Insbesondere seit der öffentlichkeitswirksamen Umbenennung von Facebook zu Meta hat der nächste digitale Megatrend einen Namen: Metaverse. Doch welche Dynamiken verbergen sich hinter dem vielzitierten Buzzword? Das Metaverse oder Metaversum codiert eine virtuelle Welt, in der sich die Nutzer:innen mittels ihrer Avatare bewegen. Sie können in Interaktion mit anderen treten, die zufällig oder nach Absprache ebenfalls dort sind. Die 3-D-Plattform weist dabei Schnittstellen mit der realen Welt auf.
Das Metaversum ist eine logische Weiterentwicklung dessen, was wir bei technologischen Innovationen seit Jahren beobachten: die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche. Beschleunigt durch die Corona-Pandemie tauschen wir uns heute nicht nur im Arbeitskontext selbstverständlich über Videocalls aus, von der Online-Weinprobe bis zur Yogastunde. Wir arbeiten virtuell zusammen und bestellen mehr online denn je.
Die Endstufe dieser Entwicklung wäre ein Holodeck, also die realistische und fühlbare 3-D-Simulation einer realen oder imaginären Umgebung. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt. Die technischen Hürden sind hoch: Damit das Metaverse wirklich „realistisch“ wahrnehmbar ist, braucht es enorme Rechenleistung, starke Grafikkarten und Hardware, die komfortabel und ausgereift ist. Doch auch schon die Zwischenstufe kann für Unternehmen interessant sein.
Wie lohnt sich das Metaverse für Unternehmen?
Grundsätzlich kann man drei Gruppen von Unternehmen betrachten: Für Firmen, die bereits jetzt komplett digital sind, wie Social-Media-Plattformen und Gaming ist es essenziell, im Metaverse dabei zu sein. Das umfasst auch den Onlinehandel.
Die zweite Gruppe sind Unternehmen, die greifbare Produkte herstellen, wie zum Beispiel Automobil- und Textilunternehmen. Das Metaversum bietet eine einmalige Möglichkeit, das eigene Portfolio zu diversifizieren und profitabel zu erweitern. Wir sehen bereits, wie Avatare mit Markenkleidung veredelt werden – gegen digitale Geldtransfers.
Zur dritten Gruppe gehören Unternehmen, die vor allem von menschlichen Interaktionen abhängen. Für diese Gruppe wird die Ausweitung der Geschäftsmodelle in das Metaversum wohl am längsten dauern.
Immersive Erfahrung kann gewinnbringend sein
An der letzten Gruppe beobachten wir aber exemplarisch, wie rasch die Gewöhnung an neue Technologien gelingt, wenn die Notwendigkeit groß genug ist. Man hätte mutmaßen können, dass die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie zu großen Reibungsverlusten führen. Geschäftsabschlüsse und Kundenkontakt ohne direkte Begegnungen? Wie wir gesehen haben, hat das durchaus funktioniert. In vielen Unternehmen wird als Folge unter anderem die Diskussion geführt, wozu früher all die Reisekosten nötig waren, wenn Meetings jetzt auch im digitalen Raum gelingen. Und das bei vergleichbaren Umsätzen.
Die Überwindung von Entfernungen, Zeitzonen und Reisebeschränkungen ist im Arbeitsalltag oftmals entscheidend. In Branchen, die von der Interaktion mit Menschen und intensivem Austausch leben, kann das Eintauchen in eine virtuelle Umgebung (immersive Erfahrung) wie das Metaverse deshalb gewinnbringend sein, um den noch unausgereiften virtuellen Kontakt der vergangenen beiden Jahre auf ein neues Level zu heben.
Allerdings gibt es aus meiner Sicht zwei wesentliche Einschränkungen beim Metaverse:
Erstens funktionieren die Arbeitsabläufe aktuell nur so dynamisch, weil sie auf eine prä-pandemische, zwischenmenschliche Grundlage zurückgreifen können. Diese Basis erodiert jedoch zunehmend. Auf Dauer ist der reale Austausch nicht zu ersetzen. Der Mensch agiert als soziales Wesen – dieser Fakt ist nicht durch reine Soft- und Hardwarelösungen zu umgehen.
Zweitens sind die technischen Anforderungen nicht für alle Unternehmen gleich stemmbar. Konzerne, die groß genug sind, um die erforderlichen komplexen technologischen Rahmenbedingungen zu schaffen, werden sich von singulären Modellen physischer Präsenz lösen. Hingegen sehen sich selbstständige Unternehmer:innen, die ihre Virtual-Reality-Struktur (Rechenkapazität, der Sprung von 5G zu 6G, Hardware) selbst finanzieren müssen, mit Problemen konfrontiert. Die Gefahr des erschwerten Zugangs zum Metaverse ist deshalb nicht zu unterschätzen. Technologie sollte keine neuen Barrieren ziehen.
Steuerrecht im Metaverse
Die Diskussion um die rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen in Bezug auf die Aktivitäten im Metaverse und in ähnlichen Plattformen hat bereits begonnen. Bereits seit 2017 berate ich Blockchain-Projekte unter steuerlichen Gesichtspunkten. Meine Erfahrung ist, dass es auch in der digitalen Welt keine Grauzonen gibt. Das gleiche gilt für Kryptowährungen und digitale Assets.
