Meistens folgen die Gesetze den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends. Das spiegelt sich auch in den gesetzlichen Neuerungen für 2024 wider. Auf der Agenda des deutschen und des europäischen Gesetzgebers standen vor allem zwei Themen: der Kampf gegen den Klimawandel sowie die Digitalisierung. Entstanden sind eine Reihe neuer gesetzlicher Vorschriften. Dazu gehören nicht nur die Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern auch zusätzliche Vorgaben zur Produkt-Compliance und ein rechtlicher Rahmen für den Umgang mit KI. Auf Unternehmen kommen einige neue Aufgaben zu. Was die Herausforderung noch vergrößert: Die neuen Gesetze sehen teilweise erhebliche Bußgelder bei Nichtbeachtung vor.
Hier ein Überblick über wichtige Änderungen, die Unternehmen im neuen Jahr beachten müssen.
Ab 2024 müssen die ersten Unternehmen nach der CSRD berichten
Zum ersten Mal für das Berichtsjahr 2024 müssen Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten. Das sieht die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor. Bereits ab dem 1. Januar 2024 müssen Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden, die bereits jetzt der nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht unterliegen, Daten sammeln. Die Berichtspflicht umfasst die Themen Umwelt, Soziales und Governance.
Die CSRD bringt allerdings auch ein ernstzunehmendes Risiko für Haftung mit sich. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig und gründlich mit der CSRD auseinandersetzen.
Das GEG enthält Regeln für neue Heizungen und stellt Anforderungen an Bestandsgebäude
Nach einer langen Debatte wird zum 1. Januar 2024 das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Kraft treten. Das „Heizungsgesetz“, wie das GEG auch genannt wird, regelt, dass neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Neue Gebäude müssen energieeffizient sein. Daneben stellt das Gesetz eine Reihe von Anforderungen an Bestandsgebäude. Zum Beispiel müssen Gebäude hinreichend gedämmt werden. Bei Nichtwohngebäuden kann ein System zur Gebäudeautomatisierung erforderlich werden. Außerdem enthält das GEG Prüf- und Optimierungspflichten für bestehende Heizungsanlagen.
Weitere Teile der europäischen Digitalstrategie treten in Kraft
Am 8. Dezember 2023 haben sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten auf eine vorläufige Fassung des AI Act geeinigt. Der AI Act ist das erste Gesetz, das Künstliche Intelligenz (KI) reguliert. Er teilt KI in drei Risikoklassen sein. Je nach Risikoklasse gelten verschiedene Anforderungen. Um den hohen Bußgeldern des AI Acts zu entgehen, sollten Unternehmen ihre KI-Anwendungen evaluieren und in eine Governance-Struktur einbinden sowie ein KI-Risikomanagement etablieren.
Der Data Act der EU wurde am 27. November 2023 final verabschiedet. Er soll den Zugang zu Daten verbessern und für eine faire Nutzung dieser Daten sorgt. Das Gesetz wird in Kürze in Kraft treten, gilt dann allerdings erst 20 Monate später. Diese Zeit sollten Unternehmen nutzen, die Vorgaben des Data Acts umzusetzen. Zum Teil sind langfristige und umfangreiche Prozessanpassungen hierfür notwendig.
Der Digital Services Act (DSA) ist bereits in Kraft. Anbieter digitaler Dienste haben noch bis zum 24. Februar 2024 Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Der DSA sieht vor allem Informations- und Transparenzpflichten vor, die Online-Vermittler und -Plattformen in unterschiedlicher Abstufung beachten müssen, wenn sie Services in der EU anbieten. Darunter fallen zum Beispiel Online-Marktplätze, soziale Netzwerke, Content-Sharing-Plattformen, App-Stores und Suchmaschinen.
Das MoPeG reformiert das Recht der Personengesellschaften grundlegend
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt am 1. Januar 2024 die wohl größte Reform in Kraft, die das Recht der Personengesellschaften bisher erfahren hat. Wichtige rechtliche Neuerungen sind zum Beispiel:
- Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbRs), die Eigentümer von Grundstücken sind oder in Zukunft Grundeigentum erwerben wollen, müssen künftig in einem neuen Gesellschaftsregister eingetragen sein. Gleiches gilt, wenn die GbR weitere Rechte erwerben oder ändern möchte, die im Grundbuch einzutragen sind.
