Seit Juni 2021 ist das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) in Kraft – es ist die nationale Umsetzung der entsprechenden europäischen Richtlinie (Clean Vehicles Directive). Im Sinne der angestrebten Verkehrswende schreibt das Gesetz dem öffentlichen Sektor bei der Fahrzeugbeschaffung verbindliche Mindestquoten an emissionsarmen bzw. -freien Fahrzeugen vor. Diese werden meist von einem Elektromotor angetrieben, der seinen Strom aus zwei Quellen erhalten kann: Batterien oder Wasserstoff, aus dem in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt wird.
Bestandsflotten sind durch die neuen Beschaffungsquoten nicht gefährdet
In einem Klardenker-Beitrag hat Julia Gielen von KPMG Law die Anforderungen des Gesetzes beschrieben, unter anderem die vorgegebenen Quoten für die beiden Referenzzeiträume.
Für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), den wir in diesem Artikel betrachten, ist hier in erster Linie die Vorgabe für Omnibusse relevant: Im ersten Zeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 müssen 45 Prozent der beschafften Busse den Vorgaben des Gesetzes entsprechen. Anschließend steigt die Mindestquote bis Ende 2030 auf 65 Prozent.
Wichtig dabei: Es handelt sich nicht um Betriebsquoten – das heißt, vorhandene Dieselbusse können weiterhin über ihre gesamte Lebensdauer im öffentlichen Verkehr betrieben werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, bestehende Fahrzeuge lediglich sukzessive durch neu angeschaffte emissionsarme bzw. emissionsfreie Busse zu ersetzen. Aber: Die Beschaffungsquoten sind als Durchschnittswert über den gesamten Zeitraum zu sehen. Wer somit jetzt nur wenige neue Busse anschafft, die dem Gesetz genügen, muss später wesentlich mehr als 65 Prozent beschaffen, um im Schnitt die Anforderungen zu erfüllen.
Dies zeigt: Die Zeit drängt. Die ÖPNV-Unternehmen sind gefordert, zügig in Fahrzeuge zu investieren, die emissionsfrei betrieben werden. Einige Kommunen forcieren den Umbau der Flotten bereits aktiv, schreiben Machbarkeitsstudien aus, haben Ausschreibungen angestoßen und probieren neue Technologien aus.
Höhere Beschaffungskosten
Daraus ergeben sich eine Reihe von Herausforderungen. Die Anschaffungs- und prognostizierten Lebenszeitkosten von Bussen mit alternativen Antriebstechnologien sind aktuell deutlich höher als die von Dieselbussen, trotz steigender Dieselpreise, einer möglichen CO2-Steuer und Fördermittel. Zwar wirken sich ein steigendes Angebot am Markt und ein fortwährender Forschungsfortschritt positiv auf die Fahrzeugpreise aus, doch aktuell ist aufgrund gestörter Lieferketten und steigender Rohstoffkosten – und das bei stetiger Nachfrageerhöhung aufgrund des Gesetzes – eher mit höheren Marktpreisen für Elektro- und Wasserstoffbusse zu rechnen.
Umstieg erfordert Investitionen in Infrastruktur und Betriebsabläufe
Hinzu kommt: Aufgrund der technischen Gegebenheiten (beispielsweise längere Ladezeiten, geringere Reichweiten, größere Anfälligkeiten für äußere Bedingungen) sind mehr Fahrzeuge mit alternativem Antrieb notwendig, um die gleiche Leistung wie mit Dieselbussen zu erreichen.
Neben der Fahrzeugbeschaffung müssen die Betreiber zudem in die Lade-Infrastruktur investieren, die Betriebshöfe und Werkstätten für die neuen Herausforderungen ausrüsten und Mitarbeitende entsprechend weiterbilden. Auch entlang der Strecken können Maßnahmen notwendig werden. Hierbei sind Genehmigungsverfahren und Planungszeiträume zu bedenken.
Bereits bei der Wahl der Antriebstechnologie – Busse mit Brennstoffzelle, in der Wasserstoff die Energie liefert, oder batterieelektrische Busse – spielen Aspekte des Betriebs eine Rolle: Welche Reichweiten werden benötigt, etwa mit Blick auf Überlandlinien? Lassen sich Synergien mit bereits bestehender Infrastruktur im Umfeld (etwa für Wasserstoff) nutzen? In Wuppertal werden beispielsweise Busse mit Wasserstoff betrieben, der mit Energie aus dem lokalen Müllheizkraftwerk hergestellt wird.
