Flugzeug Rollbahn von oben

Mit Industrie-4.0-Lösungen der Kostenfalle MRO entkommen

Wir zeigen Ihnen, wie Unternehmen im Luftfahrtsektor ökonomisch erfolgreich bleiben.

Die Flughäfen Europas rechnen 2024 mit mehr Passagieren als noch vor der Corona-Pandemie. Gleichzeitig mehren sich Meldungen über kaputte Flugzeuge, wie bei dem in der Kritik stehenden Flugzeugbauer Boeing. Die Folgen eines kürzlichen Vorfalls an einer Boeing 737 in den USA, die während eines Flugs ein Kabinenteil samt Fenster verlor, sind immens. Alle Flugzeuge dieses Typs, die in Europa unterwegs sind, müssen jetzt gewartet werden.  

Der Bereich Maintenance, Repair und Overhaul (MRO), also Wartung, Reparatur und Instandhaltung, ist einer der maßgeblichen Zeit- und Kostentreiber im Luftfahrtsektor. Daher stellt sich vor allem in Zeiten des wachsenden Kostendrucks die Frage nach Optimierung. Mit innovativen Strategien aus dem Bereich der Industrie 4.0 bieten sich hier einmalige Modernisierungsmöglichkeiten. 

Die Kosten eines Flugzeugs am Boden 

Die Kosten eines Flugzeugs, das sich am Boden befindet, sind nahezu unabhängig vom Flugzeugtypus enorm. Beim Grounding – dem Startverbot für Flugzeuge – der neuen Boeing 777 müssen mit ca. 33.000 Euro pro Tag und Flugzeug gerechnet werden. Aufgrund der strengen Wartungsvorschriften gibt es hier hinsichtlich des Umfangs der Maßnahmen kein Einsparpotenzial. 

Angesichts dieser Summen verwundert es nicht, dass dem Aspekt Geschwindigkeit bei Wartung und Überholungsprozessen grundsätzlich eine hohe Bedeutung zugemessen wird.

Seit vielen Jahren kämpfen Fluggesellschaften, Charterbetriebe und besonders auch die militärischen Flugbetriebe um jede Minute, wenn es darum geht, ein Flugzeug möglichst schnell durch die jeweiligen Stundenprüfungen zu bringen. Die Instandhaltungsmaßnahmen werden in A-, C- und D-Checks eingeteilt. A-Checks benötigen ungefähr sechs Stunden. Die C- und D-Checks (zumeist Sechs- und Zwölfjahres-Checks) sind jedoch aufwändiger und können mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Hierbei sind genaue Informationen über den Zustand der Flugzeuge und deren Bauteile von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der hohen Umfänge handelt es sich dabei um millionenschwere Wartungsprojekte. So kostete das Grounding der Boeing 787 das Unternehmen 2013 rund 600 Millionen Dollar. Allein aufgrund dieser Dimension rechnen es sich nahezu unmittelbar in der MRO zu optimieren. 

Abläufe gezielt mit dem Lean-Management optimieren

Eine Managementform, die ein passgenaues Konzept liefert, wenn es um kürzere Durchlaufzeiten geht, ist das Lean-Management. Dabei liegt der Fokus darauf, Verschwendungen zu reduzieren und gar zu verhindern. Dadurch wird der Anteil der wertschöpfenden Arbeit relativ gesehen größer. Es handelt sich also um einen organisationsgetriebenen Optimierungsansatz, der sich insbesondere bei personalintensiven und hochstandardisierten Prozessen, wie wir sie im Bereich MRO vorfinden, anbietet. 

Mithilfe getakteter Instandhaltungs- und Wartungsprozesse und entsprechend gruppierter Task-Cards, die die Arbeitsschritte abbilden, lassen sich die Fehlerquoten nachhaltig reduzieren. Dabei sollte sich in den jeweiligen Arbeitspaketen einer Wartung auf die spezifische Tätigkeit kontinuierlich fokussiert werden. Mit einer Taktung lassen sich so zusätzlich die Arbeitsabläufe organisatorisch optimieren.  

Wahrscheinlichkeiten im Reparaturprozess planen 

Neben regulären Checks besteht die eigentliche Herausforderung im Planungsprozess an den Stellen, an denen unerwartete Reparaturen notwendig werden. Besonders anfällig für abrupt auftauchende Materialermüdung durch Korrosion sind im Linienfluggeschäft die Bereiche unterhalb der Küchenzeilen und an den Fahrwerken. 

Bei diesen und allen weiteren, unerwarteten Reparaturen stellt die Verfügbarkeit von Ersatzteilen durch Zulieferer die Wartungsteams vor große Probleme.  

Anstatt bei Reparaturen wie diesen von unvorhersehbaren Ereignissen auszugehen, besteht ein Lösungsansatz darin, von wahrscheinlichen aber unbestätigten Reparaturblöcken auszugehen und diese fest einzuplanen. Das macht nicht nur aus unerwarteten Reparaturen erwartbare. Vielmehr hat dies einen direkten Einfluss auf die Planung und Bereitstellung von Ersatzteilen, Werkzeugen und benötigten Ressourcen. 

