinie nun umsetzt. Den jeweils aktuellen Stand der Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Ländern können Sie im Whitepaper der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nachlesen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält sinnvolle Vorgaben, die die Unternehmen allerdings richtig umsetzen sollten. Das Ziel sollte sein, dass Arbeitgeber über sämtliche Rechtsverstöße und sonstige Missstände informiert werden, damit diese schnellstmöglich abgestellt werden können. Die Chancen für Meldungen sind höher, wenn die hinweisgebende Person sicher sein kann, dass ihr aufgrund der Meldung keine Nachteile drohen. Hierfür ist eine gute Kommunikation mit allen Stakeholdern ebenso wichtig wie bequem nutzbare Meldekanäle. Größere Unternehmen sind seit Beginn des Jahres ohnehin schon aufgrund des LkSG verpflichtet, Meldestellen einzurichten. Sollen diese jedoch auch Hinweise nach dem Hinweisgeberschutzgesetz entgegennehmen, sind die Unterschiede der beiden Gesetze zu beachten.