Komplexe Transformation: Strategie für Finanzierung, Beschaffung und Betrieb notwendig
Eine erfolgreiche Umstellung auf alternative Antriebstechnologien erfordert angesichts der angedeuteten Komplexität daher eine ausgefeilte, proaktive Finanzierungs-, Beschaffungs- und Betriebsstrategie. Eine erfolgreiche Beschaffung startet dabei bereits lange vor dem eigentlichen Vergabeverfahren mit der Definition einer klaren Strategie, unterstützt von präzisen Verantwortlichkeiten und einer frühzeitigen Markterkundung zur Bestimmung verfügbarer Kapazitäten und Sicherstellung eines gesunden Wettbewerbs. Es können neue Wege erkundet werden, wie z. B. eine Bündelung des Einkaufsvolumens von mehreren Aufgabenträgern oder eine enge Verzahnung des Einkaufs mit einer Finanzierung bzw. dem neuen Betriebsmodell.
Für die Finanzierung gilt es zum einen, diverse Fördermittel in den Blick zu nehmen, die die Beschaffung emissionsarmer Busse wirtschaftlich attraktiver machen. Dazu zählen beispielsweise die Richtlinie zur Förderung alternativer Antriebe von Bussen im Personenverkehr der Bundesregierung und weitere Förderprogramme auf Länderebene.
Zum anderen bietet eine gezielte Finanzierungsstruktur mit Finanzierungsgarantien und Zinssicherung zusätzliche Vorteile. Um bei einer über längere Zeit gestreckten Darlehenstilgung Risikozuschläge zu begrenzen, könnte der Aufgabenträger dem Finanzierenden die Leistung des Kapitaldienstes für die Fahrzeuge über den gesamten Zeitraum garantieren. Dabei sind verschiedene Ausgestaltungen denkbar. Es wird zudem eine separate Leasinggesellschaft etabliert, die zwischen den Banken und dem Verkehrsunternehmen zwischengeschaltet wird. Eine Zinssicherung verschafft weitere Planungssicherheit bzw. Finanzierungsspielräume, ist jedoch je nach Zinsumfeld und Risikoappetit des Aufgabenträgers im Einzelnen gegen andere Alternativen abzuwägen.
Ein weiterer Ansatz liegt darin, die angeschafften Fahrzeuge in einem separaten Unternehmen – einer Fahrzeugpool-Gesellschaft – zu bündeln. Dies erhöht die Flexibilität. Zudem kann diese Lösung zu mehr Eigenkapital führen, da sich Finanzinvestoren beteiligen können, für die ein solches Unternehmen mit emissionsfreien Fahrzeugen ein attraktives „grünes“ Investment sein kann. Insbesondere für kleinere Verkehrsunternehmen sehen wir außerdem Potenzial hinsichtlich nachfrageseitiger Kooperationen, um Skaleneffekte zu nutzen.
Chancen, den Betrieb zu optimieren
Die Anschaffung emissionsarmer bzw. -freier Fahrzeuge hat auch Auswirkungen auf den Betrieb. Aufgrund der Reichweitenproblematik kann es erforderlich sein, Routen umzustellen, die Fahrzeugauslastung sowie Instandhaltungsprozesse und -intervalle anzupassen und ähnliches. Das Management eines emissionsarmen Fahrbetriebs ist anspruchsvoller als der bisherige Betrieb mit Dieselbussen. Verstärkt wird dies durch den (zumindest zeitweisen) komplexeren Mischbetrieb der neuen emissionsfreien Fahrzeuge mit der bestehenden Dieselflotte.
Gleichwohl gibt es bei vielen Betreibern im Hinblick auf Leistung, Kosten und Risiken im Betrieb der Flotten noch ungenutzte Optimierungspotenziale, die es zu heben gilt.
Daher ist es für eine erfolgreiche Umstellung auf alternative Antriebe entscheidend, diese Transformation ganzheitlich zu betrachten und umzusetzen – auch mit Blick auf rechtliche Fragestellungen – sowie strategisch vorzugehen. Die passende Finanzierungsstruktur (inklusive Fördermittel) und Beschaffungsstrategie kann die Umstellung beschleunigen, und mit der richtigen Betriebsstrategie werden Prozesse optimiert, um die Fahrzeugflotte optimal auszulasten.
Antriebswende: Frühzeitig die Chance nutzen
Der Umstieg auf klimafreundliche Alternativen im ÖPNV erfordert hohe Anfangsinvestitionen in Fahrzeuge und Lade- bzw. Tankinfrastruktur sowie eine grundlegende Transformation der Betriebsabläufe. Dennoch ist die Antriebswende unumgänglich, damit der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz leisten kann.
Damit bietet die Transformation zu einem klimafreundlichen öffentlichen Verkehr – neben dem offensichtlichen Mehrwert der reduzierten Treibhausgasemissionen – die Chance, zusätzliche Werte für die Gesellschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit und Gesundheit zu schaffen. So können Anwohner:innen von einer geringeren Lärmbelastung profitieren.
Für einen nachhaltigen und zukunftsweisenden ÖPNV legt das SaubFahrzeugBeschG die Grundlage. Nun gilt es, zeitnah in eine Fahrzeugflotte der nächsten Generation zu investieren, damit die Aufrechterhaltung des Betriebs auch in Zukunft sichergestellt ist.