Großer Frachter, der im Hafen liegt und vor ihm viele Autos, die aufm dem Parkplatz stehen.

Sechs Schritte für resiliente Lieferketten in der Automobilindustrie

Diese Maßnahmen sollten OEMs anwenden, um Schwachstellen in Lieferketten zu beseitigen.

Die Verwundbarkeiten der globalen Lieferketten sind für die Automobilindustrie zu einem komplexen Handlungsfeld geworden. In diesem vielschichtigen Szenario ist es für die Branche von entscheidender Bedeutung, die Ursprünge der fragilen Lieferketten zu ergründen und gezielte Maßnahmen zu identifizieren, die dazu beitragen, die Verwundbarkeiten zu reduzieren.

Ursachen von Lieferketten-Disruptionen in der Automobilbranche

Die Schwachstellen in den Lieferketten haben verschiedene Ursachen. Güter selbst können einen Engpass in der Lieferkette darstellen. Ein Beispiel dafür ist die Knappheit an Halbleitern.  Die Industrie hat große Schwierigkeiten, die komplexen Bedarfe und Bestände zu koordinieren, da oft keine klare Sicht auf die direkten Zulieferer besteht.

Politische Konflikte

Zudem leiden wirtschaftliche Beziehungen unter Spannungen. So hätte ein militärischer Konflikt zwischen China und Taiwan enorme Auswirkungen auf die Automobilindustrie, da beide Regionen Zentren für wichtige Vor- und Zulieferprodukte sind.

Auch die Kabelbaumproduktion ist anfällig für Störungen. Einen signifikanten Teil bezieht die Automobilindustrie nämlich aus der Ukraine. Aufgrund des Krieges kamen auf einen Schlag Engpässe in einer für den Autobau zentralen Komponente auf.

Komplexe Lieferketten

Automobilhersteller lassen unter anderem in China und Mexiko fertigen. Dies führt zu längeren und komplexeren Transportwegen, was die Lieferkette weniger flexibel macht. Bei einer durchschnittlichen Lieferzeit von knapp 60 Tagen von Asien nach Europa und einer großen Vorlaufzeit in der Planung, sind OEMs nicht in der Lage auf unvorhergesehene Ereignisse rechtzeitig zu reagieren.

Fehlende Transparenz

Eine maßgebliche Ursache für die mangelhafte Kommunikation entlang der Lieferketten ist das Fehlen von IT-Unterstützung. Analoge Prozesse limitieren die Reaktionsfähigkeit auf kurzfristige Änderungen. Auch das Fehlen von funktionierenden Frühwarnsystemen entlang der gesamten Lieferkette führt zu Lieferproblemen.

Die aufgeführten Beispiele liefern wertvolle Einsichten für das strategische Management von Lieferketten in der Automobilindustrie. Unsere Auffassung ist, dass Unternehmen sich verstärkt auf die Verflechtungen und vielschichtigen Prozesse ihrer Lieferketten konzentrieren sollten, anstatt sich ausschließlich auf ihre eigene Wertschöpfung zu verlassen. Es braucht transparente, resiliente, kooperative und vernetzte Lieferketten.

Wie die Resilienz der Lieferketten in der Automobilindustrie erhöht werden kann

Deshalb ist es notwendig die genannten Schwachstellen sowohl operativ als auch strategisch zu adressieren. Dafür empfehlen wir folgende sechs Maßnahmen:

  1. Informationsabfragen standardisieren

Ein wichtiger Schritt ist die Standardisierung von Abfragen bei Lieferanten für essenzielle Bauteile. Diese standardisierten Informationen fließen nicht nur in Lieferantenprüfungen ein, sondern werden auch vertraglich festgehalten. Dadurch kann das Risiko von Lieferengpässen besser eingeschätzt und darauf reagiert werden.

  1. Diversifikation von Transportmitteln und -Routen

Für Unternehmen ist es essenziell neben den Zulieferern auch die Transportmittel und -routen zu diversifizieren.

Betriebe sollten dafür identifizieren, welches Vertriebsnetz das störungsanfälligste ist und mehrere Transportunternehmen mit jeweils verschiedenen Routen und Transportmitteln als Alternativen bereithalten. Die Effizienz und Kostenoptimierungen dürfen daher nicht als einzige KPIs für die Auswahl der Lieferkette dienen.

  1. Rohstoffe kategorisieren und absichern

Rohstoffe sollten ebenfalls als unersetzliche und kritische Bestandteile eingestuft werden. Dies ermöglicht es Unternehmen, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um die Verfügbarkeit dieser unverzichtbaren Produkte sicherzustellen.

Eine Inhouse-Produktion bei besonders kritischen Komponenten oder die frühzeitige Identifizierung von Alternativen reduzieren ebenfalls das Risiko von Lieferengpässen.

  1. Frühwarnsysteme implementieren

Um frühzeitig auf mögliche Engpässe reagieren zu können, braucht es automatisierte Tracking- und Frühwarnsysteme. Diese Systeme sind oft mit Lösungen wie Catena X, einer digitalen Kollaborations- und Datenplattform für die automobile Wertschöpfungskette, verknüpft und ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung der Lieferketten. Dadurch können potenzielle Probleme frühzeitig erkannt werden.

  1. Partnerschaften ausbauen

Des Weiteren sollten Automobilhersteller verstärkt auf Partnerschaften mit kritischen Zulieferern und Rohstofflieferanten setzen. Durch enge Beziehungen können Risiken gemeinsam bewertet und Maßnahmen zur Sicherung der Lieferkette entwickelt werden. Diese Partnerschaften sind entscheidend, um flexibel auf unerwartete Herausforderungen reagieren zu können und die Kontinuität der Lieferungen sicherzustellen.

  1. Neue Strategien für das Informationsmanagement

Bei der Neuausrichtung des Informationsmanagements ist der Austausch an Informationen Grundlage für transparente Prozesse. Es sollten die wichtigsten Knotenpunkte und Verbindungen entlang der Lieferkette identifiziert und verstärkt beobachtet werden, wodurch das gesamte Netzwerk aus Kunden und Zulieferern transparenter wird.

Identifizierte Engpässe innerhalb der Nachfrage- und Versorgungsnetze lassen sich durch spezialisierte Task Forces, Control Rooms oder Risikoteams identifizieren, um einen abteilungsübergreifenden Austausch zu gewährleisten.

Ein Blick in die Zukunft

Die Zusammenarbeit von Unternehmen mit allen beteiligten Parteien wird in Zukunft vor allem durch den automatisierten Informationsaustausch transparenter. Dabei spielen Kommunikation und Vertrauen ebenso wie der Einsatz wettbewerbsfähiger Technologien eine entscheidende Rolle.

In den identifizierten Handlungsfeldern gilt es, Veränderungsprozesse aktiv umzusetzen. Der Fokus wird nicht mehr einzig auf kostenoptimierten Lieferketten liegen. Es werden neue KPIs definiert, die zusätzlich Risikoparameter, Flexibilität und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Nur so werden Unternehmen transparente, widerstandsfähige, kooperative und vernetzte Lieferketten aufbauen können, um in einem disruptiven, komplexen und internationalen Umfeld kompetitiv zu bleiben.