Keyfacts:
- Künstliche Intelligenz automatisiert die Erstellung von Local und Master Files in Steuerabteilungen.
- Die Rolle der Mitarbeitenden verschiebt sich von der Erstellung hin zur Prüfung.
- Konsistenzprüfungen durch KI minimieren Fehler und erhöhen die Dokumentationsqualität.
Verrechnungspreise gehören zu den komplexesten Themen in der Unternehmensbesteuerung. Ein Element sind die Verrechnungspreis-Compliance-Anforderungen: Multinationale Konzerne müssen Daten aus zahlreichen Ländern in Local und Master Files – standardisierte Dokumente, die lokale und globale Verrechnungspreisdaten zusammenfassen – einpflegen und jährlich aktualisieren. Gleichzeitig steigen für Steuerabteilungen die Anforderungen an Dokumentation und Berichterstattung. Künstliche Intelligenz (KI) verspricht Entlastung – aber wie genau kann sie helfen?
Magdalena Bonna, Partnerin Global Transfer Pricing Services, und Robert Regendantz, Partner Tax Transformation, beide bei KPMG in Deutschland, zeigen, wie in Steuerabteilungen KI gewinnbringend eingesetzt werden kann, ohne dabei den Menschen aus den Augen zu verlieren.
Generative KI, kurz GenAI, ist eine Form der künstlichen Intelligenz, die gestützt auf ihren Trainingsdaten oder unternehmenseigenen Daten völlig neue Inhalte produzieren kann. Werden damit im Verrechnungspreisumfeld jetzt auch Local und Master Files vollautomatisch erstellt?
Robert Regendantz : Die Erwartungen an generative KI sind hoch, da sie sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten sehr effizient verarbeiten kann. Aber für eine vollständige Automatisierung reicht das allein nicht aus. Hier braucht es eine sinnvolle Kombination aus klassischen Technologien und generativer KI.
Während herkömmliche Tools hervorragend darin sind, fest definierte Regeln und strukturierte Informationen zu verarbeiten, setzt GenAI dort an, wo diese Technologien an ihre Grenzen stoßen, zum Beispiel beim Verarbeiten und Erstellen unstrukturierter Textpassagen oder beim logischen Quervergleich unterschiedlicher Datenquellen in Echtzeit. Indem beide Methoden kombiniert werden, entsteht ein durchgängiger Prozess, in dem bestehende Automatisierungslösungen weiterhin genutzt werden und GenAI den entscheidenden Schritt weitergeht. Das Ergebnis: Ein großer Teil der Dokumentationsarbeit kann automatisiert werden, ohne dass wertvolles Expertenwissen verloren geht.
Wie unterscheiden sich Chatbot-Lösungen von prozessintegrierten Use Cases?
Magdalena Bonna: Chatbots werden vor allem genutzt, um wiederkehrende und ad-hoc Fragen im Transfer-Pricing-Alltag schnell zu beantworten – zum Beispiel, ob eine Funktionsverlagerung vorliegen könnte oder welche lokalen Fristen für die Dokumentationserstellung gelten. Thematisch spezialisierte Chatbots, etwa für OECD Amount B, liefern rasch Klarheit bei spezifischen Fragestellungen und sind besonders bei dialogorientierten Ansätzen beliebt.
Bei prozessintegrierten Lösungen geht es hingegen um die bestenfalls unsichtbare Einbettung der KI in bestehende Arbeitsabläufe. Anwenderinnen und Anwender arbeiten mit vertrauten Oberflächen, während die KI im Hintergrund Prozesse automatisiert. Das Onboarding fällt dadurch erheblich leichter: Es sind keine tiefgreifenden KI-Kenntnisse erforderlich, um von der Automatisierung zu profitieren. Während klassische Technologien weiterhin beispielsweise einfache Variablen ersetzen, kann eine GenAI an passenden Stellen unstrukturierte Informationen verarbeiten oder komplexe Textpassagen zusammenfassen – ohne dass Nutzerinnen und Nutzer aktiv in den KI-Prozess eingreifen müssen.
