Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren in allen Bereichen stark an Bedeutung gewonnen und spielt auch im Einkauf eine immer größere Rolle. Mit wachsendem Druck aus der Politik, aber auch von Konsument:innen, wird ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette für viele Unternehmen unabdingbar. Unternehmen sind angehalten, alle drei Säulen der Nachhaltigkeit (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – ESG) zu berücksichtigen. Dabei reicht es heutzutage längst nicht mehr aus, nur auf die Prozesse im eigenen Unternehmen zu achten. Stattdessen sind Unternehmen zunehmend verpflichtet, die gesamte Wertschöpfungskette zu prüfen. Das bezieht auch Vertriebspartner und Lieferanten mit ein.
Trotz der hohen Bedeutung wird Nachhaltigkeit oft nur punktuell integriert. Dabei könnten viele Unternehmen von einem effektiven Nachhaltigkeitsprogramm im Einkauf stark profitieren. Was fehlt, ist häufig ein Verständnis bezüglich möglicher Vorteile und mit welchen Maßnahmen diese realisiert werden können.
Nachhaltiger Einkauf als Chance im Wettbewerb
Die regulatorische Landschaft in Europa hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Mit der Einführung des EU Green Deals und der Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ist der Druck auf Unternehmen gestiegen, Nachhaltigkeitsrisiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette offenzulegen und ihnen zu begegnen. Dies gilt sowohl für Risiken hinsichtlich internationaler Menschenrechte als auch für Risiken des Umweltschutzes.
Insbesondere der Einkauf rückt unter dem LkSG stärker in den Vordergrund. In vielen Unternehmen sind in diesem Bereich neue Maßnahmen erforderlich. Wer die Regularien nicht erfüllt, dem drohen neben einem Bußgeld und einem möglichen Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen auch ein Imageschaden, der sich negativ auf den Umsatz auswirken kann, sowie Kosten, die in Folge von Versorgungsengpässen entstehen.
Um diese Konsequenzen zu vermeiden, sollten Unternehmen sich nicht nur auf die Einhaltung von vorgeschriebenen Mindeststandards fokussieren, sondern über die regulatorischen Anforderungen hinausgehen. Die Vorteile, noch einen Schritt weiterzugehen und Nachhaltigkeit direkt in die Einkaufsstrategie zu integrieren, werden allerdings weiterhin von einigen Unternehmen unterschätzt. Die Erfahrungen zeigen, dass ein nachhaltiger Einkauf eine Chance im Wettbewerb sein kann.
Durch einen nachhaltigen Einkauf können drei Vorteile realisiert werden
- Risikominimierung: Durch den Aufbau und Einsatz von Lieferanten-Assessments (z.B. während der Qualifizierung, Angebotseinholung oder Vertragsverhandlung), werden Lieferanten regelmäßig auf ESG-Aspekte überprüft. Dies hilft dabei, die strategischen und operativen Beschaffungsprozesse zu überwachen und bei aufkommenden Risiken frühzeitig Maßnahmen abzuleiten. Ein nachhaltiger Einkauf kann dabei durch die strategische Auswahl von Lieferanten helfen, soziale Risiken wie Kinderarbeit, Umweltverstöße oder Gesetzesbrüche zu identifizieren und zügig zu reagieren. Die Resilienz der Lieferkette erhöht sich und Risiken durch Lieferausfälle werden reduziert.
- Kostenreduzierung: Durch einen organisatorisch und prozessual integrierten nachhaltigen Einkauf können Kosten reduziert werden. Hierbei geht es beispielsweise um Kosteneinsparungen im Energiebereich durch zielgerichtete Dekarbonisierungsmaßnahmen oder eine veränderte Planung von Beschaffungsvorgängen. Wenn Unternehmen den Einkauf in die Produktentwicklung involvieren, können sie Kosten reduzieren und gleichzeitig einen wichtigen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen.
- Wettbewerbsvorteil: Endkonsument:innen beziehen Nachhaltigkeitsaspekte immer häufiger in ihre Kaufentscheidungen ein. Ein Unternehmen mit einem nachhaltigen Einkauf wird daher am Markt anders wahrgenommen und Kund:innen sind bereit, höhere Preise zu bezahlen. Durch den Ansatz der Kreislaufwirtschaft werden wiederum Produktinnovationen im Unternehmen gefördert, die zu einem Wettbewerbsvorteil führen können.
Trotz zahlreicher Vorteile scheint die Integration von Nachhaltigkeit in den Einkauf für viele Unternehmen eine Herausforderung darzustellen. Dabei gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die eine erfolgreiche Verankerung von Nachhaltigkeit in die Einkaufsstrategie ermöglichen.
Drei Ansatzpunkte für einen nachhaltigeren Einkauf
- Lieferantenmanagement: Der Aufbau eines effektiven Lieferantenmanagements hilft dabei, die richtigen Lieferanten für das Unternehmen zu identifizieren, Risikolieferanten zu lokalisieren und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Falls Anforderungen nicht erfüllt werden, können Lieferanten bei der Umsetzung betreut und durch einen zielgerichteten Change-Management-Prozess unterstützt werden. In einer transparenten Lieferkette werden Lücken rechtzeitig erkannt und zeitnah geschlossen. Dabei ist es wichtig, die relevanten Stakeholder miteinzubeziehen und Richtlinien und Erwartungen zu formulieren.
- Vertragsmanagement: Nachhaltige Verträge können erheblich zur Verbesserung der Lieferantenleistung beitragen. Sie sind ein leistungsstarkes Werkzeug für die Integration von ESG-Faktoren in den Einkauf. Ein ganzheitliches Vertragsmanagement unterstützt die Kontextualisierung und Überprüfung der Klauseln und wird mehr denn je zum entscheidenden Instrument bei der Einhaltung von Compliance-Vorgaben. Erfolgreich implementiert, hilft es bei der Prävention von umwelt- und menschenrechtsbezogenen Risiken und stellt sicher, dass frühzeitig gegengesteuert werden kann.
- Operative Beschaffung: Durch den Einsatz von Software-Lösungen werden operative sowie strategische Einkäufer bei der Beschaffung von Direktmaterial unterstützt. Und auch im indirekten Einkauf bieten Lösungsanbieter bereits Möglichkeiten, nachhaltige Produkte oder Lieferanten speziell zu kennzeichnen und hervorzuheben. Zusätzlich ermöglichen digitale Tools und Automatisierungslösungen die Visualisierung des Lieferkettennetzwerks und das Tracking nachhaltigkeitsrelevanter KPIs. Auch der direkte Einkauf bietet Ansatzpunkte wie beispielsweise die Beschaffung lokaler Materialien mit kürzeren Transportwegen. Das reduziert nicht nur CO2-Emissionen, sondern verringert gleichzeitig die Beschaffungszeiten und bietet potenzielle Kosteneinsparungen.
Die Integration von Nachhaltigkeit in den Einkauf hat demnach diverse Vorteile für Unternehmen: Sie hilft nicht nur bei der Erfüllung von Regulatorik, sondern stärkt gleichzeitig die Resilienz der Lieferkette und bietet die Chance, Kostenvorteile zu realisieren.
Durch Stellschrauben wie das Lieferantenmanagement, das Vertragsmanagement oder weitere strategische Ansätze im direkten sowie indirekten Einkauf kann der Einkauf nachhaltiger gestaltet werden und somit eine zentrale Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens einnehmen. Werden diese Aspekte konsequent umgesetzt, macht es das Unternehmen langfristig nachhaltiger, wettbewerbsfähiger und resilienter.