An Ratgebern zum Business-Knigge in etablierten Ländern herrscht kein Mangel, was fehlt sind Tipps zu den richtigen Umgangsformen in exotischeren Regionen der Welt, wie beispielsweise Armenien, El Salvador, Guyana oder St. Kitts.
Am richtigen Verhalten und dem geeigneten Knigge vor Ort entscheidet sich regelmäßig der geschäftliche Erfolg in der Ferne. Sozialkompetenzen und gute Umgangsformen rücken im Geschäftsleben zunehmend in den Vordergrund. Dabei geht es um Sitten und Gebräuche, die in vielen Fällen aus den Lebensumständen in den jeweiligen Ländern entstanden sind. Aber auch Fragen der gesellschaftlichen Hierarchie spielen eine Rolle. Wenigstens dann, wenn sie festlegen, in welcher Reihenfolge Gesprächs- und Geschäftspartner zu begrüßen sind, ob der Dresscode im Job beispielsweise Business Casual ist, welche Gepflogenheiten in Meetings zu beachten sind oder welche ungeschriebenen Gesetze im E-Mail-Verkehr und beim Business Lunch gelten – und welche Fettnäpfchen dabei drohen.
Immer wichtiger wird für Geschäftsreisende auch die Frage nach der Risikobereitschaft potentieller Geschäftspartner ihres Reiselandes. Wo in dem einen Land jede strategische Neuausrichtung freudig begrüßt wird, mag Ihr Geschäftspartner in einem anderen Land bedeutend zurückhaltender agieren. Die vorherrschende Business-Etikette gilt es zu lernen und mit dem richtigem Benehmen zu überzeugen. Wer im Unternehmen mit diesen Soft Skills auffällt und die Business-Knigge-Regeln im Job beachtet, dem eröffnen sich in diesem Land ganz andere Möglichkeiten beruflichen Erfolgs und Umgangsformen mit anderen Menschen.
KPMG Klardenker klärt auf. Teil acht einer unregelmäßigen Serie zum Business im Ausland.
Armenien, knapp drei Millionen Einwohner, BIP knapp 10,5 Milliarden US-Dollar
Armenien liegt im Kaukasus, hat keinen Meereszugang, dafür aber Grenzen mit dem Iran, der Türkei, Aserbaidschan und Georgien. Ein schweres Erdbeben im Jahr 1988 belastet mit seinen katastrophalen Folgen die armenische Wirtschaft in Teilen bis heute. Korruption, Vetternwirtschaft und Monopole wirken sich zusätzlich negativ aus.
Die häufigste Begrüßung in Armenien ist ein Händedruck. Sprechen Sie dabei Ihr Gegenüber mit seinem beziehungsweise ihren Vornamen an. Wenn Sie befreundet sind, küssen Sie Ihr Gegenüber auf die Wange. Sind Sie eine Frau? Dann küssen Sie immer auf die Wange des Gegenübers nach dem Shakehand. So beherzigen Sie die geltenden Umgangsformen und erzielen sicherlich einen guten Eindruck.
Visitenkarten werden ohne ein besonderes Ritual ausgetauscht. Gänzlich unwichtig sind sie aber keineswegs. Haben Sie einen höheren Universitätsabschluss? Sehr gut, dann schreiben Sie Ihren akademischen Titel bitte auf Ihre Visitenkarte. Und achten Sie bitte darauf, dass eine Seite Ihrer Karte in armenischer Sprache beschriftet ist. Dies vermittelt anderen Personen auch im beruflichen Kontext ein positives Bild Ihrer Business-Etikette.
Die Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko in Armenien ist eher mittelmäßig. Erwarten Sie nicht, dass Ihnen Ihre Vorschläge in rasender Begeisterung aus den Händen gerissen werden. Veränderungen dauern eben ihre Zeit. Im Umgang mit jüngeren Generationen steigt hier die Geschwindigkeit mittlerweile an. Was immer hilft: Referenzen, positive Beispiele, Fürsprecher.
Die Kommunikation in Armenien ist sehr direkt. Wenn man Ihre Ideen schätzt, wird man es Ihnen sagen. Wenn nicht, auch – und zwar so, dass Sie keine besonders lange Zeit darauf verwenden müssen, die Bedeutung des Gesagten zu interpretieren. Eine besonders laute Stimme ist übrigens nur selten ein Zeichen von Wut. Sie zeugt eher davon, dass das Gesagte jetzt als besonders wichtig empfunden wird. Haben Sie eine laute Stimme? Lassen Sie sie im Gespräch hören.
