Seit mehr als zwei Jahren ist die EU-Richtlinie 2018/822 bezüglich meldepflichtiger grenzüberschreitender Gestaltungen, kurz DAC 6, in Kraft. Sie ist in die nationale Gesetzgebung der meisten EU-Staaten umgesetzt worden. Die Richtlinie enthält Meldepflichten bezüglich grenzüberschreitender Steuergestaltungen innerhalb einer Frist von 30 Tagen. Mittlerweile haben Unternehmen Erfahrung und eine gewisse Routine in der Meldung solch grenzüberschreitender Steuergestaltungen gewonnen.
Doch der Unmut über die Richtlinie bleibt bei vielen Unternehmen bestehen. Unmut über weiterhin bestehende Unklarheiten in der Auslegung und den zusätzlichen administrativen Aufwand. Vermehrte Rückfragen des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) zu bereits eingereichten Meldungen sowie ein aktuelles Urteil des EuGH (Rechtssache C-694/20) zeigen indes: Das Thema DAC 6 verliert nicht an Relevanz.
Herausforderungen der DAC 6-Richtlinie für Unternehmen
Real-Estate-Unternehmen und Asset Manager haben in den vergangenen zwei Jahren entsprechende Strategien entwickelt und Prozesse aufgebaut. Diese dienen dazu, die fristgerechte und richtlinienkonforme Einhaltung etwaiger Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen unter DAC 6 zu gewährleisten.
Betroffen von potenziellen Meldepflichten sind oftmals – unter anderem – grenzüberschreitende Immobilientransaktionen (An- und Verkäufe) sowie diesbezügliche Refinanzierungen und Reorganisationen. Wichtig sind für Unternehmen insbesondere die Identifikation möglicher meldepflichtiger Sachverhalte und die fristgerechte und vollständige Mitteilung der notwendigen Informationen an die Finanzbehörden. Aber auch die Analyse und Dokumentation, warum im Einzelfall von einer Meldung abgesehen wurde, ist von zentraler Bedeutung.
Aufmerksamkeit ist bei jedem Sachverhalt gefordert
Angesichts der hohen Komplexität der Richtlinie können grenzüberschreitende Sachverhalte (vor allem im Immobilienkontext) ein oder mehrere meldepflichtige Kennzeichen erfüllen. Deshalb ist bei grenzüberschreitenden Geschäften jeder Sachverhalt auf eine mögliche Meldepflicht zu prüfen. Hilfestellung zur Konkretisierung der Anforderungen der deutschen Finanzverwaltung an die Meldung wurde durch das BMF-Schreiben zur Anwendung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 29. März 2021 gegeben. Dieses ist aber in vielen Teilen weit gefasst, sodass zu großer Auslegungsspielraum verbleibt.
Wichtig sind für Unternehmen daher die Definition und Dokumentation einer Strategie zum Umgang mit potenziell meldepflichtigen Sachverhalten inklusive der Argumentation für oder gegen eine jeweils angenommene Meldepflicht. Zu beachten ist zudem, dass die Auslegung der DAC 6-Vorschriften sich von Land zu Land grundsätzlich unterscheiden kann. Die bisherigen Erfahrung zeigt außerdem, dass in den meisten EU-Mitgliedstaaten eine weniger restriktive Interpretation vertreten wird als in Deutschland. Eine Prüfung der betroffenen Sachverhalte aus Perspektive jedes betroffenen Mitgliedstaates und entsprechende Koordination der betroffenen Parteien ist daher unerlässlich.
Rückfragen zu erfolgten Mitteilungen
Viele Unternehmen haben in den letzten Wochen Post vom Bundeszentralamt für Steuern bezüglich eingereichter DAC 6-Mitteilungen bekommen. Die Rückfragen des BZSt sind umfangreich und detailliert und die Fristen für die geforderte Abgabe einer angepassten Meldung sind eng.
Das Bundeszentralamt für Steuern stellt dabei unter anderem detaillierte Rückfragen. Sie betreffen die Beschreibung der Sachverhalte der gemeldeten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, hinsichtlich der betroffenen nationalen und internationalen Rechtsvorschriften und zu den an der Gestaltung beteiligten Steuerpflichtigen und Intermediären.
In den Schreiben stellt das BZSt seine Auffassung klar, dass bei (Spezial-) Investmentfonds grundsätzlich von deren Qualifikation als steuerpflichtige Nutzer auszugehen ist und dass deren Anleger grundsätzlich auch als Nutzer qualifizieren und diese in die Meldung aufzunehmen sind.
Mögliche Bußgelder werden angedroht
Ebenfalls bemerkenswert ist die Deutlichkeit, mit der die Finanzverwaltung in ihren Schreiben auf mögliche Sanktionen hinweist. Nicht nur die Geldbuße bis zu 25.000 Euro für die vorsätzliche oder leichtfertige Nichteinhaltung der Mitteilungspflichten wird genannt, sondern auch, dass eine solche Steuerordnungswidrigkeit eine Eintragung im Gewerbezentralregister nach sich ziehen kann.
Die angeschriebenen Unternehmen sind gefordert, die Rückfragen des BZSt durch eine Anpassung der ursprünglichen Meldung über das von den Unternehmen bzw. ihren Beratern verwendete Übermittlungstool (zum Beispiel BOP) zu beantworten. Oft gilt hierfür nur eine enge Frist von ca. vier Wochen.
Die Kombination aus kurzer Beantwortungsfrist und möglichen finanziellen Konsequenzen gibt den Rückfragen ein hohes Gewicht. Sie schafft echte Dringlichkeit bei der Bearbeitung und der Informationsbeschaffung der betroffenen Parteien.
Was ist jetzt wichtig für betroffene Unternehmen?
„Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?“: Wichtig ist, dass Unternehmen das Bewusstsein für eine potenzielle Meldepflicht grenzüberschreitender Sachverhalte erneut auf den Prüfstand stellen. Sie sollten ihre Mitarbeitenden unterstützen, eine potenzielle Meldepflicht zu erkennen, und die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Außerdem sollten sie die DAC 6-Analysen aller betroffenen Sachverhalte dokumentieren.
Hier gilt es, die Mitarbeitenden durch regelmäßige Schulungen zu sensibilisieren und klare Prozess- und Verhaltensrichtlinien zu schaffen, die im Arbeitsalltag – insbesondere für „Nicht-Steuerexpert:innen“ – auch umsetzbar sind.
Auch gilt es den DAC 6-Prozess – als Bestandteil eines funktionierenden Tax-Compliance-Management-Systems (Tax-CMS) und im Einklang mit den ESG-Anforderungen – in das Unternehmen zu integrieren sowie die notwendige Dokumentation (Strategiepapier, Arbeitsrichtlinien und Prozessdokumentation) zu schaffen. Ein bestehender Meldeprozess und dessen Dokumentation sollte, auf Basis der Erfahrungen zu bereits eingereichten Mitteilungen und den verstärkten Rückfragen der Finanzverwaltung, hinterfragt und ggf. aktualisiert werden.
Die Kernthese bleibt: Das Bewusstsein für die Relevanz der steuerlichen DAC 6-Meldepflichten sowie eine gründliche Analyse aller grenzüberschreitenden Sachverhalte und deren Dokumentation ist zwingend notwendig.