Digitalisierung jetzt: Der Gesetzgeber verpflichtet durch das Onlinezugangsgesetzt (OZG) Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten. Mit Hilfe der Blockchain dürfte das gelingen – und zwar sicher, effizient und auch nachhaltig. Wie das konkret aussehen könnte, erklären Ronald Koß, Digitalisierungsexperte für den öffentlichen Sektor bei KPMG, und Jacob Friedrich, Blockchain-Spezialist beim IT-Berater Quadrio, im Doppelinterview.
KPMG: Herr Koß, ist Blockchain in der öffentlichen Verwaltung ein Thema?
Ronald Koß: Ja, die Bundesdruckerei zum Beispiel beteiligt sich am Verfahren zur fälschungssicheren digitalen Signatur mit Hilfe der Blockchain-Technologie. Aber die Einsatzmöglichkeiten sind natürlich vielfältiger. Behörden könnten mit der Blockchain alle Verwaltungsakte rechts- und manipulationssicher digitalisieren und automatisieren. Die Vorteile: Die Behörden könnten besser kooperieren, Mitarbeitende könnten flexibel im Homeoffice arbeiten und Prozesse würden effizienter. Hinzu kommt: Aufwändige und zeitraubende Behördengänge für Bürger wären endlich Vergangenheit. Auch beim Austausch von sicherheitsrelevanten Dokumenten zwischen Bund und Ländern finden sich zahlreichen Anwendungsfälle.
KPMG: Herr Friedrich, Sie entwickeln Blockchain-Lösungen für Ihre Kunden. Wie könnte die rechts- und manipulationssichere Digitalisierung für Behörden konkret aussehen?
Jacob Friedrich: Wir bieten mit unserem Dokumentenservice ECHT! solch eine Lösung bereits an – im Rahmen eines Pilotprojektes mit öffentlichen und privaten Bildungsträgern sowie kommunalen Verwaltungen. Dabei setzen wir ebenfalls auf elektronische Signaturen, die gemäß EU-Gesetzgebung die selbe Rechtssicherheit wie eine handschriftliche Unterschrift bieten – und das in und zwischen allen EU-Mitgliedstaaten. Außerdem können unsere Pilotkunden auch die Gültigkeit eines Dokuments in Echtzeit abbilden, also auch im Nachgang ungültig stempeln, zum Beispiel im erst nachträglich erkannten Plagiatsfall.
Eine weitere Möglichkeit: Behörden können digitale Bescheide mit begrenzter Gültigkeit vergeben. Sobald die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen ist, planen wir unseren Dokumentenservice mehreren Kommunen und Gemeinden zur Verfügung zu stellen.
KPMG: Wie sieht es mit der Klimabilanz aus? Immerhin steht zum Beispiel die Bitcoin-Blockchain aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs in der Kritik.
Jacob Friedrich: Unsere Technologie ist nicht zu vergleichen mit der Bitcoin-Blockchain, die in der Tat sehr energieintensiv ist. Der Unterschied liegt in der Art des sogenannten Konsensmechanismus. Statt des Proof-of-Work-Mechanismus von Bitcoin nutzen wir die Blockchain von GovDigital, welche den sogenannten Proof-of-Authority-Mechanismus verwendet, der wiederum deutlich energieschonender ist – und sich aktuell in Deutschland als Blockchain der öffentlichen Verwaltung durchsetzt. Die Funktionalität ist dieselbe. Darüber hinaus haben wir unseren Dokumentenservice so entwickelt, dass wir zu jeder Zeit verschiedenste Blockchains anbinden können, um die Zukunftssicherheit der Dienstleitung zu gewährleisten.
Ronald Koß: Hinzu kommt, dass eine digitale Verwaltung neben Papier auch Wegfahrten und andere Kommunikationswege deutlich reduziert. Hier lohnt also eine ganzheitliche Betrachtung, um die Klimafreundlichkeit zu beurteilen, wie dieses Beispiel zeigt: Um heute ein Abschlusszeugnis beglaubigen zu lassen, müssen Studierende das Dokument beschaffen, telefonisch oder per Mail einen Termin ausmachen, hin- und wieder zurückfahren. Dies innerhalb einer App zu erledigen, würde diese Fahrten, Datentransfers und auch Zeit sparen. Dieses Beispiel lässt sich auf die gesamte bundesdeutsche Verwaltung übertragen. So gut wie alle Verwaltungsprozesse, Bearbeitung, Überprüfung und Weiterleitung von Dokumenten könnten mit Hilfe der Digitalisierung bzw. Blockchain-Technologie verschlankt werden – und Fahrten, Zeiten und andere Kommunikationswege einsparen. Nicht zuletzt könnte auch die ESG-Datenverwaltung selbst automatisiert von der Blockchain überprüft werden.
KPMG: Herr Friedrich, Herr Koß, wir danken Ihnen für das Gespräch.