Besser nicht den Augenkontakt abreißen lassen, wenn Sie im Gespräch sind. Dies gilt als unhöflich. Und bitte verzichten Sie der Einfachheit halber auf sämtliche Gesten. Die Unterschiede der Knigge-Regeln zwischen hier und dort sind so groß, dass das Risiko von Missverständnissen doch eher hoch ist.
El Salvador; rund 7,3 Millionen Einwohner, BIP knapp 27 Milliarden US-Dollar
El Salvador ist das kleinste Land in Zentralamerika, das jedoch die höchste Bevölkerungsdichte aufweist. Fast die Hälfte der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Bandenkriminalität, Naturkatastrophen und schnell steigende Bevölkerungszahlen führen dazu, dass sich ein wirtschaftlicher Aufschwung immer wieder zerschlägt. El Salvadors Hauptexportgüter sind Kaffee, Zucker, Gold und Chemikalien.
Begrüßungen in El Salvador unterscheiden sich von Region zu Region. In ländlichen Gebieten wird das Händeschütteln gelegentlich durch ein Schulterklopfen ersetzt. Was immer und überall gilt: Halten Sie Augenkontakt und vergessen Sie auch in größeren Runden niemanden in Ihrem Begrüßungsrundgang.
Visitenkarten sind mittelmäßig wichtig in El Salvador. Geben Sie Ihrem gegenüber Ihre Karte ohne größere Zeremonien und achten Sie darauf, dass eine Seite in spanischer Sprache übersetzt ist. Das ist auch die Seite, die Sie Ihrem Gegenüber präsentieren.
Die unternehmerische Risikobereitschaft in El Salvador ist relativ gering. Die Menschen neigen eher zu einem konservativen und risikofreien Leben. Angesichts der Katastrophen der jüngsten Vergangenheit ist das ein nachvollziehbares Verhalten. Wenn Sie dennoch Veränderungen anstoßen wollen, dann investieren Sie vorab viel Zeit in den Aufbau belastbarer Beziehungen.
Wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern spielt die Ehre auch in El Salvador bei der Kommunikation eine große Rolle. Der Tonfall ist im Gespräch meist sanft, ein dröhnendes Auftreten gereicht Ihnen nicht wirklich zum Vorteil. Haben Sie das Gefühl, sich missverständlich ausgedrückt zu haben? Dann sorgen Sie umgehend dafür, die Sache richtig zu stellen. Jeder sieht Ihnen nach, wenn Sie Ihre Ausführungen präzisieren. Anders sieht es aus, wenn Ihr Gegenüber das Gefühl haben sollte, von Ihnen nicht respektiert zu werden und somit eine der wichtigsten Benimmregeln missachtet wird.
Besser nicht: Tragen Sie keine kurzen Hosen in der Öffentlichkeit. Und protzen Sie nicht mit teuren Uhren, Fotoapparaten oder Handys. Gut möglich, dass sie sonst unfreiwillig den Besitzer wechseln.
Guyana, gut 700.000 Einwohner, BIP knapp 3,5 Milliarden US-Dollar
Guyana liegt im nördlichen Teil von Südamerika an der Atlantikküste. Das Land besteht zu 85 Prozent aus Regenwald, der landwirtschaftlich oder industriell kaum genutzt wird. Eines der wichtigsten Exportgüter ist Bauxit, von dem Guyana weltweit einen der größten Vorräte besitzt. Aber auch Gold, Diamanten, Zucker und Rum sind wichtige Exportartikel des Landes.
In Guyana gibt es neben dem obligatorischen Händedruck immer ein freundliches Wort und einen Schwatz zur Begrüßung. Lassen Sie sich aber nicht täuschen. Die Kultur in Guayana ist dennoch durchaus formell. Lassen Sie am besten Ihr Gegenüber entscheiden, auf welcher Ebene Ihr Verhältnis stattfinden soll: von Shakehand über Schulterklopfer bis Küsschen auf die Wange.