- Kommanditisten erhalten unentziehbare gesetzliche Informationsrechte.
- Personengesellschaften können ihren Verwaltungssitz rechtssicher ins Ausland verlegen.
- Das Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften wird erstmals gesetzlich geregelt. Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften müssen nun regelmäßig strengeren Anforderungen entsprechen. Anderenfalls können bestehende Schiedsvereinbarungen künftig unwirksam sein.
Gesellschaften sollten ihre Gesellschaftsverträge auf Anpassungsbedarf überprüfen.
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern
Im November 2023 haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) beschlossen. Das Gesetz soll Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern und Investitionen in erneuerbare Energien fördern. Unter anderem sollen Mitarbeiterkapitalbeteiligungen durch einen deutlich höheren Steuerfreibetrag erleichtert werden.
Außerdem dürfen Unternehmen künftig bereits mit einer Mindestmarktkapitalisierung von einer Million Euro an die Börse gehen. Ein Emissionsbegleiter ist dafür nicht mehr nötig.
Namensaktien können künftig sowohl als Zentralregisterwertpapiere als auch als Kyptowertpapiere begeben werden.
Nach dem ZuFinG dürfen Unternehmen Mehrstimmrechtsaktien ausgeben. Dadurch soll die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden.
Neue Anforderungen an die Produkt-Compliance
Die neue Produktsicherheitsverordnung der EU (General Product Safety Regulation – GPSR) ist seit Juni 2023 in Kraft und gilt seit dem 13. Dezember 2024. Sie soll gewährleisten, dass in der EU weiterhin nur sichere Produkte in den Verkehr gebracht werden. Anlass für die Erneuerung der Produktsicherheitsregelungen waren vor allem die fortschreitende Digitalisierung und die sich verändernden Geschäftsmodelle.
Ab dem 28. Februar 2024 gilt die neue Batterieverordnung der EU. Nach der Verordnung sollen Batterien nur noch ein Minimum an schädlichen Substanzen enthalten und einen geringen CO2-Fußabdruck haben. Insbesondere Hersteller von Batterien müssen einiges beachten: Es gelten unter anderem Höchstwerte für giftige Inhaltsstoffe, Kennzeichnungspflichten und CO2-Grenzwerte, ein Mindestanteil an recyceltem Material und die Pflicht, einen Batteriepass auszustellen.
Der Umweltverschmutzung durch Plastikmüll sagt die Bundesregierung mit dem Einwegkunststofffondsgesetz den Kampf an: Auf bestimmte kunststoffhaltige Einwegprodukte fällt künftig eine Abgabe an. Betroffen sind zum Beispiel Tabakwaren mit kunststoffhaltigen Filtern, Getränkebehälter und To-Go-Lebensmittelbehälter. Mit den Einnahmen können die Kommunen ihre Kosten für Reinigung und Entsorgung von Einwegplastikmüll im öffentlichen Raum ausgleichen.
Der Vernichtung neuer Waren möchte die EU mit der geplanten Ökodesign-Verordnung begegnen. Rat und Parlament der EU haben sich am 5. Dezember 2023 vorläufig auf einen Verordnungstext geeinigt. Das Ziel: Produkte sollen so produziert werden, dass sie langlebiger sind. Außerdem: Neue Textilien und Schuhe dürfen nicht mehr vernichtet werden. Die Verabschiedung der Verordnung im Laufe des Jahres 2024 gilt als wahrscheinlich.
Weitere Sorgfaltspflichten für Lieferketten
Die unternehmerische Verantwortung für ihre Lieferketten erhält eine neue Komponente: Bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse müssen künftig entwaldungs- und waldschädigungsfrei sein, wenn sie in Europa in den Verkehr gebracht werden. Das sieht die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte vor. Betroffen sind Soja, Ölpalme, Rinder, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie bestimmte daraus hergestellte konkret benannte Erzeugnisse. Die Verordnung wurde bereits im Juni 2023 im EU-Amtsblatt veröffentlicht; sie gilt aber erst ab dem 30. Dezember 2024. Bis dahin müssen Produzenten und Händler gewährleisten können, dass ihre Produkte entwaldungsfrei sind.
