Mit dem Aktionsplan „Sustainable Finance“ will die Europäische Union (EU) zu einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft beitragen. Die EU-Taxonomie ist ein wichtiger Bestandteil, denn sie soll nachhaltige Aktivitäten messbar und verschiedene Investitionsmöglichkeiten miteinander vergleichbar machen. So soll „Greenwashing“ verhindert werden und Kapitalströme den Weg in nachhaltige Aktivitäten finden. Dafür macht die EU-Taxonomie Vorgaben zur Klassifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten, zur Berichterstattung und zur Quantifizierung der ökologisch nachhaltigen Aktivitäten.
1. Klassifizierung: Ist die EU-Taxonomie nur für ausgewählte Branchen relevant?
Welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten, legt die EU-Taxonomie mit einem Katalog fest. Er umfasst wirtschaftliche Aktivitäten, die zu sechs festgelegten Umweltzielen beitragen können:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Bislang existiert der Katalog jedoch nur für die ersten beiden Umweltziele, die sich auf die Reduktion von CO2-Emissionen fokussieren. Unternehmen mit Geschäftsmodellen, die nicht unter die EU-Taxonomie fallen, befürchten daher Herausforderungen bei der Kapitalbeschaffung und ziehen teilweise Anpassungen am eigenen Geschäftsmodell in Betracht. So können beispielsweise Unternehmen der Tourismusindustrie keine oder nur geringe Taxonomie-Quoten berichten, weil die auf die ersten beiden Ziele nur begrenzt hinarbeiten können.
Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich in der EU-Taxonomie wiederfindet, stehen nun vor der Frage, in welchem Umfang sie ihre taxonomiefähigen Aktivitäten in taxonomiekonforme Aktivitäten überführen können. Ob eine Aktivität taxonomiekonform ist, wird anhand technischer Bewertungskriterien ermittelt in Bezug auf
- Schwellenwerte, die zu erfüllen sind, damit die Aktivität einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung eines Umweltziels leistet,
- Bedingungen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der anderen fünf Umweltziele verhindern und
- Einhaltung des sozialen Mindestschutzes wie etwa die Einhaltung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.
In der quantitativen Berichterstattung sind sowohl die taxonomiekonformen Aktivitäten als auch die taxonomiefähigen, aber nicht taxonomiekonformen Aktivitäten zu berichten. Beispielsweise wird ein Stahlproduzent einen hohen taxonomiefähigen Umsatz ausweisen können, da die Herstellung von Eisen und Stahl in der Taxonomie explizit genannt wird. Die für einen wesentlichen Beitrag genannten Kriterien erfüllen gegenwärtig jedoch nur zehn Prozent der Produktionsanlagen. Gehören die Anlagen eines Stahlproduzenten nicht zu diesen zehn Prozent, wird er nur einen geringen taxonomiekonformen Umsatz ausweisen können.
2. Berichterstattung: Wer ist berichtspflichtig und wer könnte von der freiwilligen Angabe der Taxonomie-Kennzahlen profitieren?
Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung legt die wesentlichen Berichtspflichten fest: Betroffene Unternehmen müssen über den Umfang ihrer ökologisch nachhaltigen Aktivitäten berichten.
Nicht-Finanzunternehmen müssen in ihrer nichtfinanziellen Erklärung Taxonomie-Kennzahlen für den Anteil von Umsatz, Investitionen (Capex) und Betriebsausgaben (Opex) angeben, die mit ökologisch nachhaltigen Aktivitäten verbunden sind. Berichtspflichtig sind alle Unternehmen, die eine nichtfinanzielle Erklärung erstellen, also große Unternehmen von öffentlichem Interesse (kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungsunternehmen) mit mehr als 500 Mitarbeitenden. Unternehmen, die keine nichtfinanzielle Erklärung erstellen, sind von den Taxonomie-Angaben befreit. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich diese Unternehmen nicht mit Fragen zu ihren Taxonomie-Kennzahlen seitens Finanzunternehmen und der Öffentlichkeit wie zum Beispiel von Konsumenten oder NGOs konfrontiert sehen.
