Zunehmender Protektionismus, staatliche initiierte Cyber-Attacken, natürlich der Klimawandel, die Alterung der Gesellschaft nicht zu vergessen oder die Digitalisierung, die unser Leben mehr und mehr bestimmt. Es sind viele Themen und Ereignisse, die belegen, dass wir in Zeiten eines massiven und disruptiven Wandels leben.
Nichts ist mehr, wie es noch vor zehn Jahren war. Das aktuelle und noch junge Jahrzehnt ist geprägt von politischen Konflikten und wirtschaftlicher Unsicherheit. Das gilt für Europa und weltweit und hat auch großen Einfluss auf den Standort und die Wirtschaft in Deutschland.
Deutschland ist international
Deutschland ist auch deshalb vom Wandel so sehr betroffen, weil die deutsche Wirtschaft so stark international verflochten ist: Hierzulande existieren mehr als 30.000 internationale Unternehmen und erwirtschaften rund ein Drittel der deutschen Wirtschafsleistung. Zugleich sind deutsche Unternehmen neben den US-amerikanischen am globalsten investiert. Durch die globale Beschaffung günstiger Rohstoffe und Vorprodukte, die Nutzung niedriger Produktionskosten im Ausland und den Verkauf hochmargiger Produkte in vielen großen Auslandsmärkten ist es gelungen, dass Deutschland die viertgrößte Industrienation der Welt wurde und fünf Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt beiträgt, wenngleich Deutschland nur ein Prozent der Weltbevölkerung stellt.
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Diese Zahlen zeigen, dass systemische Konflikte zwischen Demokratien und Autokratien, die zu Blockbildungen und dem Decoupling der großen Wirtschaftsmächte USA und China führen, gleichermaßen großen Einfluss auf den Standort Deutschland und die internationalen Aktivitäten deutscher Unternehmen haben. Beim International-Business-Summit 2022 von KPMG Deutschland habe ich mich gerade erst mit deutschen und internationalen Expert:innen aus der Wirtschaft und Politik darüber ausgetauscht, warum Deutschland auch in unwägbaren Zeiten weiterhin ein so beliebter Investitionsstandort für ausländische Firmen ist. Zwei prominente Firmen, die sich hier kürzlich angesiedelt haben oder dies in Kürze planen, sind der E-Autobauer Tesla und der Chiphersteller Intel.
Weitere Videos, Texte und weitere Informationen zum International-Business-Summit haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Deutschland sollte Standort-Stärken selbstbewusster nach außen tragen
Als größte Industrienation in Europa, die hoch entwickelt ist und dadurch einen im globalen Vergleich deutlich überdurchschnittlichen Lebensstandard vorweisen kann, scheint Deutschland auf den disruptiven Wandel primär mit einem Gefühl von Verlustangst und Sorge zu schauen. Ich denke aber, der Standort Deutschland und die deutsche Wirtschaft sollten diese Veränderungen als Chance begreifen und sich hierbei ihrer Stärken besinnen. Die sind aus meiner Sicht:
- Starke industrielle Basis
- Führend in Forschung und Entwicklung
- Qualitätsführerschaft
- Hohe Innovationsfähigkeit
- Problemlösungsfähigkeit
- Prozess-Orientierung
- Rechtssicherheit, soziale und politische Stabilität
- Internationale Vernetzung und Präsenz
- Hohes Ansehen in der Welt
Diese Stärken sollten die deutsche Wirtschaft, die deutsche Politik und auch die deutschen Medien selbstbewusst betonen und nach außen vermitteln. Getreu dem Motto „perception is reality“, denn die Wirklichkeit beeinflussen wir auch durch unsere Wahrnehmung und dem Bild, dass wir nach außen vermitteln.
Diese Herausforderungen sollten angegangen werden
Auch, wenn Deutschland weiter ein beliebter Investitionsstandort ist, gibt es auch Hürden, die die deutsche Politik zusammen mit der Wirtschaft überwinden sollte. Dies sind die meines Erachtens wichtigsten Baustellen:
- Qualität von Aus- und Fortbildung in Schulen und Universitäten
- Logistische und digitale Infrastruktur
- Überbordende Staatsquote, Sozialsysteme und Steuern
- Volatile Energie- und Rohstoffsicherheit sowie -verfügbarkeit zu wettbewerbsfähigen Kosten
- Digitalisierung der Verwaltung
- Überbürokratie
- Ineffizienzen föderaler Strukturen
Deutschland stellt mit gut 80 Millionen Menschen und die Europäischen Union mit knapp 450 Millionen Menschen nur ein bzw. sechs Prozent der Weltbevölkerung. Tendenz sinkend – bei einer zugleich stark wachsenden Weltbevölkerung in Indien, Afrika und Südostasien. Deutschland braucht mit Blick auf die internationale Vernetzung daher nicht nur eine China-Strategie, an der die deutsche Bundesregierung arbeitet, sondern eine global ausgerichtete Industriepolitik, die sowohl den Standort Deutschland entwickelt als auch alle Regionen der Welt in den Blick nimmt.
Fazit: Wir leben in einer Phase fantastischer Chancen
Auch in disruptiven Zeiten gibt es für die deutsche Wirtschaft und den Standort Deutschland fantastische Chancen. Um diese zu nutzen, sollte sie und die deutsche Politik vorwärtsgewandter, progressiver und strategischer agieren.