Zölle und Sanktionen. Diese Maßnahmen bestimmen überwiegend das Bild des Handelsstreits zwischen China und den Vereinigten Staaten, der in der öffentlichen Wahrnehmung mit der vorigen US-Regierung begonnen hat.
Doch der wirtschaftliche Konflikt zwischen den Ländern reicht sehr viel tiefer, weshalb Beobachter von einer ökonomischen Entzweiung der beiden Volkswirtschaften sprechen – dem sogenannten Decoupling. Dieser Prozess wird sich voraussichtlich auch unter der neuen US-Regierung fortsetzen und die Weltwirtschaft nachhaltig prägen.
International agierende Unternehmen sollten sich daher tiefgehend mit der Entzweiung auseinandersetzen und Ihre Strukturen und Strategien hierauf ausrichten.
Decoupling – ein langfristiger Prozess
Zunächst einmal gilt es zu verstehen: Das Decoupling ist keine vorübergehende Taktik, sondern eine grundlegende Strategie Chinas und der USA, bei der sich die beiden Wirtschaftsblöcke immer weiter entflechten.
Einher geht das mit Einfuhr- und Ausfuhrverboten, etwa für Chips, Netzwerkausrüstung und Grundstoffe wie seltene Erden oder bestimmte Chemikalien. Hinzu kommen Nutzungsverbote für geschäftsrelevante Software und Limitierungen im Datentransfer.
Langfristig besonders bedeutsam ist das Festlegen unterschiedlicher Standards, Regeln und Gesetze, die in den jeweiligen Wirtschaftsblöcken gelten. Unternehmen, die sich nicht daran halten, müssen mit Strafen bis hin zum Betätigungsverbot rechnen.
China verfolgt seit langer Zeit eine Doppelstrategie: In Bereichen, in denen ausländisches Know-how und Technologien benötigt werden, betreibt es „selektives Coupling“ – das heißt, es sucht Kooperationen und öffnet den lokalen Markt. In strategischen Zukunftsfeldern hingegen – etwa im digitalen Handel, bei Online-Plattformen, Netzwerktechnik oder Schnellzügen – versperrt die Volksrepublik ausländischen Unternehmen den lokalen Markt und baut stattdessen chinesische Staatsunternehmen zu globalen Marktführern auf.
Die Vereinigten Staaten reagieren hierauf ebenfalls mit Decoupling, indem sie chinesischen Unternehmen den Zugang zum eigenen Markt und den von befreundeten Volkswirtschaften verwehren oder erschweren. Das wiederum führt ganz aktuell zu weiteren Gegenreaktionen Chinas: Gemäß ihrem 14. Fünf-Jahres-Plan, der im März 2021 final verabschiedet wird, wendet die Volksrepublik eine Dual-Circulation-Strategie an. Der Begriff steht für eine zusätzliche Besinnung auf den Konsum im Landesinnern und einen stärkeren Warenaustausch mit regionalen Handelsbündnissen, vor allem in Asien.
Diese Verhaltensweise deutet auf ein weiteres Auseinanderdriften der beiden großen Wirtschaftsblöcke hin.
Konsequenzen für deutsche Unternehmen
Deutsche Unternehmen, deren größte Absatzmärkte in der Regel die USA und zugleich China sind, sollten in diesem Spannungsfeld eigene Strategien entwickeln und sich positionieren. Andernfalls könnten sie sich ins Abseits manövrieren.
Startpunkt für international tätige deutsche Konzerne sollte eine umfassende Analyse der Risikolage sein: im eigenen Unternehmen (Ist die eigene Organisation direkt vom Decoupling betroffen?) und entlang der gesamten Lieferkette (Sind wichtige Zulieferer oder Kunden betroffen?). Hierfür ist digitales Lieferantenmanagement ein wichtiger Baustein.
Unternehmen sollten beachten, dass die Entkopplung ein sich ständig entwickelnder Prozess ist. Als Folge ist auch die Risikoanalyse fortlaufend zu aktualisieren. Dazu bietet sich das Einrichten einer Taskforce an. Diese Einheit sollte sich aus Mitgliedern aller für den Konzern relevanten Regionen, Länder und Märkte zusammensetzen. So lassen sich schnell neue lokale Regelungen, Gesetze, politische Strömungen und Trends erkennen und angemessene Reaktionen finden.
Unternehmen sollten dies nicht auf die lange Bank schieben. Unser aktueller „Business Confidence Survey“ zeigt, dass eine Aufspaltung der Wirtschaftsblöcke schon zu erkennen ist: In China tätige deutsche Unternehmen lokalisieren ihre Wertschöpfungsketten verstärkt in der Volksrepublik. Das heißt, sie produzieren in China für China und betreiben dort auch vermehrt Forschung und Entwicklung für den lokalen Markt.
Wie Konzerne auf das Decoupling reagieren sollten
Um sich gegen das Decoupling zu schützen, sollten Konzerne möglichst flexible Strukturen schaffen, um sich schnell an neue Entwicklungen anpassen zu können. Dies betrifft nicht nur die Lieferantenauswahl sondern auch die gesamte IT-Infrastruktur, das Datenmanagement, das IP-Management und die gesellschaftsrechtliche sowie steuerliche Struktur der globalen Gruppe.
Darüber hinaus sollten Unternehmen permanent überprüfen, ob ihre Geschäftstätigkeiten in allen Märkten mit spezifischen lokalen Anforderungen, Regeln und Gesetzen konform sind. Dabei ist ein länderspezifisches Country-Compliance-Management-System essenziell. Für China umfasst dies beispielsweise das Erfüllen der Anforderungen des Corporate-Social-Credit-Systems, des „Cyber Security Law“ und des „Export Control Law“. In den USA gibt es ähnliche strafbewehrte Gesetze und Regeln, die das Nutzen chinesischer Technik für im US-Markt vertriebene Produkte untersagen.
Schließlich sollten deutsche Unternehmen sich Gedanken machen, wie sie sich langfristig in dem Handelskonflikt zwischen den USA und China positionieren wollen. Im Extremfall kann eine Aufsplittung des Konzerns in zwei Teile notwendig werden.
In jedem Fall gilt: Das Decoupling wird uns noch lange beschäftigen und nur vorausschauend planende und agierende flexible Unternehmen werden im globalen Wettbewerb bestehen.