Auch der Bereich Forschung und Entwicklung hat das Problem der nicht planbaren Reparaturen sowie deren Ursachen inzwischen erkannt und sucht nach Lösungen. In neueren Baureihen setzen sich bereits neue Materialien durch, die Korrosionsrisiken reduzieren. Während der langwierigen D-Checks können auch Bestandsflugzeuge umgerüstet werden und mit diesen technischen Innovationen auf den neuesten Stand gebracht werden. 

Der Schlüssel für kürzere Bodenzeiten: dezentrale Ersatzteilversorgung und Open-Repair-Loops  

Ein „Closed-Repair-Loop“ sieht vor, dass reparaturbedürftige Bestandteile ausgebaut, repariert und wieder eingebaut werde. Im Gegensatz dazu versteht man unter dem „Open-Repair-Loop“ den Prozess, bei dem man ein identisches Ersatzteil wie zum Beispiel eine Turbine bereits vorhält und gegen das alte oder defekte Gerät austauscht.  

Durch das „Öffnen“ von Repair-Loops, soweit möglich, lässt sich der MRO-Prozess weniger zeitkritisch und Reparaturen unabhängig vom Schadensmaß sowie Reparaturumfang planbarer gestalten. Dieser Ansatz ist jedoch durch die Anzahl der vorzuhaltenden Austauschteile kapitalintensiv und lässt sich nicht auf wesentliche Strukturteile anwenden. Modulare Bauweisen verfolgen das gleiche Konzept. 

Durch ein Open-Loop-Konzept wird das Kernelement einer erfolgreichen Wartung Ersatzteile vorzuhalten. Ein dezentrales Ersatzteilmanagement und tiefgreifende Analysen der Lebensdauern und Ausfallwahrscheinlichkeiten auf Teileebene werden damit – besonders in Zeiten gestörter Lieferketten – zum Erfolgstreiber. 

Mit Industrie-4.0-Tools Fehler bei Flugzeugteilen frühzeitig erkennen 

Ein weiterer Sprung zur Planbarkeit ergibt sich aus smarten Bauteilen. Diese sind schon lange nicht mehr aus klassischen Fertigungslandschaften wegzudenken. Auch in zahlreichen neueren Flugzeugmodellen ist Industrie-4.0-Sensorik bereits standardmäßig verbaut. Diese wird beispielsweise systemseitig in Flugzeugen seit Jahrzehnten genutzt, um Fehler auszulesen und zu dokumentieren. Auf diese Weise können schon auf dem Weg zwischen Gate und Hangar sowie während der Line-Checks – den kurzen Reparaturen am Flugzeug in einer operativen Pause – die ersten Fehlerquellen analysiert werden.  

Durch die wachsende Anzahl von implementierten Sensoren lassen sich auch Strukturteile und weitere belastete Teile kontinuierlich überwachen. Im Idealfall können diese Bestandteile rechtzeitig ausgetauscht werden, bevor sie versagen. Zudem lässts ich die Supply-Chain entzerren und das benötigte Ersatzteil bereits bei der Landung vorhalten, wenn der Prozess frühzeitig angekündigt wird. 

Mit Data & Analytics beziehungsweise Predictive-Maintenance-Modellen können die Reparatur- und Wartungszeiträume drastisch reduziert werden. Die Voraussetzungen für Lösungen auf Industrie-4.0-Basis sind es, Daten zu gewinnen sowie die Fähigkeiten und Tools diese Daten auszuwerten. 

Fazit: Vier Bausteine einer erfolgreichen MRO im Flugbetrieb 

Durch die gestiegene Anforderung, Kosten im Luftfahrtsektor zu reduzieren, gerät auch der MRO-Bereich als kostenintensiver Bestandteil des Lebenszyklus eines Flugzeugs unter Druck. Mit den hier dargestellten Lösungsansätzen lassen sich vier Bausteine ausmachen, die eine erfolgreiche MRO im Flugbetrieb ausmachen und so mehr Sicherheit in der Luftfahrtindustrie schaffen: 

Erstens: Nicht planbarer Ereignisse einplanen 

Zweitens: Personal effizient einsetzen durch einen Lean-Management-Ansatz mit Flow- & optimized Task-Cards 

Drittens: Ersatzteil dezentrale verteilen und Repair-Loops öffnen

Viertens: Industrie-4.0-Sensorik sowie Data & Analytics 

Neben Management-Methoden wie Lean-Management und Ersatzteil dezentral bereit zu stellen, sollten insbesondere die Standards der Industrie-4.0 als Trend verstärkt den Weg in den Luftfahrtsektor finden, um die Bodenzeiten weiter zu verringern, die Energiekosten im Unternehmen gezielt zu senken und damit dem wachsenden Kostendruck entgegenzustehen.