Beim Austausch von Visitenkarten legen Sie bitte eine gewisse Achtsamkeit an den Tag. Die Karte Ihres Gegenübers verstauen Sie demonstrativ sorgfältig im dafür mitgeführten Etui. Auf Ihrer eigenen Karte stellen Sie sicher, dass Ihr höchster Titel klar und deutlich lesbar ist. Die Form zählt – in Guayana etwas mehr als anderswo.
Die unternehmerische Risikobereitschaft folgt dem Muster der betrieblichen Organisation. Unternehmen in Guayana sind in den meisten Fällen sehr hierarchisch aufgebaut. Untergebene erwarten klare Anweisungen von ihren Vorgesetzten. Sie werden von sich aus keine besondere Risikobereitschaft erkennen lassen. Ihr Ansprechpartner ist deshalb der ranghöchste Manager, der für Sie greifbar ist. Dieser wiederum wird bei möglichen Entscheidungen versuchen, einen Konsens innerhalb seines Teams herzustellen. Dies gilt auch über Hierarchiegrenzen hinweg. Bedeutet im Ergebnis für Sie: Es könnte etwas länger dauern.
Die Kommunikation in Guayana ist offen, freundlich und direkt. Von ihrem Gegenüber erwarten Menschen in Guayana, dass dieser die Vor- und Nachteile einer Handlung sieht und auch benennt. Es bringt Ihnen nichts, den Schönfärber zu geben und eine glänzende Zukunft zu beschwören, wenn es durchaus Hindernisse gibt. Tun Sie es doch, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hält Sie für unehrlich oder aber für dumm. In beiden Fällen wird man mit Ihnen keine Geschäfte machen wollen.
Wo wir gerade bei Dummheiten sind: Es wäre prima, wenn Sie in der Öffentlichkeit besser nicht besonders laut und herausfordernd auftreten würden. Trotz des tropischen Klimas: In Guayana ist der kühle Auftritt besser gelitten als anderswo. Beherrschung ist umso angebrachter.
St. Kitts und Nevis, rund 56.000 Einwohner, BIP gut 900 Millionen US-Dollar
St. Kitts und Nevis ist ein Inselstaat in der östlichen Karibik. Mit seinen knapp 270 Quadratkilometern Staatsgebiet zählt St. Kitts und Nevis zu den kleinsten Ländern der Erde. Neben der Produktion einfacher Konsumgüter ist insbesondere der Tourismus eine Stütze der Wirtschaft. Vor allem US-amerikanische Touristen besuchen das tropische Land gerne.
Begrüßungen in St. Kitts und Nevis erinnern beim ersten Mal beinahe an britische Verhältnisse: reserviert, höflich und zurückhaltend. Der formale Charakter wandelt sich in den meisten Fällen zügig in einen herzlichen Stil. Wangenküsse zählen jedoch – anders als in anderen karibischen Ländern – nicht zu den typischen Umgangsformen.
Auch wenn es nicht direkt erwartet wird, ist es dennoch eine gute Idee, die höchsten Bildungsabschlüsse auf der eigenen Visitenkarte zu vermerken. Behandeln Sie die Ihnen überreichten Karten mit Respekt. In Anwesenheit des Gegenübers Notizen auf seiner oder ihrer Karte zu machen, gilt als sehr unhöflich und verletzt den Business-Knigge.
Die unternehmerische Risikobereitschaft in St. Kitts und Nevis ist mittelmäßig ausgeprägt. Grundsätzlich ist unternehmerisches Denken in dem Inselstaat eher selten vorhanden. Ähnliches gilt für das Entwickeln besonders innovativer und neuer Ideen und Konzepte.
Die Kommunikation ist eine Mischung aus direktem und indirektem Stil. Vor allem am Anfang einer neuen Geschäftsbeziehung wird man Sie eher zurückhaltend behandeln. Man wird bestenfalls in freundlichen Worten sagen, wenn man eventuell einer anderen Meinung ist als Sie. Je länger man sie kennt, desto unmittelbarer hingegen wird auch der Umgang. Dann sinkt auch die Notwendigkeit, auf Referenzen und geeignete Fallbeispiele verweisen zu müssen, um das Vertrauen Ihres Gegenübers zu gewinnen.
Besser nicht: Kauen Sie kein Kaugummi in der Öffentlichkeit. Fragen Sie, wenn Sie jemanden fotografieren möchten. Und tragen Sie keine kurzen Hosen – es sei denn, Sie baden.