Ab dem 1. Januar 2024 müssen weitere Unternehmen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beachten: Erfasst sind dann auch Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden.
Eine vorläufige politische Einigung über eine EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten kam am 14. Dezember 2023 zustande. Der Entwurf der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) sieht vor, dass auch kleinere Unternehmen zur Einhaltung der Menschrechte und des Umweltschutzes entlang ihrer Aktivitätenketten verpflichtet sind.
Das ändert sich im Arbeitsrecht
Bereits 2019 hatte der EuGH in seinem „Stechuhr-Urteil“ den nationalen Gesetzgebern aufgegeben, die Arbeitgeber zur Einführung von Zeiterfassungssystemen zu verpflichten. Das deutsche Arbeitszeitgesetz schreibt bislang nur die Aufzeichnung der über die Regelarbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeit vor. Die Einigung auf ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung lässt weiter auf sich warten. Ein Lichtblick: Vertrauensarbeitszeit wird es wohl weiterhin geben; so zumindest der erklärte Wille im Koalitionsvertrag.
Beachten sollten Unternehmen allerdings, dass der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes erweitert wird: Zum 1. Januar 2024 müssen auch kleinere Unternehmen ab 50 Beschäftigte ein Hinweisgebersystem einrichten.
Eine weitere Aufgabe für den HR-Bereich und das Arbeitsrecht ist die CSRD. Denn die Nachhaltigkeitsberichterstattung umfasst nicht nur Angaben zu Umweltthemen, sondern auch zahlreiche Informationen über die Mitarbeitenden.
Außerdem wird zum 1. Januar 2024 der Mindestlohn von 12,00 Euro auf 12,41 Euro erhöht.
Sonstige Neuerungen
Unternehmen, die Zuwendungen aus Drittstaaten erhalten haben, müssen diese seit dem 12. Oktober 2023 im Rahmen von M&A-Transaktionen und größeren Vergabeverfahren bei der Europäischen Kommission anmelden. Die EU-Drittstaatensubventionsverordnung (DSVO) soll einen freien Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt gewährleisten.
Vorsicht bei Sektor-Untersuchungen: Auch rechtstreuen Unternehmen drohen seit dem 7. November 2023 Eingriffe durch das Bundeskartellamt, wenn die Untersuchung eine Störung des Wettbewerbs offenlegt. Das sieht die 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor.
Die EU-Staaten haben sich am 14. Dezember auf ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Es sieht unter anderem ein Einfuhrverbot von Diamanten vor sowie eine Verschärfung des Preisdeckels für russische Ölexporte in Drittstaaten.
Im Oktober und November 2023 haben Bundestag und Bundesrat die Änderung des Lobbyregistergesetzes beschlossen. Das Lobbyregister soll die Einflussnahme von Interessenvertreter:innen auf politische Entscheidungsprozesse transparent machen. Die Pflichten zur Eintragung in das Lobbyregister wurden jetzt ausgeweitet.
Eine gute Nachricht: Gerichtsprozesse könnten schon bald schneller und effizienter ablaufen dank des verstärkten Einsatzes von Videokonferenztechnik. Ende November 2023 hat das Bundesministerium der Justiz einen entsprechenden Gesetzentwurf veröffentlicht.
Inwieweit die gesetzlichen Neuerungen tatsächlich zum Erreichen großer Ziele wie der Digitalisierung und der Bekämpfung des Klimawandels beitragen, bleibt abzuwarten. In jedem Fall werden die zahlreichen neuen Pflichten die Unternehmen im Jahr 2024 in Atem halten.
Webcast zum Steuerrecht
Auch im Steuerrecht gibt es viele Neuerungen. Erfahren Sie im Webcast, welche neuen Anforderungen und Regelungen Unternehmen ab 2024 beachten müssen.