Welche Rolle spielen dabei die Mitarbeitenden?
Robert Regendantz: Mit KI verschiebt sich ihre Rolle: Sie werden vom „Creator“ zum „Reviewer“ – vom Ersteller zum Prüfer. Eine KI kann beispielsweise konsistente Entwürfe für Local Files anfertigen, indem sie die relevanten Kapitel selbstständig befüllt. Die Fachkräfte prüfen anschließend, ob die Inhalte korrekt sind, und ergänzen bei Bedarf länderspezifische Feinheiten. Moderne Lösungen erkennen außerdem potenzielle Widersprüche – etwa inkonsistente Zahlen in verschiedenen Dokumentabschnitten – und weisen automatisch darauf hin. So entsteht ein effizienter Kreislauf aus Automatisierung und menschlicher Qualitätskontrolle.
Wie aufwendig ist die Einführung solcher KI-Lösungen – und wie gelingt ein reibungsloser Start?
Magdalena Bonna: Zu Beginn ist es wichtig, die eigenen Datenquellen zu kennen und in ein strukturiertes Format zu bringen. Viele Unternehmen unterschätzen den Aufwand, Informationen aus ERP-Systemen, Verträgen oder Benchmarking-Studien zu harmonisieren. Genauso relevant ist die Frage, ob man ein Pilotprojekt startet, um so erste Erfahrungen zu sammeln. Ein Proof of Concept (PoC) kann in einem klar abgegrenzten Use Case – etwa das Erstellen von Local Files in wenigen Ländern – rasch erste Erkenntnisse liefern.
Da bereits erfolgreich ein PoC für die Automatisierung von Verrechnungspreis-Dokumentationen durchgeführt wurde, weiß man heute, welche technischen Methoden sich bewährt haben. Der nächste Schritt für weitere Unternehmen besteht meist in einem Proof-of-Value-Projekt. Dabei werden die unternehmensspezifischen Anforderungen an den konzernweiten Verrechnungspreis-Dokumentationsprozess ermittelt und ein passendes technisches Konzept ausgearbeitet. Am Ende dieser Phase zeigt sich, welche wirtschaftlichen Vorteile eine KI-gestützte Lösung im Vergleich zu einer rein manuellen Inhouse-Erstellung oder einem Outsourcing an externe Dienstleister bietet.
Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn sie sich jetzt mit KI-gestützten Lösungen im Verrechnungspreisbereich auseinandersetzen?
Robert Regendantz: Die Automatisierung spart vor allem Zeit und Kosten und schafft Mitarbeitenden mehr Freiräume für strategische Aufgaben.
Magdalena Bonna: Ganz genau. Gerade im Fachbereich Transfer Pricing wird in der Regel sehr nah am schnelllebigen Business gearbeitet, sodass neben der Sicherstellung der Verrechnungspreis-Compliance, sich Fachbereichsmitarbeitende tagtäglich mit Planungs- und Implementierungsfragen beschäftigen müssen. Durch den Einsatz von KI bei der Verrechnungspreis-Compliance können Mitarbeitende hier entscheidend entlastet werden. Neben der Generierung der Master und Local Files, kann die KI das Risiko von Fehlern oder Inkonsistenzen minimieren, weil die Technologie es ermöglicht, selbstständig Plausibilitätsprüfungen durchzuführen und damit auch Konsistenz zwischen verschiedenen Dokumentationen sicherstellen kann. Damit bietet die KI auch in puncto Skalierbarkeit einen deutlichen Mehrwert. Des Weiteren wird eine wichtige Anforderung Flexibilität bleiben. Ob neue Länderanforderungen oder Integration von neuen Datenquellen – all das kann mithilfe von KI unkompliziert gelöst werden, sobald die Basiskonfiguration steht.