Reichweite wird zur neuen PS-Angabe

Jedes zweite Auto wird 2030 elektrisch betrieben. Was die Branche bis dahin tun sollte.

Der Automarkt wird sich in den kommenden zehn Jahren gravierend verändern. Davon zeichnet unser aktueller Global Automotive Executive Survey ein sehr klares Bild. Für die Studie haben wir Führungskräfte von internationalen Autokonzernen gefragt, welche Veränderungen die Branche prägen werden.

Deutlich wird: Die Art, wie in Zukunft Autos gekauft werden, verändert sich stark. Klassische Vertriebswege, etwa das Autohaus, werden mehr und mehr durch Onlinekanäle ersetzt. Verbraucher:innen erwarten dann entsprechende digitale Kundenerlebnisse. Es gilt also Autos online ansprechend zu präsentieren und Kund:innen mit einer prägenden digitalen Kauferfahrung zu überzeugen.

Ladezeiten und Stromverbrauch wichtiger als PS-Zahlen

Ich möchte hier aber auf einen anderen Aspekt unserer Studie eingehen. Die Branchen-CEOs sind davon überzeugt, dass im Jahr 2030 die Hälfte aller Autos elektrisch betrieben ist. Diese Einschätzung teile ich. Und ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir künftig weniger darüber sprechen werden, wie viele PS ein Auto hat. Die Frage wird eher sein: „Für wie viele Kilometer reicht eine Ladung deiner Batterie?“ Die Reichweite der Batterie und die Ladezeit werden die PS-Zahl ersetzen.

Wer keine leistungsfähigen Batterien entwickeln kann, wird abgehängt

Unsere Befragung zeigt deutlich, dass Verbraucher:innen sich E-Autos wünschen, die erstens mit einer vollgeladenen Batterie so weit wie möglich kommen und zweitens die Akkus so schnell wie möglich wieder aufladen. Autobauer, die das nicht gewährleisten können, werden Schwierigkeiten bekommen, ihre Produkte zu verkaufen.

Die Führungskräfte haben in unserer Umfrage angegeben, dass 77 Prozent der Verbraucher:innen nicht länger als 30 Minuten warten wollen, bis die Batterie zu 80 Prozent geladen ist. Das bedeutet auch: Ein Auto kann ruhig über etwas weniger PS-Leistung verfügen, solange die Batterie schnell genug lädt. Für die Autokonzerne heißt das: Wer es nicht schafft, leistungsfähige Batterien mit schnellen Ladezyklen auf den Markt zu bringen, der wird auf Dauer abgehängt oder sogar verschwinden.

Branche arbeitet an neuen Technologien

Die Branche hat das längst erkannt und entwickelt neue, attraktivere Ladevarianten. Eine davon ist das sogenannte konduktive Laden. Hier muss die Batterie nicht über ein Kabel und Steckverbindung geladen werden. Im Unterboden des Autos befindet sich ein „Charging Connector“, der sich mit einem „Charging Pad“ verbindet, der im Boden eines speziellen Parkplatzes eingelassen ist. Außerdem starten schon Versuche mit induktiven Lademöglichkeiten.

Wer keinen leeren Akku riskieren will, muss gut planen

Neueste Batterien haben bereits Kapazitäten, die für Strecken von 600 bis 700 Kilometern reichen. Auch hat sich die Ladezeit bei den neuesten Modellen erheblich verkürzt im Vergleich zu früheren E-Autos. Bei aktuellen Modellen genügen 30 Minuten Ladezeit für eine Reichweite von etwa 400 Kilometer. Eigentlich positive Nachrichten und ein Zeichen, dass die Branche auf einem guten Weg ist.

Die Laderealität sieht für Verbraucher:innen leider nicht ganz so rosig aus. Die Infrastruktur von Ladesäulen wird zwar besser, weist aber oft große Löcher auf. Wer lange Strecken fährt, muss immer noch gut planen, um nicht mit einem leeren Akku auf der Strecke zu bleiben. Hinzu kommt, dass für Nutzerinnen und Nutzer die Ladekosten nicht transparent dargestellt werden. Wenn E-Autos bis 2030 die Mehrheit der Fahrzeuge auf den Straßen ausmachen, sollte sich das auch in der Infrastruktur widerspiegeln.

Ungewöhnliche Partnerschaften schließen und neue Geschäftsmodelle erarbeiten

Hier sehe ich für die Branche Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Zum Beispiel, um die Ladeinfrastruktur zu verbessern. Autohersteller könnten etwa Partnerschaften mit Supermärkten oder Betreiber:innen von öffentlichen Parkplätzen und Stromanbietern eingehen, um noch mehr Ladesäulen zu betreiben und um das Netz zügig auszubauen.

Egal, welche Wege die Autohersteller finden – klar ist, dass die Infrastruktur und die Batterien optimiert werden sollten, wenn die Akzeptanz und der Absatz von E-Autos weiter gesteigert werden sollen. Die Wünsche der Kund:innen sind klar. Jetzt sollten sie erfüllt werden.