ESG: Laptop-Tastatur mit Pflanze darauf.

Öffentliche IT-Beschaffung: ESG-Aspekte im Vergabeverfahren

Wie die öffentliche Hand IT-Leistungen nachhaltig beschaffen kann

„Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten“ – so heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition. Sozial, ökologisch, wirtschaftlich, kurzum: nachhaltig im Sinne der ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) soll die öffentliche Beschaffung sein.

Kein Wunder, denn Nachhaltigkeit ist in aller Munde und die normativen Anforderungen an eine nachhaltige Beschaffung – also die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Belange im Einkaufsprozess – steigen. Das belegen schon Vorschriften wie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Öffentliche Beschaffung: Vorbild für Nachhaltigkeit

Das Thema nachhaltige öffentliche Beschaffung hat zu Recht an Relevanz deutlich gewonnen, denn die öffentliche Hand hat durch ihr Beschaffungsverhalten maßgeblichen Einfluss auf die Praktiken in Wertschöpfungs- und Lieferketten und damit auf die ökologischen und sozialen Verhältnisse in der Welt. Aufgrund ihrer Nachfragemacht kann sie Anreize schaffen, dass die Anbieter Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Gleichzeitig hat der öffentliche Einkauf eine Vorbildrolle für Beschaffungen durch Private.

Dieser Vorbildfunktion wird die öffentliche Hand derzeit nicht ausreichend gerecht. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sollte in allen Vergabeverfahren eine Selbstverständlichkeit werden.

Eine Warengruppe birgt bei diesem Thema besondere Risiken, aber auch große Chancen: die Informationstechnik (IT). Denn die Beschaffung von IT-Leistungen ist für alle öffentlichen Auftraggeber relevant und zugleich können Herstellung, Betrieb und Entsorgung von IT-Produkten gravierende Auswirkungen auf Menschen und Umwelt haben. 

Nachhaltige Beschaffung ist unwirtschaftlich – ein Mythos

Gegen eine nachhaltige Beschaffung, auch von IT-Leistungen, werden vor allem zwei Argumente oft angeführt:

  1. Nachhaltige Produkte seien teurer – sie einzukaufen, verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.
  2. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien sei aufwendig und für die Beschaffungsstellen nicht leistbar. Dies betrifft insbesondere die Überprüfung der Einhaltung umweltbezogener und sozialer Anforderungen.

Beide Punkte sind so pauschal nicht richtig. In sehr vielen Fällen ist eine nachhaltige Beschaffung auch wirtschaftlicher, zum Beispiel weil ein IT-Produkt, das hohe Anforderungen an Energieeffizienz einhält, geringere Energiekosten verursacht oder ein langlebiges Produkt das öffentliche Budget schont. Dazu gibt es verschiedene Untersuchungen. Auch der Bundesrechnungshof fordert ausdrücklich dazu auf, Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen.

Unterstützende Angebote für einen angemessenen Aufwand

Der Aufwand ist überschaubar, denn gerade für IT-Beschaffungen gibt es eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten. Das Umweltbundesamt bietet Leitfäden und beispielsweise für die Berechnung von Lebenszykluskosten eines Produkts bzw. einer Leistung hilfreiche, frei zugängliche Tools. Auf den Internetseiten der Europäischen Kommission sind konkrete Formulierungsbeispiele für eine umweltorientierte öffentliche Beschaffung (Green Public Procurement, GPP) von z. B. Computern, Monitoren oder für Datenzentren und Cloud-Dienste zu finden.

Hilfreich für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Produkten sind außerdem verschiedene Gütezeichen wie das EU Ecolabel, TCO Certified oder der Blaue Engel sowie unabhängige Monitoring-Organisationen wie Electronics Watch.

Anbieter von IT-Leistungen, die beim Thema ESG gut aufgestellt sind, können wiederum ihr Engagement als Wettbewerbsvorteil nutzen und sollten hierfür auch auf solche Gütezeichen für ihre nachhaltigen Produkte zurückgreifen.

Nachhaltigkeit entlang des Beschaffungsprozesses

Umweltbezogene und soziale Aspekte können und sollten im Vergabeverfahren auf verschiedenen Ebenen des Beschaffungsprozesses berücksichtigt werden. Nachhaltiges Handeln beginnt schon bei der Bedarfsermittlung: Muss überhaupt etwas Neues erworben werden, oder lässt sich stattdessen ein vorhandenes Produkt weiter nutzen bzw. reparieren? Eine Alternative könnte auch die Beschaffung eines gebrauchten bzw. wiederaufbereiteten Produkts sein.

Bei der Beschreibung der Leistung und der Festlegung der Ausführungsbedingungen können ebenfalls Nachhaltigkeitsbedingungen festgelegt werden:

  • Sicherstellung einer langen Produktlebensdauer,
  • Einhaltung von umweltbezogenen und sozialen Belangen durch den Leistungsgegenstand und die Auftragsausführung: z. B. Energieeffizienz, Reparierbarkeit, faire Produktion, Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Lieferkette, recycelbares Verpackungsmaterial u. ä.

Bei der Eignungsprüfung können Bieter vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn nachweislich Verstöße gegen umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen vorliegen oder (mit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz demnächst) ein Bußgeld in bestimmter Höhe wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung in der Lieferkette festgelegt wurde. Außerdem können das Lieferkettenmanagement- und Lieferkettenüberwachungssystem sowie Umweltmanagementmaßnahmen überprüft werden.

Bei der Angebotswertung sollten neben Preis und Kosten (hier auch Lebenszykluskosten) qualitative, umweltbezogene und soziale Kriterien berücksichtigt werden. Die „Belohnung“ von Angeboten, die die festgelegten Mindestanforderungen übererfüllen (z. B. ein Produkt, das energieeffizienter ist als mindestens gefordert), kann Anreize für die Weiterentwicklung von Produkten schaffen.

Um für das konkrete Beschaffungsvorhaben einen ausreichenden Wettbewerb sicherzustellen, sollte vor Beginn des Vergabeverfahrens eine Markterkundung durchgeführt werden. Dieses Instrument ist vergaberechtlich zulässig. Dies ist vor allem dann hilfreich, wenn Auftraggeber unsicher sind, welche Nachhaltigkeitsaspekte mögliche Anbieter bereits umsetzen können.

Fazit

Die öffentliche Hand ist gefordert, sich intensiv mit dem Thema nachhaltige Beschaffung zu beschäftigen. Die Warengruppe IT ist dafür sehr gut geeignet, weil sie in jeder Organisation relevant ist und es durch etablierte Gütezeichen, Leitfäden und Beratungsangebote viele Hilfestellungen gibt. Außerdem gibt es in diesem Bereich schon viele Anbieter, die das Thema Umwelt und Menschenrechte ernst nehmen. Sinnvoll kann es sein, mit einem Pilotprojekt zu starten, um Erfahrungen zu sammeln.

Julia Gielen