Trotz der anhaltenden Kampfhandlungen in der Ukraine gibt es zahlreiche Unternehmen aus aller Welt, die im Land investieren – auch deutsche Betriebe. Aus gutem Grund: Auch während des andauernden Kriegs gilt es, zerstörte Infrastruktur zu reparieren, insbesondere für die Energieversorgung in Anbetracht des in wenigen Monaten eintretenden Winters. Zudem sind weite Teile des öffentlichen Lebens im Land kaum von direkten Kriegseinwirkungen betroffen. Die EU und vor allem die Bundesregierung unterstützen die Bewältigung dieser äußerst komplexen Aufgabe mit erheblichen finanziellen Mitteln. So ist Deutschland innerhalb der EU mit weitem Abstand der größte Geldgeber und schafft damit die Voraussetzungen für die deutsche Wirtschaft, jetzt an konkreten Wiederaufbauprojekten mitzuwirken. Wir erläutern Hintergründe, zeigen kompakt und präzise auf, welche Sektoren im Fokus sind, und analysieren die Risiken.
- Hintergrundinformationen und Einordnungen im Überblick: Jetzt den German-Ukrainian Business Outlook 2024 herunterladen
Investition in die Zukunft: Wiederaufbau der Ukraine jetzt – und nicht erst nach dem Krieg
Seit mehr als zwei Jahren befindet sich die Ukraine im Krieg. Trotz der andauernden Kampfhandlungen investieren immer mehr internationale Unternehmen vor Ort. Beim Engagement geht es einerseits um den Einsatz für die lokale Bevölkerung, um Reparaturen und Rebuilding-Maßnahmen, und andererseits darum, an dem erwarteten Wachstum nach dem Ende des Kriegs und der angestrebten EU-Mitgliedschaft zu partizipieren.
Unterstützung für deutsche Unternehmen, die in der Ukraine investieren wollen
Klar ist: Um die gewaltigen Schäden im Land zu beseitigen, ist viel Geld nötig. Die Schätzungen von Weltbank, ukrainischer Regierung und Finanzexpert:innen liegen bei Summen zwischen 750 Milliarden und einer Billion US-Dollar. Klar ist auch: Potenzielle Investoren können mit guten Renditen rechnen. Die verspricht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Deutsche Unternehmen erhalten Unterstützung durch die Bundesregierung, die neben finanziellen Mitteln beispielsweise auch eine Plattform mit Informationen über Fördermöglichkeiten, Veranstaltungen, bestehende Angebote und Investoren bereitstellt. Informationen für interessierte Unternehmen gibt es beispielsweise auch auf Sonderseiten der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf.
Chancen für Investoren: Potenzielle Wachstumsbranchen in der Ukraine im Überblick
Investitionen von internationalen Unternehmen konzentrieren sich insbesondere auf die folgenden Branchen:
- Energieversorgung
- Metallverarbeitung und Rüstung
- Maschinenbau und Zulieferindustrie
- Agrarwirtschaft und Nahrungsmittel
- Rohstoffe
- Informationstechnologie und Outsourcing
Energieversorgung
Um das Land während des Kriegs und den fortgesetzten Angriffen auf die Energie-Infrastruktur ausreichend mit Strom und Wärme zu versorgen, muss kurzfristig die Stromproduktion und das Stromnetz wieder aufgebaut werden. Angestrebt werden hierbei verschiedenartige Stromquellen und eine Dezentralisierung der Stromerzeugung. Dadurch bieten sich Chancen für Energieunternehmen.
Metallverarbeitung und Rüstung
Durch die zahlreichen Rohstoffvorkommen im Land sowie gut ausgebildete Arbeitskräfte hat sich die Metallindustrie über einen langen Zeitraum zu einem der größten Industriebereiche der Ukraine entwickelt. Beim Wiederaufbau steigt die einheimische Nachfrage stark an. Schätzungen gehen von einem Bedarf von 3,5 Millionen Tonnen Stahl für den Wiederaufbau von Wohnungen, Straßen und Brücken aus. Gleichzeitig hat die Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit eine hohe Priorität. Daher hat beispielsweise das deutsche Unternehmen Rheinmetall einen gemeinschaftlichen Betrieb mit dem staatlichen Konzern Ukrainian Defense Industry JSC gegründet, um eine leistungsfähige Rüstungstechnologie im Land aufzubauen.
Maschinenbau und Zulieferindustrie
Nachdem der Maschinenbau nach Beginn des Krieges zunächst einen Einbruch erlebte, steigt die Nachfrage seit 2023 wieder an. Das liegt sowohl an den Bestellungen des Militärs als auch an Anfragen von Unternehmen in der Ukraine sowie aus der EU. Das stellt ebenfalls die Zulieferindustrie fest, die vor allem Ersatzteile für die internationale Autoindustrie fertigt.
Agrarwirtschaft und Nahrungsmittel
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher erinnern sich noch: Mit Beginn des Ukrainekrieges wurde das Sonnenblumenöl knapp, weil ein Großteil der Produktion in der Ukraine stattfand. Auch für Mais und Weizen war das Land einer der Hauptlieferanten in der Welt. Die Agrarwirtschaft bietet großes Wachstumspotenzial und eröffnet vielen Investoren Geschäftschancen. Das hat beispielsweise das Chemie- und Pharmaunternehmen Bayer AG erkannt und sein Tochterunternehmen vor Ort ausgebaut, um Saatgut zu produzieren. Andere Firmen reparieren Silos und sorgen durch ihre Präsenz vor Ort schon jetzt für gute Kontakte für den zukünftigen Wiederaufbau.
Rohstoffindustrie
Die Liste der ukrainischen Bodenschätze weist 97,5 Prozent der am häufigsten genutzten Rohstoffe aus. Daher hat die Europäische Union (EU) eine strategische Partnerschaft mit der ukrainischen Regierung geschlossen, um eine Diversifizierung der Zulieferer zu fördern.
Informationstechnologie und Outsourcing
In der Ukraine lebt eine große Anzahl gut ausgebildeter Mitarbeitender des IT-Bereichs. Daher bieten Informationstechnologie und Softwareentwicklung sowie der Betrieb von Shared Service Centern große Wachstumschancen für Investoren.
Investieren in der Ukraine: Diese Risiken sind zu beachten
Weil sich das Land weiterhin im Krieg befindet, halten sich deutsche Unternehmen mit Investitionsentscheidungen bislang noch zurück. Die deutsche Politik reagiert darauf, indem sie Sicherheitsgarantieren gibt: Unternehmen können Exportgarantien, Investitionsgarantien, Versicherungen gegen Kampfhandlungen oder Kreditversicherungen in Anspruch nehmen, um ihre Investitionen in den Wiederaufbau abzusichern.
Vor allem im Osten und Südosten des Landes finden weiterhin Kampfhandlungen statt, was die wirtschaftliche Betätigung dort grundsätzlich ausschließt. Die örtliche Präsenz in den nicht umkämpften Gebieten bereits jetzt ist aber wichtig, um Geschäftskontakte zu knüpfen, die aktuellen Verhältnisse einzuschätzen, die Wirtschaftsregionen, die Bevölkerung und die politischen Entscheider kennenzulernen und somit den nachhaltigen Wiederaufbau vorzubereiten.