Die Automobilindustrie steht im Zuge des Wandels zur Elektromobilität vor einer immer drängenderen Aufgabe: Den Zugang zu seltenen Rohstoffen sicherzustellen, um die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen und innovativen Technologien zu decken.
Denn die strategische Bedeutung von Teilen im Auto verlagert sich. Es werden nicht mehr nur Rohstoffe der klassischen Versorgungsketten für den Antrieb und die Mechanik des Fahrzeugs benötigt, sondern auch für Elektronik, Kommunikation und Unterhaltungsfunktionen.
Rohstoffbeschaffung in der Automobilindustrie: Das sind die Herausforderungen
Komplexe Wertschöpfungsketten
Im Zuge des E-Wandels benötigt die Automobilindustrie insbesondere Lithium für Batterien sowie Neodym für Magneten. Die Wertschöpfungskette für diese Rohstoffe umfasst viele Schritte und Akteure – von der Gewinnung bis zur Endmontage.
Jeder Schritt erfordert spezialisierte Fähigkeiten und Ressourcen. Dies macht die Koordination und Zusammenarbeit zwischen Minenbetreibern, Raffinerien, Zellherstellern, Batteriepack-Herstellern und Endverbrauchern komplex und vielschichtig. Preisschwankungen oder Unterbrechungen in der Rohstoffversorgung können Auswirkungen auf die Herstellungskosten und die Wettbewerbsfähigkeit haben.
Geopolitische Spannungen
Ein weiterer Faktor, der die Situation erschwert, ist die geopolitische Bedeutung. Viele der benötigten Rohstoffe werden in Ländern abgebaut oder verarbeitet, die politisch stark instabil sind, wie beispielweise der Kongo oder China, was die Verfügbarkeit und den Zugang zu diesen Materialien unsicher macht.
Anspruch an Circular Economy
Zusätzlich sind Autohersteller aufgrund von EU-Vorschriften dazu verpflichtet, ihre Geschäftsmodelle und Produktionsprozesse von einer linearen Wirtschaft hin zu einer Circular Economy zu überarbeiten. Das bedeutet, dass die Branche vermehrt auf Recycling, Wiederverwertung und ressourceneffizientes Design setzen muss.
Fünf Ansätze, um Rohstoffversorgung sicherzustellen
Ohne ein Umdenken und eine Umstellung der bisherigen Prozesse, wird langfristig die Nachfrage nach den benötigten Ressourcen deutlich über dem vorhandenen Angebot liegen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind unserer Meinung nach folgende fünf Maßnahmen unerlässlich:
- Rohstoffsicherheit priorisieren
Aktuelle Krisen und Konflikte zeigen einmal mehr die signifikante Bedeutung der Ressourcen- und Energiesicherheit, da bei der Verarbeitung von Rohstoffen auch wettbewerbsfähige Energiekosten eine Rolle spielen.
Erstausrüster (OEMs) sollten daher bevorzugt auf Rohstoffproduzenten setzen, die politisch stabil sind, wie beispielsweise Australien, Finnland oder Schweden. In Regionen ohne hinreichende Transparenz, ist eine verstärkte Einbindung der OEMs entlang der Wertschöpfungskette erforderlich, damit ESG-Kriterien zukünftig erfüllt werden.
- Strategische Partnerschaften bei Wertschöpfungsketten
Um sicherzustellen, dass das Rohstoffangebot der Nachfrage gerecht wird, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Montan- und Autoindustrie in Form von Lieferverträgen. Konkret bedeutet das eine klare Kommunikation von Bedarfen sowie eine Abnahmeverpflichung. Denn nur auf diese Weise können Autohersteller zuverlässige Quellen für ihre benötigten Rohstoffe erschaffen, ausreichende Mengen sichern und klare Vorhersagen treffen. Zudem sollte auf gemeinsame Förderunternehmen und staatlichen Partnerschaften gesetzt werden.
- Sicherungsinstrumente etablieren
Kritische Rohstoffe sollten über verschiedene Sicherungsinstrumente fixiert werden, da die Automobilindustrie von einer Vielzahl von Rohstoffen abhängig ist, darunter Metalle, Kunststoffe und Elektronikkomponenten.
Mithilfe von Risikomanagement-Tools können Automobilhersteller frühzeitig auf Markttrends und -risiken reagieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zudem sollten sie auf verschiedene Lieferanten für dasselbe Material setzen, um die Abhängigkeit von einer einzigen Quelle zu verringern und das Risiko bei Angebotsunterbrechungen oder Preisschwankungen zu mindern.
- Auf Recycling setzen
Da die natürlichen Vorkommen seltener Erden begrenzt sind, sehen neue EU-Vorschriften vor, dass Autohersteller zukünftig mehr EV-Batterien recyceln und einen gewissen Anteil von Rezyklat, also recycelte Rohstoffe aus Kunststoffen, in ihren Batterien verwenden müssen.
Automobilhersteller und ihre Zulieferer sollten Produktionsprozesse so umstellen, dass wertvolle Materialien wie Lithium, Kobalt und Nickel aus ausgedienten Batterien wieder in den Kreislauf eingespeist werden können oder Batterien im stationären Gebrauch weiterverwendet werden. Der Recyclingprozess kann dazu beitragen, die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen zu reduzieren und Kosten zu senken.
- Technologien nutzen
OEMs sollten auf innovative Technologien setzen, um einen nachhaltigen Umgang mit seltenen Rohstoffen zu gewährleisten. So ermöglicht beispielweise die Blockchain-Technologie eine transparente Rückverfolgung von Rohstoffen entlang der Lieferkette. Gemeinsame Industriestandards zur Datenbereitstellung können dabei helfen, Nachhaltigkeitsstandards und ethische Praktiken einzuhalten.
Künstliche Intelligenz ermöglicht die Optimierung der gesamten Lieferkette, indem sie Transportwege, Produktionspläne und Lagerstandorte analysiert, um die Effizienz und Zuverlässigkeit der Rohstoffversorgung zu verbessern.