Automobilindustrie: Beschäftigte arbeiten in einer Industriehalle an einem Auto.

So machen Autozulieferer ihre Verbrennungsmotor-Produkte profitabler

Wie gelingt die erfolgreiche Transformation der Branche? Ein besonderer Werthebel hilft.

Es ist eine ökonomische und technologische Zäsur: Der Elektroantrieb löst sukzessiv den Verbrennungsmotor als Standard ab. Bis 2035 werden die größten Automobilmärkte auf Elektroantriebe umgestellt haben. Diese Entwicklung ist für Zulieferer folgenreich: Was tun mit dem „herkömmlichen“ Produktportfolio? Bleibt die Profitabilität stabil? Kann sie womöglich sogar noch gesteigert werden?

Die Antwort auf letztere Frage: ja. Dabei wird das sogenannte Engineering Services Sourcing zu einem strategischen Baustein und Werthebel für die erfolgreiche Transformation. Mit Engineering Services Sourcing können Unternehmen analog zum bekannteren Sourcing von Software-Entwicklungen Ingenieursdienstleistungen flexibel extern und häufig near- oder offshore zukaufen.

Die aktuelle Lage im Überblick

Der regulatorische Druck und die Anziehungskraft von Elektroautos auf Verbraucher:innen sind je nach Region sehr unterschiedlich. In den Vereinigten Staaten wuchs der Absatz von Elektroautos zunächst nur langsam. Mit dem Inflation Reduction Act (IRA), einem Gesetz zur Verringerung der Inflation, investiert die US-Regierung nun rund 370 Milliarden Dollar in Subventionen für die amerikanische Energiewende, einschließlich Steuererleichterungen für vor Ort hergestellte Elektrofahrzeuge und Batterien.

Die Europäische Union hat unterdessen ein Abkommen unterzeichnet, das den Verkauf der meisten neuen Verbrennungsmotoren ab 2035 untersagt und gleichzeitig vergleichsweise hohe Subventionen für Elektrofahrzeuge beibehält. Und in China ist die Anziehungskraft der Verbraucher:innen trotz reduzierter Subventionen weiterhin sehr groß.

Schon Jahre davor hat die Automobilindustrie das Innovationstempo bei der Entwicklung neuer Konzepte für elektrische, vernetzte, autonome und gemeinsam genutzte Mobilität erhöht. Die Branche hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 400 Milliarden Euro an Investitionen angezogen – rund 100 Milliarden Euro davon sind alleine seit Anfang 2020 geflossen. Diese Gelder sind für Unternehmen und Start-ups bestimmt, die an der Elektrifizierung der Mobilität, der Vernetzung von Fahrzeugen und der autonomen Fahrtechnologie arbeiten.

Die Bedeutung der Entwicklungen für die Zulieferer

Klar ist: In dem Maße, in dem sich Elektrofahrzeuge am Markt durchsetzen werden, wird sich das Umsatz- und Gewinnwachstum der Zulieferer auf Elektrofahrzeuge und mit Elektrofahrzeugen verbundene Technologien wie selbstfahrende und vernetzte Fahrzeuge konzentrieren. Dementsprechend werden die Umsätze und Gewinne aus dem Geschäft mit Komponenten für traditionell durch Verbrennungsmotoren (Internal Combustion Engines, ICE) angetriebenen Fahrzeugen stagnieren.

Die Auswirkungen auf den Ersatzteilmarkt für herkömmliche Komponenten werden mittelfristig weniger dramatisch sein, aber bis 2030 wird voraussichtlich auch der Markt dieser drei Produktkategorien stagnieren:

  • Electric-Vehicle-native Produkte: Zu dieser Kategorie, die die größte Wachstumsquelle darstellt, gehören Batteriemanagementsysteme (BMS) und fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (ADAS). Diese Teile bieten eine höhere Marge, obwohl diese im Detail von der jeweiligen Sub-Kategorie abhängt – höher für Software, geringer für zunehmend standardisierte Segmente wie Leistungselektronik.
  • Cross-over-Produkte: Dazu gehören Produkte, die überwiegend antriebsunabhängig sind, wie zum Beispiel: Außenteile, Klimaanlagen, Sitze und Beleuchtung. Es wird erwartet, dass die Margen in dieser Produktkategorie weitgehend stabil bleiben.
  • ICE-Legacy-Produkte und -Teile: Dazu zählen Verbrennungsmotoren, herkömmliche Getriebe, Abgassysteme, Kraftstoffsysteme und ältere Generationen von Elektronik, die nicht mehr für vernetzte Autos geeignet sind. Es wird erwartet, dass die Margen in dieser Produktkategorie zurückgehen, da Zulieferer zunehmend mit Überkapazitäten und preisaggressiven Wettbewerbern zu kämpfen haben.

Somit stellt sich die zukunftsgerichtete Frage: Wie gehen die Zulieferer mit dem ICE-Produktportfolio um?

Engineering Services Sourcing als strategischer Schritt

Auch wenn das Geschäft mit Teilen und Systemen für Verbrennungsmotoren und älteren Generationen von Elektronik sowie Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMIs) langfristig unvermeidlich zurückgeht, haben die Zulieferer mehrere Hebel in Form von strategischen und internen Optimierungsoptionen, um den Wert dieses Teils ihres Produktportfolios zu maximieren.

Eine strategische Optimierungsmöglichkeit besteht darin, diese Produkte in separate Geschäftseinheiten oder Geschäftsbereiche auszugliedern und als sogenannte Run-off-Produkte zu führen. Das heißt, dass das Neugeschäft eingestellt wird. Der Fokus liegt dann ausschließlich auf der Bestandsabwicklung. Während diese Option in den USA spätestens seit 2017 bei der Spartenausgliederung von Aptiv aus dem Unternehmen Deplhi, der Integration von Delphi Tech in BorgWarner und geplanten Carve-outs von ICE-Legacy-Produkten aus BorgWarner zu beobachten ist, wird diese Option in Europa selten gewählt.

Auf dem kritischen Pfad für solche Aus- oder Umgliederungen sind unterdessen meist nicht die Produktions- sondern die Ingenieurskapazitäten – deshalb ist Contract Engineering ein zunehmend wichtig.

Taktisch gesehen kann das Engineering Services Sourcing von Legacy-Produktenknappe Engineering-Ressourcen freisetzen, die derzeit durch ICE-Legacy gebunden sind. Strategisch gesehen kann Engineering Services Sourcing von Legacy-Komponenten dazu beitragen, das Engineering von der Produktion zu entkoppeln und damit sowohl die Voraussetzungen für ein internes Run-off-Modell als auch für strategische Veräußerungen zu schaffen.

Engineering Services Sourcing führt erwiesenermaßen zu kurzfristigen Kostensenkungen und zu einer erhöhten Transparenz der Kosten und Engineering-Prozesse. Außerdem ermöglichen Engineering Services einen verbesserten und besser skalierbaren Zugang zu Engineering-Ressourcen sowie erfolgversprechendere Perspektiven für die beauftragten Ingenieure. Angesichts der rapiden technologischen Umwälzungen auf dem Fahrzeugmarkt ist das Engineering Services Sourcing somit ein maßgeblicher Faktor für die effiziente Transformation der Automobilzulieferer und die damit einhergehende Steigerung der Resilienz.