Gesetzgebenden Instanzen fällt es allerdings immer schwerer, mit der technischen Entwicklung mitzuhalten. Wir brauchen folglich ein ausgeprägteres, technologiebezogenes Regelverständnis. Ein moralischer Kompass ist dafür wesentlich. Was wir als falsch empfinden, bleibt falsch. Es gibt heute ein ausreichendes Set an Regeln, um Aktivitäten im digitalen Kontext zu besteuern. Unsere Gerichte sprechen nach genau dieser Logik Recht und so gibt es beispielsweise schon umsatzsteuerliche Rechtsprechung zur Vermietung von NFT(„Non-Fungible Token“)-Grundstücken.
Umso mehr stellt sich für ein Unternehmen deshalb die Frage: Weiß ich, wie die für mich geltenden Vorschriften und Gesetze im Metaverse Anwendung finden? In diesem Artikel zu steuerlichen und rechtlichen Fragen im Metaverse diskutieren wir, welche Gerichtsbarkeiten berechtigt sind, digitale Transaktionen zu besteuern, sowie die Herausforderung der zutreffenden steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen, die als Gegenleistung für den Kauf digitaler Vermögenswerte wie beispielsweise NFT-Immobilien dienen.
Steuern müssen dort gezahlt werden, wo Umsätze getätigt und Gewinne erzielt werden. Entscheidend ist deshalb die Antwort auf die Frage, wo sich dieser Ort befindet, wenn natürliche oder juristische Personen im Metaverse agieren. Danach richtet sich dann auch, welcher Staat oder welche Staaten berechtigt sind, digitale Transaktionen im Metaverse zu besteuern. Wenn es also im Metaverse einen „realen Markt“ in einer virtuellen Welt gibt, in der natürliche und juristische Personen etwas zum Ökosystem dieser Onlinewelt beitragen können, dann muss die Frage beantwortet werden, ob und wie dieser Beitrag zu steuerlichen Konsequenzen führt. Darüber hinaus gibt es auch weniger klare Rechtsrahmen. In Zukunft wird zu klären sein: Wo wird der Code für virtuelle Waren und Güter geschrieben? Wo kauft ein Unternehmen den Code ein? Und wo verkaufen sie ihn? Aber auch solche Detailfragen werden mit einem wachsenden regulatorischen Rahmen gelöst werden.
Neue Abhängigkeiten von Big Tech?
Das Metaverse ist grundlegend nichts anderes als der Marktplatz von Amazon oder eine Ladenzeile in der Frankfurter Innenstadt. Genau wie bei klassischen Mietpreisentwicklungen und Provisionen, gibt es auch in einer virtuellen Welt Marktabhängigkeiten und volatile Kosten. Die Gefahr besteht in Monopolisierungstendenzen. Wäre Meta der einzige Anbieter eines Metaverse, hätte das problematische Konsequenzen. Aber Gaming-Plattformen wie Fortnite oder Tech-Unternehmen wie Google widmen sich ebenfalls mit substanziellen technologischen und finanziellen Mitteln der zeitnahen Umsetzung. Ein dynamisches Marktgeschehen ist somit entscheidend, um unnötige Mehrkosten zu vermeiden und die Einstiegsschwelle niedrig zu halten.
Empfehlenswert wären einheitliche Standards als wichtige Voraussetzung für ein innovatives Metaverse. Anders als das Arpanet bzw. Internet, die in einem staatlich-militärischen Kontext entwickelt wurden, wird das Metaversum vornehmlich von großen Tech-Konzernen vorangetrieben. Deshalb wird die Einigung auf einen gemeinsamen Standard wohl ein schwieriges Unterfangen. Auch die Interoperabilität zwischen verschiedenen Metaversen ist deshalb bisher fraglich.
Marktpotenziale des Megatrends Metaverse
Entsteht aus dem Metaverse potenziell ein weltweiter Markt für Dienstleistungen? Strukturiert immersive Technologie globale Wertschöpfungsketten essenziell neu? Ich bin der Überzeugung, dass wir in Entwicklungszyklen denken müssen. In Zeiten der Pandemie arbeiten wir bereits verstärkt virtuell zusammen. Die Frage ist: Wird es für Ihr Unternehmen in drei bis fünf Jahren erforderlich sein, den nächsten Schritt zu gehen? Das Homeoffice 2.0 wird grundlegend durch das Metaverse mitbestimmt werden. Festhalten möchte ich gleichzeitig, dass nicht jede Form der Kooperation ins Metaverse ausgelagert werden kann. Wir bleiben soziale, empfindsame Wesen.
Dennoch ist das Metaverse ein Emblem für die chancenreiche Erweiterung bestehender und noch nicht existierender Märkte. Für Hightech-Firmen, die sich ausschließlich auf digitale Produkte fokussieren, ist das Metaversum folglich das neue Maß der Dinge. Für Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf körperlichen Produkten stellt das Metaverse eine wichtige Erweiterung da, die vielversprechende Erwartungen weckt. Für eine dritte Gruppe von Unternehmen, die in hohem Maße auf menschlicher und sozialer Interaktion beruhen, wird der Schritt in die virtuelle Welt wohl zögerlicher und vermutlich erst deutlich später erfolgen.
Fazit
In der Vergangenheit waren immersive digitale Orte wie das Videospiel Second Life eher ein Nischenphänomen für Nerds. Das Metaverse hingegen wird einen sehr viel größeren Kreis an Nutzer:innen und potenziellen Kund:innen ansprechen. Die ersten Schritte dorthin haben wir alle in den vergangenen zwei Jahren gemeistert.