Finanzunternehmen wie Banken, Versicherungen, Asset Manager oder Pensionsfonds unterliegen ebenfalls den Informationspflichten aus der Taxonomie-Verordnung sowie ergänzend aus der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Für die erforderlichen Angaben über Investitionen in nachhaltige Aktivitäten benötigen sie entsprechende Informationen von den in ihrem Portfolio befindlichen Unternehmen. Es ist zu erwarten, dass die Finanzunternehmen diese nicht nur bei den direkt von der EU-Taxonomie betroffenen Unternehmen anfragen, sondern entsprechende Informationswünsche auch auf andere Unternehmen in ihrem Portfolio ausdehnen werden. Daher überlegen auch Unternehmen, die nicht unmittelbar von der EU-Taxonomie erfasst werden, die Taxonomie-Angaben bereitzustellen.
3. Quantifizierung: Welche Herausforderungen bestehen bei der Ermittlung der Taxonomie-Kennzahlen?
Die Taxonomie-Kennzahlen stellen den Anteil ökologisch nachhaltiger Aktivitäten am Gesamtumfang einer Aktivität dar. Die Verordnung konkretisiert, welche Werte in Zähler und Nenner der zu berechnenden Taxonomie-Kennzahl einfließen.
Die Werte für den Nenner von Umsatz-KPI und Capex-KPI sind relativ einfach aus den Konzernabschlussdaten abzuleiten. Für den Opex-KPI ist das schon schwieriger. Der Umsatz umfasst die Umsatzerlöse gemäß IAS 1.82 (a) und kann somit in der Regel aus der GuV entnommen werden. Die Grundgesamtheit für den Capex entspricht den Zugängen im Anlagevermögen, die im Anlagespiegel ausgewiesen werden.
Die Bezeichnung der dritten Kennzahl mit „Betriebskosten“ ist eigentlich irreführend: Für die EU-Taxonomie werden hierunter direkte, nicht kapitalisierte Kosten für bestimmte Sachverhalte verstanden (z. B. Forschung und Entwicklung oder Gebäuderenovierung). Diese Kosten werden meist nicht auf separaten Konten erfasst, sondern durch eine Analyse aus anderen Konten abgeleitet.
Anschließend sind die Werte für den Zähler zu identifizieren, die mit taxonomiefähigen Aktivitäten verbunden sind. Die Zahlenbasis kann gemeinsam von Konzernrechnungslegungsteam und Controlling ermittelt werden. Das inhaltliche Verständnis einzelner Aktivitäten und Transaktionen erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit mit weiteren Unternehmensabteilungen wie der Nachhaltigkeitsabteilung.
Bislang erfolgen die Analyse und Auswertung einzelner Konten und Maßnahmen durch die Unternehmen vielfach noch manuell. Für die Einschätzung der Taxonomiefähigkeit ist dies schon ein erheblicher Aufwand, der mit der Beurteilung der Taxonomiekonformität weiter steigt. Eine manuelle Durchführung der Analysen wird im Rahmen der Abschlusserstellung aus ressourcentechnischen und zeitlichen Gründen kaum möglich sein. Die Unternehmen werden daher gezwungen sein, ihre internen Systeme und Prozesse so weiterzuentwickeln, dass sie die Taxonomie-Angaben analog zu den Finanzinformationen automatisiert aus den Systemen des Rechnungswesens ermitteln können.
Die Anpassung an die EU-Taxonomie wird zum Erfolgsfaktor in der nachhaltigen Wirtschaftsordnung der Zukunft
Während die EU-Taxonomie für einige Unternehmen schon bald Pflicht ist, bleibt sie für viele kleinere Unternehmen zunächst eine Art der Kür auf freiwilliger Basis. Dennoch kann es auch für sie von Vorteil sein, möglichst früh die Weichen zu stellen und ihr Unternehmen für die nachhaltige Wirtschaftsordnung der Zukunft wettbewerbsfähig aufzustellen. Dies gelingt, wenn sie ihre Prozesse und Systeme für die EU-Taxonomie optimieren und – sofern sinnvoll – auch vor Anpassungen des Geschäftsmodells nicht zurückschrecken.
Schließlich spielt die EU-Taxonomie eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Unternehmen, auch wenn diese selbst (noch) nicht unter die Taxonomie fallen. Mit der freiwilligen Angabe von Taxonomie-Kennzahlen können Unternehmen sich die Gunst ihrer Investoren, aber auch der Öffentlichkeit verdienen, indem sie zur Entwicklung hin zu einer ökologisch nachhaltigen und transparenten Wirtschaft beitragen.